Prävention:Gefährliche Hitze

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Ausreichend Wasser ist bei Hitze besonders wichtig - doch ist es zu kalt, kann es gefährlich werden. (Foto: Christian Endt)

Am Wochenende werden neue Spitzentemperaturen erwartet, auch im Landkreis Ebersberg. Die SZ hat sich umgehört: Macht das Wetter den Menschen zu schaffen? Wo liegen die Gefahren für die Gesundheit - und wie kann man diesen vorbeugen?

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Zwischen den Jahren 1951 und 1960 gab es im Landkreis Ebersberg durchschnittlich 3,5 heiße Tage pro Jahr - also Tage, an denen eine Höchsttemperatur von mehr als 30 Grad gemessen wurde. Im vergangenen Jahrzehnt waren es fast dreimal so viele, wie aus dem Klimaanpassungskonzept des Landkreises hervorgeht. Heuer gab es bereits fünf heiße Tage, und an diesem Samstag wird wohl noch ein weiterer hinzukommen. Sind die Menschen im Landkreis auf die Hitze ausreichend vorbereitet?

Nicht alle, so viel steht fest. Sowohl in den Hausarztpraxen als auch in der Notaufnahme der Ebersberger Kreisklinik ist dieser Tage mehr los als gewöhnlich. Schwindel, Kopfschmerzen, Atembeschwerden, Herzrhythmusstörungen, Schwellungen der Beine, Hauterkrankungen, Muskelkrämpfe, Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, Entgleisungen von Blutzucker und Blutdruck - die Liste der hitzebedingten Beschwerden von Patienten, die der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands in Ebersberg, Marc Block in seiner Zornedinger Praxis immer häufiger sieht, ist lang.

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Auch die Notaufnahme der Kreisklinik war während der ersten Hitzewelle vor einigen Wochen regelrecht überlaufen, wie die dortige Chefärztin Viktoria Bogner-Flatz erzählt. Aktuell seien es zwar nicht mehr so viele wie damals, aber immer noch mehr als normalerweise. Möglicherweise habe bei den Menschen ein Lerneffekt eingesetzt, so Bogner-Flatz, vielleicht sei der leichte Rückgang aber auch nur ein Zufall.

Hitzebedingt seien hauptsächlich Patientinnen mit einem Kollaps zu versorgen, ausgelöst durch zu wenig Flüssigkeitszufuhr für solch heiße Temperaturen, sodass der Blutdruck einen kritischen Wert erreicht - man stürzt zu Boden. Häufig seien das ältere Menschen, die bereits vorerkrankt sind.

Marc Block ist der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands in Ebersberg und betreibt eine Allgemeinarztpraxis in Zorneding. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Von dieser Klientel erzählt auch Marc Block, aber ebenso von Kindern, Schwangeren und chronisch Kranken, etwa Menschen mit Herz-Kreislauf-, Nieren- oder Lungenerkrankungen, oder mit Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes. Eine große Gruppe: Allein in Oberbayern sind 314 154 Menschen an Diabetes erkrankt - 8,7 Prozent der Bevölkerung. In anderen Teilen Bayerns sind es bis zu 12,3 Prozent (Oberfranken), wie aus dem Bayerischen Gesundheitsreport 2019 hervorgeht.

"Im Prinzip sind aber alle gesundheitlich von der Hitze betroffen", betont Bogner-Flatz. Wie hitzebeständig jemand ist, hängt von vielen Faktoren ab, wie die Chefärztin weiter erklärt. Seine Hitzetoleranz könne man zwar durch Training und Gewöhnung etwas erhöhen, aber nur in sehr geringem Maße. "An der Physik kommt eben niemand vorbei." Ob einer bei einer Rennradtour frühnachmittags bei 30 Grad zusammenklappe oder nicht, sei im Grunde eine Frage des Glücks. "Ich verstehe nicht, warum man es darauf ankommen lässt", sagt Bogner-Flatz. Also: Lieber frühmorgens eine Runde drehen, wenn es noch kühler ist, gleiches empfiehlt Bogner-Flatz auch bei anderen Sportarten. "Wirklich niemand muss bei der Hitze joggen" - das sei einfach zu gefährlich.

Die Chefärztin der Zentralen Notaufnahme der Ebersberger Kreisklinik, Viktoria Bogner-Flatz, hat im Rahmen ihrer Arbeit im Rettungsdienst schon einige Male erleben müssen, was die fatalen Folgen von zu starken Temperaturschwankungen sein können. (Foto: Yoav Kedem)

Gefährlich seien auch starke Temperaturschwankungen, typisch bei Klimaanlagen oder beim Schwimmen: "Bitte immer langsam abkühlen", mahnt Bogner-Flatz. Gute Schwimmkenntnisse würden im Zweifel nichts bringen, wenn der Kreislauf aufgrund des starken Temperatursturzes nicht mitmacht. "Dann war der eine Sprung ins kühle Nass der letzte", so die Ärztin. "Das lässt sich vermeiden."

Vorbeugen, auf sich selbst und Hilfsbedürftige achtgeben, ist auch Marc Block wichtig: Ausreichend trinken, den Körper kühl halten, bei chronisch Erkrankten mit Ärzten Rücksprache halten, um etwaige Trinkmengenbeschränkungen anzupassen - und "auch gesunde Menschen sollten Anstrengungen im Freien vermeiden". Bei Anzeichen einer drohenden Hitze-Erschöpfung, wie blasse, kalt-schweißige Haut, Abgeschlagenheit, Unwohlsein, Ohnmacht, Kopfschmerzen, Schwindel, Herzrasen, niedriger Blutdruck, Atembeschwerden, Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall, sollte man einen kühlen Ort aufsuchen, eine Rückenlagerung mit erhöhten Beinen einnehmen, sich entkleiden und kühlen.

Die Gefahren durch Hitze sind Marc Block zufolge nicht ausreichend bekannt

Aber ist das ausreichend in Anbetracht der Tatsache, dass die heißen Tage immer mehr werden? Marc Block sagt: Nein. Zum einen sind seiner Erfahrung nach die Gefahren durch Hitze, insbesondere wenn sie über mehrere Tage hinweg anhält, nicht ausreichend bekannt oder werden gar verharmlost. "Hier ist eine bessere Aufklärung der Bevölkerung und insbesondere der Risikogruppen notwendig."

Bogner-Flatz empfiehlt ein gesellschaftliches Umdenken - frühmorgens einkaufen, mittags das öffentliche Leben herunterfahren und mehr in die kühleren Abendstunden verlegen, so wie es in Ländern wie Spanien üblich ist. Dafür müsse die Politik Rahmenbedingungen schaffen, so Bogner-Flatz weiter. "Wir brauchen dringend von den Kommunen Hitzeschutzpläne, um die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu schützen", sagt auch Marc Block.

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Einen solchen hat der Landkreis auf seiner Agenda. Ende des Jahres soll der Posten des Klimaanpassungsmanagements besetzt werden, dann wird bestimmt, welche der zahlreichen Maßnahmen aus dem Klimaanpassungskonzept zuerst umgesetzt werden sollen, wie eine Pressesprecherin des Landratsamts mitteilt. "Es ist wahrscheinlich, dass der HAP (Hitzeaktionsplan, Anm. d. Red.) dazuzählt." Unabhängig davon könne jede Kommune selbst aktiv werden und einen eigenen HAP erarbeiten.

Bislang hat das aber keine Kommune im Landkreis Ebersberg getan. Generell sieht es düster aus, wenn man sich über die Internetauftritte der Rathäuser zu dem Thema informieren möchte. Nur Poing hat Tipps für Schutzmaßnahmen prominent auf der Homepage platziert - und sogar ein Hitzetelefon für Seniorinnen und Senioren, die während der heißen Tage Hilfe zum Beispiel bei Einkäufen benötigen, eingerichtet.

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