CSU Grafing:Im Zweifel für die eigene Klientel

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Sollten die Grafinger Christsozialen mal wieder bezahlbaren Wohnraum fordern, gehören sie an ihre Gegenstimmen in der jüngsten Stadtratssitzung erinnert.

Kommentar Von Thorsten Rienth

Wenn die Grafinger CSU sich zwischen dem Wohl der örtlichen Grundstückseigentümer und zumindest halbwegs bezahlbarem Bauland entscheiden muss, hat das Bauland eben hinten anzustehen. Diese Feststellung wird man im Ortsverband nicht gerne hören. Sie darf aber, seit der Abstimmung über den neuen Grundsatzbeschluss zur sozialen Wohnbaupolitik unlängst im Stadtrat, so getroffen werden. Dort votierte nämlich die CSU-Fraktion lautstark und mit deutlicher Mehrheit - aber zum Glück erfolglos - gegen einen Antrag von Grünen, SPD und FDP.

Seit dem von Freien Wählern, Bayernpartei und Linke unterstützten positiven Votum müssen Grundstückseigentümer bei der Baulandentwicklung etwas mehr Baufläche an weniger betuchte Grafinger verbilligt abtreten. Statt wie bisher mit 35 Prozent, hat dies künftig mit 40 Prozent der Nettobaufläche zu geschehen. Das ist der Preis, den jemand zu bezahlen hat, damit er seine fast wertlose Wiese zu wertvollem Bauland machen darf.

Es ist richtig: Dieser Preis hat sich mit dem neuen Grundsatzbeschluss erhöht. Und zwar in Form einer um fünf Prozentpunkte angehobenen Sozialquote. Richtig ist aber eben auch: Seit dem Jahr 2015, also dem Zeitpunkt des vorigen 35-Prozent-Grundsatzbeschlusses, sind die Grafinger Baulandpreise deutlich gestiegen. Die paar Quadratmeter, die Eigentümer jetzt zusätzlich verbilligt abzugeben haben, haben sich also dank rasant gestiegener Bodenpreise in den vergangenen Jahre längst überkompensiert. Nicht zuletzt deshalb stellte das Grafinger Bauamt in der Beschlussvorlage des Antrags fest: "Die Veränderungen bleiben maßvoll und lassen damit nicht befürchten, dass sie der Mobilisierung von weiterhin dringend benötigten Wohnraum entgegenwirken."

Wenn Grafings CSU das nächste Mal bezahlbaren Wohnraum fordert, gehört also die Frage nach der Ernsthaftigkeit dahinter gestellt - mit Verweis aufs Abstimmungsverhalten in eben dieser Sitzung. Ausdrücklich ausgenommen von derlei Klientelpolitik haben sich die beiden Stadträtinnen Elli Huber - hauptberuflich im Übrigen Geschäftsführerin eines Bauunternehmens - sowie Susanne Linhart. Beide votierten für die Novelle.

Kritisch hinterfragt gehört aber auch das Grafinger Modell der sozialen Wohnbaupolitik. Und zwar an sich: Schon jetzt kommen wegen der hohen Quadratmeterpreise immer seltener diejenigen zum Zug, für die das vergünstige Bauland eigentlich gedacht ist. Selbst das verbilligte Bauland ist für sie zu teuer. Dann rutschen Bewerber nach, die aufgrund ihres hohen Einkommens weiter hinten stehen. Leute außerhalb der Zielgruppe, die - verständlich ist es ja - Vergünstigungen gerne mitnehmen, aber nicht wirklich zwingend darauf angewiesen wären. Und daran ändert auch die etwas erhöhte Sozialquote nichts.

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