Notfallversorgung:Der Schiefer soll nach Hause gehen!

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Solange die Strukturen in der Notfallversorgung so sind, wie sie sind, ist es mehr denn je geboten, dass jeder Mensch genau abwägt, ob seine Verletzung wirklich ein Grund für einen Besuch in der Notaufnahme ist.

Kommentar von Johanna Feckl

Es ist doch eigentlich ziemlich einfach zu begreifen: Bei schwerwiegenden Verletzungen oder plötzlich auftretenden Symptomen für schwere Erkrankungen gehts ab in die Notaufnahme. Bei allem anderen nicht - etwa bei einem Schiefer im Finger oder einem eingewachsenem Zehennagel.

Als wäre es nicht auch so schon haarsträubend genug, wenn Menschen wegen solcher Lappalien eine Notaufnahme in einem Krankenhaus aufsuchen - wenn sie es selbst in einer Zeit tun, in der die stationäre Notfallversorgung dauerhaft am Anschlag ist, und sich darüber hinaus wegen einer in ihren Augen zu langen und unzumutbaren Wartezeit beim Klinik-Personal beschweren, dann ist das eine Dreistigkeit sondergleichen.

Wer hört, was Klinik-Chef Stefan Huber und Notaufnahme-Chefärztin Viktoria Bogner-Flatz über die aktuelle Lage berichten, kann eigentlich nicht anders, als entsetzt zu sein: Das System kann sich kein Mehr an Patienten oder Personalausfällen leisten, wenn es nicht teilweise oder sogar vollständig zusammenbrechen soll. So etwas sagt eine Chefärztin nicht einfach so daher. Es ist die Realität. Eine, die jeder ernst nehmen sollte. Denn jeder kann plötzlich in einen schweren Unfall verwickelt werden - und das eigene Leben sodann abhängen von einer funktionierenden Notfallversorgung. Wäre schon gut, wenn die Ärzte in der Notaufnahme dann nicht sagen würden: "Sorry, keine Zeit - wir haben hier nämlich einen Schiefer im Finger."

Klar ist die derzeitige Versorgungsstruktur im ambulanten Notfallbereich arg verbesserungswürdig. Diese Forderung ist selbst aus der Kreisklinik zu hören. Und dieser Umstand ist gewiss ein Grund dafür, dass einige Menschen lieber die Notaufnahme aufsuchen. Aber solange das System so ist, wie es nun einmal ist, muss sich jeder damit arrangieren. Das bedeutet, die aktuellen Strukturen nicht unnötig zu belasten.

Anstatt über lange Wartezeiten zu jammern sollte sich derjenige, der mit dem Schiefer im Finger in die Notaufnahme marschiert, lieber dafür engagieren, dass die Politik ihre Reformationspläne ernster nimmt anstatt sie ständig aufzuschieben. Zeit dafür hätte der Schiefer-Patient genügend. Denn ziemlich sicher hätte bei ihm auch ein Desinfektionsspray und ein Pflasterl als medizinische Maßnahme ausgereicht. Für diese Versorgung muss niemand erst ein Medizinstudium oder eine Ausbildung zur Pflegefachkraft absolviert haben. Das kann jeder selbst zu Hause erledigen.

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