Hitze im Landkreis Ebersberg:Vorhang zu und durch

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Für einige Menschengruppen sind heiße Tage im Sommer schon jetzt gefährlich, zum Beispiel für Senioren und Seniorinnen. Da es immer neue Hitzerekorde gibt, wird es auch immer mehr Hitzeopfer geben. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Möglichkeiten für Pflegeheime im Landkreis Ebersberg, ihre Bewohner vor der aktuellen Hitze zu schützen, sind begrenzt. Ein landkreisweites Konzept gibt es wie fast überall in Deutschland nicht.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Es ist heiß. An diesem Dienstag werden die Temperaturanzeigen in Ebersberg wohl auf bis zu 32 Grad steigen. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) könnten am Untermain sogar bis zu 39 Grad und damit der Höhepunkt der Hitzephase erreicht werden - vorläufig. Vermutlich empfinden die wenigsten solche Temperaturen noch als angenehm - für einige können sie gar lebensbedrohlich werden. So betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass vor allem ältere und kranke Menschen geschützt werden müssen. "Diese Hitzewelle könnte viele Todesopfer bringen", twitterte er. Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Patientenschutz Eugen Brysch sagte: "Alte Menschen in den Heimen sind der Affenhitze weitestgehend schutzlos ausgesetzt." Die SZ hat sich im Landkreis Ebersberg umgehört: Welche Vorkehrungen können Pflegeheime überhaupt treffen, um ihre Bewohner vor den steigenden Temperaturen zu schützen?

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Im Marienheim in Glonn setzt man darauf, Fenster und Vorhänge tagsüber geschlossen zu halten. Eine außenliegende Sonnenbeschattung ist an dem Gebäude nicht vorhanden - eine andere Möglichkeit, um die Zimmer und Aufenthaltsräume vor warmen Temperaturen zu schützen, gibt es also nicht. Vor allem achtet das Pflegepersonal aber auf ausreichend Flüssigkeit, das "A und O", wie Hubert Radan, Leiter der Einrichtung, sagt. "Bei einer solchen Hitze müssen wir sehr darauf aufpassen, dass unsere Bewohner genügend trinken, um ein Austrocknen zu vermeiden."

Eine ähnliche Einschätzung der Situation ist von Seiten des Pflegesterns zu hören, wenngleich die Häuser dort sogar über Außenjalousien und mobile Klimageräte für Gemeinschaftsräume verfügen. Der Fokus bei den heißen Temperaturen liegt dennoch auf Flüssigem. "Es ist wichtig, dass unser Personal den Senioren das Getränk nicht nur einfach hinstellt, sondern auch darauf achtet, dass sie es tatsächlich trinken", sagt Alois Stöckl vom Qualitätsmanagement.

Da Senioren weniger Durst verspüren, kommt es bei ihnen schnell zu einer Dehydrierung

Doch warum ist das Trinken ein solch großes Thema? Marc Block, Internist und Ärztlicher Koordinator im Landkreis Ebersberg, erklärt dazu: "Ältere Menschen haben ein geringeres Durstgefühl und es kommt schneller zu einer Austrocknung des Körpers mit fatalen Folgen für die Durchblutung von Niere, Herz und Gehirn." Die Auswirkungen davon können sehr unterschiedlich ausfallen - Schwindel, Desorientiertheit, Infektanfälligkeit, erhebliche Erschöpfung oder im Extremfall könne sogar der Tod eintreten, beispielsweise durch Herzinfarkte, die bei Hitze häufiger auftreten.

In der Praxis gestaltet sich die Aufsicht über das Trinkverhalten der Pflegeheimbewohner durchaus schwierig, wie von Seiten des Marienheims und des Pflegesterns zu erfahren ist. In besonderen Fällen, wenn die Flüssigkeitsmenge aus Krankheitsgründen auf einem bestimmten Niveau sein muss, ist die genaue Kontrolle kein Problem. "Aber bei 160 Bewohnern können wir das so nicht bei jedem Einzelnen leisten", sagt Hubert Radan.

Bei alleinlebenden Senioren sei die Gefahr von Hitze am größten, sagt Alois Stöckl

Trotzdem gingen Pflegekräfte durch die Zimmer, sodass ein Überblick und ein allgemeiner Kontrollmechanismus vorhanden sei. Nicht so allerdings bei vielen der Seniorinnen und Senioren, die alleine zu Hause leben. "Die angestoßene Diskussion von Politik und Co. über die Situation in Pflegeheimen ist ein bisschen schief", sagt Alois Stöckl. "Denn was ist mit denen, bei denen gar niemand schaut oder vielleicht nur zweimal in der Woche der ambulante Pflegedienst vorbeikommt?" In solchen Fällen sei die Gefahr von Hitze deutlich größer als in Heimen, wo auch noch Bezugspflege herrscht - also wenn möglich die gleichen Pflegekräfte die gleichen Bewohner versorgen. "Da müsste dringend von politischer Seite ein Konzept her."

In anderen Ländern gibt es das bereits - teilweise seit Jahrzehnten. So hat die französische Regierung vor 20 Jahren Kommunen dazu verpflichtet, ein Register zu führen, in das sich vor Hitze besonders Schutzbedürftige aufnehmen lassen können. Bei entsprechend hohen Temperaturen rufen Mitarbeiter des Sozialen Dienstes jeden Tag an, stellen Ventilatoren sowie ausreichend Getränke in den Wohnungen bereit und falls niemand zu erreichen ist, wird die Feuerwehr benachrichtigt.

In Deutschland gibt es solche übergeordneten Pläne und Vorgaben für Kommunen bislang nicht. Gleichzeitig herrscht in der Wissenschaft Konsens: Hitzeperioden wie die aktuelle werden häufiger und heftiger. So verweist das Umweltbundesamt auf Modellrechnungen, die einen Anstieg der hitzebedingten Sterbefälle für Deutschland prognostizieren: Demnach wird es pro Grad Celsius Temperaturanstieg eine ein bis sechs Prozent höhere Mortalität geben - das würde mehr als 5000 zusätzliche Sterbefälle pro Jahr bis Mitte dieses Jahrhunderts bedeuten.

Im Landkreis Ebersberg gibt es kein Konzept zum Schutz von älteren Menschen vor Hitze

Dennoch verfügt laut einer Recherche von Zeit Online nur jeder fünfte Landkreis über ein Konzept, wie besonders vulnerable Menschen vor den möglicherweise tödlichen Folgen einer Hitze geschützt werden können. Der Landkreis Ebersberg gehört nicht dazu. Auf Nachfrage teilt die Pressesprecherin vom Landratsamt mit, dass derzeit an einem Klimaanpassungskonzept gearbeitet werde - der Ansatz hier sei jedoch weitgreifender gefasst, es soll also nicht nur um medizinische Unterstützung gehen.

Vorschläge und Ideen, wie man vor allem ältere Menschen nachhaltig vor Hitze schützen kann, sind von Seiten derjenigen im Landkreis Ebersberg, die täglich mit Betroffenen zu tun haben, einige zu hören. So verweist Marc Block auf die Wichtigkeit der Städteplanung: Hier müsse das Augenmerk mehr auf eine innerstädtische Begrünung gelenkt werden, also der Bau von Fassaden- oder Dachbegrünung, damit sich Städte und Gemeinden gar nicht erst extrem aufheizen. Alois Stöckl verweist auf das geplante Seniorenheim in Poing. Dort sei im Gespräch, einige Räume klimatisiert auszustatten. Auch Hubert Radan sagt, dass bauliche Veränderungen langfristig notwendig werden.

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