Baumschutzverordnung:Alte Riesen in Gefahr

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Nur noch fünf Kommunen im Landkreis Ebersberg schützen ihre großen Bäume. Doch Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass ohne eine solche Regelung Fällungen kaum verhindert werden können.

Von Alexandra Leuthner

Zwei Jahre ist es her, dass der Bund Naturschutz in Bayern landesweit eine Baumschutzverordnung für alle Kommunen gefordert hat. Der Kreis Ebersberg lag mit sechs von 21 - Vaterstetten, Egmating, Bruck, Kirchseeon, Forstinning und Poing - damals weit über den 4,6 Prozent der bayerischen Gemeinden und Städte, die auf eine derartige Verordnung verweisen konnten. Nur, gestiegen ist die Quote seither nicht, trotz des Aufrufs der Naturschützer, trotz des Bewusstseinswandels im Hinblick auf den Klimaschutz. Im Gegenteil: Soeben hat der BN festgestellt, dass sich die Quote landesweit verschlechtert hat, auf 3,14 Prozent, wie der Vorsitzende der BN-Ortsgruppe in Pliening, Franz Höcherl, berichtet. Und im Landkreis hat sich - nach Markt Schwaben im Jahr 2005 - auch die Gemeinde Kirchseeon von ihrer Baumschutzverordnung verabschiedet. Ausgerechnet, nachdem es zwischen dem örtlichen BN und der Gemeinde einen Streit um die Fällung von mehr als 80 Bäumen auf dem Campus des Berufsförderwerks gegeben hatte. Die Bäume, die für einen Mensaneubau zum Jahresende 2020 geschlagen worden waren, standen allerdings nicht unter dem Schutz der zu diesem Zeitpunkt noch existierenden Verordnung. Mit ihrem Versuch, jene Satzung anschließend überarbeiten zu lassen, um ähnliches künftig auszuschließen, scheiterten SPD und Grüne kurz darauf, stattdessen kippte eine Gemeinderatsmehrheit die Satzung komplett. Neues Ungemach droht in Kirchseeon nun möglicherweise drei großen Eichen auf dem früheren Bundeswehrgelände, an dem ein örtlicher Unternehmer zur Erweiterung seines Betriebs Interesse angemeldet hat.

"Wir haben der Gemeinde geraten, den Streifen mit den Bäumen nicht zu verkaufen, wenn sie sie schützen wollen", berichtet Johann Taschner von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt. Seine Behörde empfehle Gemeinden grundsätzlich, den Umgang mit Bäumen im Ortsbereich allgemein zu regeln. "Wenn Sie keine Baumschutzverordnung haben, können Sie zuschauen, wie Stück für Stück gerodet wird", sagt er, vor allem bei Generationswechseln, wenn Grundstücke aufgeteilt und an Bauträger verkauft würden, die sie dann für möglichst großen Gewinn möglichst dicht bebauen. "Verständlich", so Taschner, "aber allzu leicht sollte man es Bauträgern auch nicht machen, ihre Taschen zu vergolden." Natürlich aber, räumt er ein, sei der Erlass einer Baumschutzverordnung für Gemeinden oft mit Widerständen verbunden, "sie müssen sich dann der öffentlichen Diskussion stellen."

So scheiterte in Pliening ein Vorstoß der SPD-Fraktion im August 2020 am Widerstand der Gemeinderatsmehrheit - unter anderem an dem Gegenargument, das jeder zur Säge greife und schnell noch jene Bäume fälle, die demnächst in einen Schutzstatus hineinwachsen könnten, wenn eine Baumschutzverordnung drohe.

Ein Argument, dass Taschner entkräften kann: "Das Naturschutzrecht bietet die Möglichkeit einer einstweiligen Sicherstellung." In Verbindung mit einer Mustersatzung verbiete sie sofort das Entfernen solcher Bäume. Anschließend hätten Gemeinden dann bis zu zwei Jahren Zeit, sich über eine endgültige Satzung einig zu werden.

Auslöser für den Plieninger Vorstoß war eine Fällaktion Anfang des Vorjahres gewesen, die durch eine Schutzverordnung vielleicht hätte verhindert werden können. Das gleiche gilt für die Rodung zweier über 100 Jahre alter Linden in Markt Schwaben vor gut zwei Wochen. 120 bis 150 Jahre alt sollen die Bäume Schätzungen zufolge gewesen sein, die am Rande eines unbebauten Grundstücks am Lindenweg standen. Schon 2017 hatten die Grünen im Markt Schwabener Gemeinderat vergeblich den Erlass einer Baumschutzverordnung beantragt. Nun ist es nicht so, dass in Kommunen mit Baumschutzverordnung keine Bäume mehr fallen. So werden etwa in Vaterstetten, dessen Verordnung seit 1984 besteht, neun von zehn Anfragen positiv beschieden, weil Bäume krank sind oder eine Gefahr darstellen, wie Karina Kotte vom dortigen Umweltamt erklärt. Auch werden immer wieder Bäume ohne Genehmigung umgeschnitten, wie in der Baldhamer Erika-Köth-Straße im März des Vorjahres. Dort waren 150 Fichten quasi über Nacht der Kettensäge zum Opfer gefallen, was für den Verursacher allerdings nicht folgenlos blieb. Ein Bußgeld in mittlerer fünfstelliger Höhe wurde fällig, fünfstellig war auch die Summe, die er für die Nachpflanzung von 36 Laubbäumen ausgeben musste. Im Vergleich mit der Strafbewehrung, erklärt Kotte, sei die Ersatzpflanzung das wichtigere Instrument. Die Gemeinde führe eine Liste von geeigneten Bäumen, die regelmäßig aktualisiert und den veränderten Klimabedingungen angepasst wird. Wenn ein Bürger das Fällen oder Beschneiden eines Baumes beantrage, ließen sich im Zuge der dann einsetzenden Beratung Pflegefehler vermeiden, die später zu einer Erkrankung der Pflanze führen könnten - auch das Kappen geschützter Bäume ist in Vaterstetten verboten.

Für Bauträger allerdings, die Millionen an einem Grundstück verdienen, sind wohl selbst die maximal möglichen 50 000 Euro Strafe ein Klacks. Mehr aber gebe das Bayerische Naturschutzgesetz nicht her, bedauert Kotte. Ohnehin breche letztendlich immer Baurecht Baumrecht, sagt Johann Taschner, zumal dann, wenn so ein Riese mitten im Bauraum stehe. Aber immerhin könne durch geschicktes Verschieben eines geplanten Neubaus doch so mancher Baum gerettet werden, was ohne Schutzverordnung nur gehe, wenn es für eine Baufläche einen Bebauungsplan gibt, in dem bestehender Bewuchs verzeichnet ist.

Alte Bäume zu erhalten sei letztlich immer das Beste, denn im Gegensatz zu jeder Nachpflanzung bildeten sie nicht nur ein Biotop, Unterschlupf für eine Vielzahl von Insekten und Vögeln, sondern seien auch als CO₂-Speicher und Sauerstofflieferant unersetzbar, erklärt Naturschützer Höcherl. Von ihrer Bedeutung als Kulturgut und ihrer Schönheit ganz zu schweigen. "Auch der Schutz der Schönheit der Natur steht schließlich im Gesetz."

© SZ vom 25.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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