Konzert:Siegeszug der Klänge

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Das spanisch-kolumbianische Duo Irene de Luis Ballesteros (Saxofon, Gesang) und Javier Yesid Urbina Santafe (Gitarre) gehört zu den Entdeckungen des Abends. Elke Deuringers (rechts) hat zum zweiten Mal Musiker aus aller Welt zum gemeinsamen Musizieren eingeladen. (Foto: Christian Endt)

Die zweite Auflage des "Konzerts der Nationen" in Markt Schwaben wird zur begeistert gefeierten Zuhaus-Musik auf ganz hohem Niveau

Von Ulrich Pfaffenberger, Markt Schwaben

Denken wir uns doch einmal für 250 Jahre zurück. Es gibt kein Fernsehen und kein Internet, keine CDs und keine Schallplatten. Auf seiner ersten Tournee durch Europa erreicht der junge Wolfgang Amadeus Mozart zur späten Stunde Markt Schwaben. Zum Zeitvertreib besucht er mit Vater Leopold und Schwester Nannerl ein Konzert im Theater am Burgerfeld. Ein Füllhorn an neuen Stoffen und Melodien tut sich ihm auf, sein kompositorisches Schaffen nimmt eine dramatische Wendung. "Die Entführung aus dem Serail" bleibt ungeschrieben. Stattdessen fließt ihm "Der Zauber der Insel Flores" aus der Feder. Seine Serenade Nr. 9 wird nicht dem "Posthorn" gewidmet, sondern dem "Saxofon". Taminos magisches Instrument ist keine Flöte, sondern eine Krar, ein Saiteninstrument aus Eritrea. Außerdem will er Sopranrollen künftig nur noch mit Sängerinnen aus Uigurien besetzen.

Zugegeben, eine fantastische Vorstellung. Aber ganz im Sinne der zeitlosen musikalischen Inspiration, wie sie Elke Deuringer ihrem Publikum anbietet. Zum zweiten Mal hatte die Sängerin am Samstagabend für ein "Konzert der Nationen" Musiker eingeladen, die aus aller Welt gekommen sind, um in Markt Schwaben ein neues Zuhause zu finden. Miteinander musizieren, sich an Vielfalt und Kontrasten erfreuen: In unserem Kulturkreis nennt man diese Form des musikalischen Miteinanders "Hoagascht" und wer einmal einen erlebt hat, weiß, wie inspirierend er sein kann. Es braucht dann keine Zeitreise mehr, um an neuartigen Klängen und Rhythmen Gefallen zu finden.

Zumal die Unterschiede gar nicht so groß sind. Wenn Kiflom Teagay aus Eritrea ein trauriges Liebeslied singt und sich auf der Krar dazu begleitet, dann ist er nah an der alten Tradition der Minnesänger, die sich das "amor vincit omnia" ins Wappen geschrieben hatten. Ersetzt man die alles besiegende "Liebe" im Wappenspruch durch die "Musik", dann zeigt sich der rote Faden, der das dreistündige Programm durchzieht, mit Leidenschaft gewoben von der Initiatorin, die auf Menschen zugeht, fragt, ob sie etwas mit Musik zu tun haben, und sie dann zu solchen Konzerten einlädt. Was da entsteht, ist einzigartig und von einer Echtheit, wie wir sie in der Show- und Unterhaltungswelt kaum mehr kennen.

Das Publikum spürt das. Es folgt hellwach den einzelnen Darbietungen, stört sich nicht am mitunter abrupten Wechsel von Stil, Klangwelt oder Tonlage und lässt beim Applaus der Begeisterung freien Lauf. Slobodanka, Simona und Zlatan Grazhdanlievi bekommen ein gerüttelt Maß davon für ihre farbenfrohe Folklore aus Mazedonien und für ihre umwerfenden Cover-Versionen großer Pop- und Rockhits. Mit reichlich "Bravo" honorieren die Zuschauer im voll besetzten Haus den Auftritt von Parida Wali und Boda Zakir, zwei Cousinen uigurischer Herkunft, die am Piano Chopin und Rachmaninoff spielen. Noch eine Stufe intensiver ist der Beifall für Sophie Zakir, die beim uigurischen Volkslied genauso wie bei der Opernarie mit einem lyrischen Sopran erster Güte besticht.

Ferne Kunstformen nahbar gemacht - auch dies dürfen sich die Künstler des Abends anrechnen lassen. So bedankte sich das Publikum herzlich bei Regina Geor-Scheffner und ihren Begleitern Bernando und Ade für einen kunstvoll-melodischen Ausflug nach Indonesien. Der kindlich-jugendlichen Tanztruppe um Celia Vila Castro-Jacobs fliegen die Herzen zu für ihre hingebungsvoll zelebrierten Tänze aus Peru. Fabiana Bertram und Leo Scherer ernten staunende Zuneigung für die elegante Akrobatik ihrer Salsa-Darbietung und die Brüder Philipp und David Pham dürfen sich über respektvolle Anerkennung für ihre Auftritte am Piano freuen.

Sarah Kober und Nestan Heberger, eine bayerische Saxofonistin und eine georgische Pianistin setzen mit ihrer Trilogie aus Klassik, Tango und Weltmusik einen klangreichen Akzent. Die zwei jungen Musikerinnen dürfen sich das Prädikat "Entdeckung des Abends" ans Revers heften, genau wie das spanisch-kolumbianische Duo Irene de Luis Ballesteros (Saxophon, Gesang) und Javier Yesid Urbina Santafe (Gitarre). So viel Esprit, Poesie und Leichtigkeit stecken in ihren Interpretationen, dass man sie auf der Stelle für ein Hauskonzert buchen möchte. Ansonsten heißt es auf Elke Deuringers sicheres Gespür für herausragende Qualität und ihre Begeisterung für weitere "Konzerte der Nationen" hoffen.

© SZ vom 26.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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