Wirtschaft im Landkreis:"Die Lage ist bitterernst"

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Erst vor wenigen Wochen wurde in Anzing ein Projekt für vergünstigten Wohnraum abgeschlossen. Mehr davon, fordert Sonja Ziegltrum-Teubner. (Foto: Christian Endt)

Die Ebersberger IHK-Vorsitzende Sonja Ziegltrum-Teubner zeichnet ein besorgniserregendes Bild der wirtschaftlichen Situation im Landkreis. Sie fordert schnelleres Internet und bezahlbaren Wohnraum.

Von Johannes Korsche, Ebersberg

Dass die nächste Wahl immer "so wichtig wie noch nie" ist, gehört zu den allgemeineren Gemeinplätzen, die vor der Stimmabgabe gerne bemüht werden. Aber diesmal könnte es stimmen, wenn Sonja Ziegltrum-Teubner, Vorsitzende des Regionalausschusses Ebersberg der Industrie- und Handelskammer (IHK), die anstehende Neuwahl ihres Gremiums so ankündigt. Denn über allem steht in einigen Branchen der "Kampf um die wirtschaftliche Existenz", der nach gut einem Jahr Pandemie für viele Unternehmen zum Alltag gehöre, wie Ziegltrum-Teubner am Montagmittag bei einem Online-Termin zur anstehenden IHK-Wahl sagte. "Die Lage ist in einigen Branchen bitterernst." Außerdem beschäftigen sie der Ausbau der digitalen Infrastruktur und des öffentlichen Nahverkehrs sowie der Fachkräftemangel.

Dabei sei es für den Wohlstand des Landkreises sehr wichtig, die Vielfalt der Betriebe dauerhaft zu erhalten. Im Landkreis seien alle Unternehmensformen zu finden: "Vom Ein-Mann-Betrieb bis zum gewachsenen Mittelständler, vom Start-Up bis zum Hidden Champion", wie Ziegltrum-Teubner sagte. "Diese Wirtschaftsstruktur darf durch Lockdown und Betriebsschließungen nicht kaputtgehen." Die Unternehmen im Landkreis seien zwar stark, aber "wir müssen uns mit aller Kraft gegen ein drohendes Ladensterben und die Insolvenzgefahr stellen", betonte die Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses. Denn die Gewinner der Pandemie wie zum Beispiel die großen Onlinehändler sitzen mit ihren Firmen nicht in Ebersberg.

Aktuell sei die Hälfte der Arbeitszeit damit gebunden, die geltenden Corona-Einschränkungen zu recherchieren. Darf der Laden öffnen? Dürfen Saisonarbeiter kommen? Welche Grenzen in der Lieferkette sind derzeit dicht? "Es ist schwierig, von einer Woche in die nächste zu planen." Eine verlässliche Strategie der Politik ist in ihren Augen "noch nicht gefunden". Dazu kommt eine "überbordende Bürokratie", die die Unternehmer - wenig verwunderlich - grundsätzlich und nun während Corona umso mehr kritisieren.

Dabei wäre es doch die Aufgabe der Politik, "optimale Rahmenbedingungen" für die Unternehmen zu schaffen, mahnte Ziegltrum-Teubner. Nicht nur während der Corona-Pandemie, sondern auch für die Zeit danach. Die kommenden fünf Jahre, für die der IHK-Regionalausschuss gewählt ist, werden daher von Themen geprägt sein, die man im Kreis Ebersberg nur allzu gut kennt. Oder vom "Nachholbedarf", wie Ziegltrum-Teubner es nannte. "Funklöcher müssen schnellstmöglich der Vergangenheit angehören", forderte sie. Dass da "dringend was passieren muss", hat sich auch an den Schulen gezeigt.

Auf gut ausgebildeten Nachwuchs sind die Betriebe ebenso angewiesen wie auf schnelles Internet. Und da lauert schon das nächste Problem für die Ebersberger Unternehmen: "Es ist schwierig geeigneten Nachwuchs zu finden", klagte Ziegltrum-Teubner. Im vergangenen Jahr begannen knapp 300 Berufsanfänger ihre Ausbildung, mehr als 13 Prozent weniger als im Vorjahr. Was aber weniger daran liege, dass die Betriebe weniger ausbilden wollten, sondern daran, dass es "an ausbildungswilligem Nachwuchs mangelt".

Doch selbst wenn ein Unternehmen eine Auszubildende oder einen Auszubildenden gefunden hat, ist damit längst nicht gesagt, dass sie oder er auch langfristig im Betrieb bleiben. Was wesentlich damit zusammenhängt, dass die Miet- und Kaufpreise im Landkreis, wie im gesamten Münchner Umland, kräftig nach oben schnellen. Der fehlende bezahlbare Wohnraum sei oft "der limitierende Faktor", sagte Ziegltrum-Teubner. Auch ihre Mitarbeiter "können sich eine Wohnung in Vaterstetten teils nicht leisten" und manche "ziehen dann weg aus München". Und Berufsanfänger, die nicht ohnehin schon hier wohnten,fänden nichts. Verwaltung und Politiker sollten daher die gesetzlichen Hürden beim Wohnungsbau verkleinern.

Sie selbst plane derzeit auf ihrem Firmengelände - Ziegltrum-Teubner ist Geschäftsführerin der "Bayerischen Blumen Zentrale" in Parsdorf - Werkswohnungen zu errichten. Zwar sehe es bei ihrem Projekt mit der Genehmigung gut aus und die Verwaltung stelle sich überhaupt nicht in den Weg, aber gewisse Vorgaben sollte man "hinterfragen". Eingeschossige Supermärkte in Gewerbegebieten könnte man doch zum Beispiel mit Wohnungen aufstocken und Parkplätze mit Stelzen überbaut werden, schlug sie vor. "Es gäbe viele Möglichkeiten." Gleiches gilt auch bei der Anbindung des Landkreises. Ziegltrum-Teubner forderte einen engeren S-Bahn-Takt und Expressbuslinien, die direkt zum städtischen U-Bahnnetz führen.

Die fast 12 000 Unternehmen, die zur Wahl des Ebersberger IHK-Regionalausschusses aufgerufen sind, wählen zwischen dem 6. April und 7. Mai 17 Vertreter in das Gremium. Auch Sonja Ziegltrum-Teubner tritt wieder an. Mehr dazu unter www.ihkwahl2021.de.

© SZ vom 09.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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