Mitten in Ebersberg:Die Stellvertreter

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Neuerdings kann man sich beim Flirten im Internet von Profis vertreten lassen. Ein guter Anfang.

Glosse von Wieland Bögel

Die Funktion von Werbung ist, wie es das etwas aus der Mode gekommene Synonym Reklame ja schon andeutet, das Erzeugen von Aufmerksamkeit. Nebenbei hat so manche Reklame auch einen fast schon allgemeinbildenden Effekt, so in der Art "Was es nicht alles gibt!", wie etwa die kürzlich per Mail eingegangene Werbung für eine spezielle Dienstleistung: den Flirtassistenten.

Der, so reklamierten es die Absender, übernehme die Arbeit, welche die betreffenden Nutzer ansonsten mit der Bedienung von Flirtportalen im Internet hätten, inklusive die Vereinbarung von Treffen in der realen Welt. Ob die Nutzer da dann noch in echt hingehen müssen, oder ob das Candlelight Dinner auch von Profis in bestimmt perfekt sitzender Abendgarderobe übernommen wird, lässt die fragliche Reklame genauso unbeantwortet wie die Frage, ob die dem erfolgreichen Abschluss des Dinners eventuell folgenden Aktivitäten ebenfalls von geschulten Fachleuten durchgeführt werden.

Allen, die nun die Nasen rümpfen, die Stirnen krausziehen oder umgekehrt oder beides, angesichts angeblicher digitaler Verunkultivierung, sei geraten, ein Lexikon - ob papier- oder silikonbasiert - unter dem Stichwort "Cyrano de Bergerac" zu konsultieren. Der Stellvertreter in gewissen Lebenslagen hat nämlich eine lange Tradition - und vielleicht tut sich hier ein ganz neues Betätigungsfeld auf.

Schließlich gibt es doch genügend Dinge im Leben, die man - zumindest gelegentlich - jemand anderem übergeben möchte. Etwa für die ja auch schon wieder fast vor der Tür stehende Volksfestsaison. Man kennt das doch: Eigentlich ist der Abend schon lustig genug, aber aus Gründen, die am nächsten Tag keiner mehr nachvollziehen kann, geht halt doch noch einer - und noch einer und so weiter. Da käme dann der professionelle Masskrugassistent ins Spiel. Der übernimmt so ab Bier Nummer sieben oder acht alle folgenden geistigen Getränke, während der Auftraggeber sich geistreichen Gesprächen hingeben und sich später über einen kopfschmerzfreien Morgen freuen kann.

Die Betätigungsfelder für solche Fachleute wären mannigfaltig: etwa der Nachtischexperte, der sich überzähliger Kalorien annimmt, der Binge-Watching-Fachmann, der sich nächtelang sämtliche neuen Folgen der neuesten Serien reinzieht - und idealerweise dann ein Resümee verfasst. Oder der Sonnenbadevertreter, der die lästigen - und am nächsten Tag oft schmerzhaften - Aufenthalte an vor solaren Einwirkungen ungeschützten Badelokalitäten übernimmt. Es gäbe so viel zu tun ...

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