Doppelte Kunst:Die Teamworker und der Einzelkämpfer

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Ein U-Boot im Himmel, dahinter der Egglburger See? Ja klar, meint der Wahl-Münchner Oh-Seok Kwon. Das Bild gehört zur Ausstellung "Apple Tree Submarine". (Foto: Christian Endt)

Im Rahmen einer Doppelausstellung des Kunstvereins Ebersberg präsentieren Werner Ziegler und Josef Parzefall aus Regensburg ihre Bilder in der Galerie an der Rampe, während der Wahl-Münchner Oh-Seok Kwon in der Alten Brennerei Zeichnungen und Installationen zeigt.

Von Michaela Pelz, Ebersberg

Verspricht die Werbung "zwei zum Preis von einem", hat die Sache nicht selten einen Pferdefuß. Ganz anders, wenn im Ebersberger Kunstverein auf zwei Ebenen die gesamte Fläche bespielt wird. "Man schaut sich das eine an und nimmt das andere mit - alles ganz ohne Eintritt", beschreibt der Vorsitzende Andreas Mitterer die Doppelausstellung, die an diesem Freitag ihre Pforten öffnet.

Dabei zeigt Oh-Seok Kwon in den Räumen der Alten Brennerei Zeichnungen und Installationen, während oben im Studio an der Rampe die Bilder von Werner Ziegler und Josef Parzefall zu sehen sind. Die Besonderheit bei Letzterem: Jedes Werk der beiden Freunde ist eine Gemeinschaftsarbeit.

Dass Ziegler und Parzefall als Mitglieder des Neuen Kunstvereins Regensburg in Ebersberg ausstellen, ist Angelika Oedingen zu verdanken. Die Schriftführerin des Kunstvereins Ebersberg hatte bei einem Besuch in der Domstadt die Idee eines Austauschs als Bereicherung für alle. Darum liefern sich aktuell in Regensburg die Ebersberger Barbara Spielmann und Bernhard einen "malerischen Dialog".

Werner Ziegler und Josef Parzefall aus Regensburg zeigen im Rahmen der Kooperation mit dem dortigen Neuen Kunstverein ihre Gemeinschaftswerke. Das Tryptichon "Vor dem Gesetz" ist inspiriert von Kafka. (Foto: Christian Endt)

Einen extrem intensiven Dialog findet man in der Kreisstadt bei Ziegler und Parzefall, teilen sie doch jede Leinwand akkurat in der Mitte, um dann mit denselben Farben jeder eine Hälfte zu gestalten. Bewusst habe man sich für rechts und links entschieden, statt die Trennung horizontal oder diagonal durchzuführen. "Mit oben und unten ist immer schon eine Wertung verbunden, das wollten wir vermeiden", erklärt Ziegler.

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Der lebhafte Mittsiebziger ist es auch, der zunächst Bedenken hatte, als Parzefall im Herbst 2019 vorschlug, man könne doch etwas zusammen machen. Doch es funktionierte - und zwar außerordentlich gut, wie man an den rund 20 Werken sieht, in deren faszinierender Tiefe sich trefflich eintauchen lässt. Grundvoraussetzung für die Harmonie ist sicherlich der gegenseitige Respekt, der es verbietet, sich in die Arbeit des anderen einzumischen, wie sie übereinstimmend erklären.

Einen Stammplatz bei den Seiten gibt es ebenso wenig wie ein festes System. Der, der als erster anfängt, habe die Oberhoheit über das Bild. Der andere nehme das Thema dann auf. Und wiewohl Ziegler sich als "Eule" bezeichnet ("mich kann man bis abends spät erreichen"), während für seinen rund zehn Jahre jüngeren Kunstpartner die Nacht um fünf Uhr vorbei ist, schwingen sie mindestens einmal die Woche zeitgleich in Zieglers Atelier den Pinsel - am selben Tisch, wenn auch nicht am selben Werk. Für manche davon brauchen sie einen Nachmittag, für andere drei Monate.

Wer genau hinschaut, entdeckt die "nackten Tatsachen" von Parzefall. Das es sich um eine politische Aussage handelt, gefiel seinem Freund Ziegler zunächst nicht. (Foto: Christian Endt)

Jeder entscheide für sich, wann er mit seinem Teil des Bildes fertig sei, so Ziegler. Manchmal nehme Parzefall auch einen Teil der Farben mit, um etwas bei sich zu Hause zu Ende zu malen. Mit Eitempera ("selbst gemacht, nicht gekauft"), jener Technik, die schon in der Renaissance für Fresken benutzt wurde, müsse man schnell arbeiten: "Nach drei Wochen riecht es."

Der erste Teil des Ausstellungstitels "Streifenmelodie - Reise ins Wir" ergibt sich aus den Schwerpunkten, die das Team vor der Kooperation hatte. "Josef beschäftigte sich mit karibischen Streifen, ich mit der Visualisierung von Musik", erläutert Ziegler. Der zweite Teil ergäbe sich aus der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem Tun des anderen.

Nicht immer sind sie dabei einer Meinung. Etwa seien ihm Parzefalls "nackte Tatsachen", mit (wie auf dem legendären Foto der Kommune 1) unbekleideten Menschen von hinten, im Bild "Schwanentango" zu politisch gewesen. Doch genau die Diskussionen, die sich aus dem, was jeder macht, entspinnen, sind nicht nur wertvoll für die beiden Künstler, sondern befruchten auch ihre spannungsreichen und bildgewaltigen Werke.

Das Bild namens 'Ca'non #37' hat etwas mit der Körpertemperatur zu tun. (Foto: Christian Endt)

Die dazugehörigen Titel, deren Auswahl oft ein schwieriges Unterfangen sei, bilden weiteres Futter fürs Kopfkino. So habe etwa "Ca'non #37" mit der Körpertemperatur zu tun, ist zu erfahren. Was hingegen im Verborgenen bleibt, ist die Zuordnung der Seiten zum jeweiligen Maler. Außer, man erwirbt das Bild. Denn dreht man es um, steht die Signatur an der passenden Stelle, also rechts oder links.

Als "letztes Stück" will Oh-Seok Kwon ein solches U-Boot aus Gold gießen. Ein Kilo braucht er dazu. Das entspricht rund 60.000 Euro rein an Materialkosten. (Foto: Christian Endt)

Rätselraten um den Urheber muss bei den Installationen und großformatige Zeichnungen von Oh-Seok Kwons Werkschau "Apple Tree Submarine" niemand. Gefragt, ob er ebenfalls im Team arbeiten könnte, lacht der gebürtige Südkoreaner: "Ich bin ein problematischer Einzelgänger." Mag sein, dass dies für die Produktion seiner Arbeiten zutrifft, erzählt er hingegen geistreich deren Entstehungsgeschichten, ist der zugewandte Mittvierziger ein Ausbund an sympathischer Eloquenz.

Mit 15 Jahren hat er an einer Privatschule angefangen, sich künstlerisch zu betätigen - mittlerweile ist der studierte Bildhauer und Maler in zahlreichen Feldern zu Hause. Auch Fotografie, Videos oder Aktionskunst gehören dazu. Davon zeugt etwa die kleine Projektzeichnung von "Brücke für Regenschirmverkäufer". Aus dieser entstand 2008 auf der Boschbrücke am Deutschen Museum in München die gleichnamige Aktion, bei der mittels einer Pumpe auf einer Seite der Brücke mit Isarwasser Regen erzeugt wurde, so dass man sie nur mit passendem Schutz überqueren konnte.

In Wirklichkeit hängt die Frau kopfüber an der Decke, mit Gurten festgeschnallt. (Foto: Christian Endt)

Im Westraum wiederum, wo es um das Thema "Lebens-Raum" geht, zeugt von seiner Kreativität unter anderem ein Foto, auf dem einer Frau buchstäblich die Haare zu Berge stehen. Mitnichten ist es per Photoshop nachbearbeitet - stattdessen hat der Künstler extra einen Raum gebaut, mit Bett an der Decke, auf dem dann das Model festgeschnallt wurde.

Den größten Schwerpunkt allerdings bilden die Arbeiten mit dem güldenen U-Boot, das sich an den unterschiedlichsten Orten befindet. Einige der Ansichten der Landschaft rund um den Aussichtsturm sowie den Egglburger See dürften den Ebersbergern wohl vertraut sein.

Bedeutsam ist die Geschichte hinter dem Projekt. Nach gut 30 Jahren Kunst habe er den Gedanken gehabt: "Jetzt ist Schluss, das wird nichts mehr, es ist vorbei für mich." Allerdings wollte er sich mit einem allerletzten Stück verabschieden: Einer "Submarine"- Skulptur aus purem Gold. Doch das ist teuer, um die 60 000 Euro müsse man für ein Kilo aufwenden.

Eindeutig für Ortskundige zu erkennen: die Heldenallee zum Ebersberger Aussichtsturm. (Foto: Christian Endt)

Darum hat er dem Objekt seiner Träume auf vielen zauberhaften A3-Bildern eine Heimat gegeben. Diese kann man, ohne Rahmen, für jeweils 600 Euro erwerben. So habe, das ist ihm ganz wichtig, jeder die Chance auf ein "Original-Kunstwerk für daheim", wie es heute nur noch selten der Fall sei. Er wiederum könne dafür etwa zehn Gramm Gold kaufen und in den Tresor seiner Bank legen, wo bereits rund 80 Prozent des benötigten Materials darauf warten, verarbeitet zu werden. Ob es dann wirklich sein unwiderruflich letztes Projekt sein wird? Kwon lächelt. "Das Leben als Künstler ist schon ganz schön."

Kunstverein Ebersberg, Galerie im Klosterbauhof, Doppelausstellung in der Alten Brennerei und im Studio an der Rampe: Vernissage am Freitag, 7. Juli, um 19 Uhr. Freitag, 21. Juli, um 20 Uhr: Feine Auflage (Hör-Musik von Klassik bis Punk). Finissage mit Künstlergespräch am Sonntag, 30. Juli, um 11 Uhr. Öffnungszeiten: donnerstags 18 bis 20 Uhr, freitags 18 bis 20 Uhr, samstags 17 bis 20 Uhr, sonntags 11 bis 13 Uhr.

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