Es geschieht während eines Faschingsballs in der Schlossgaststätte seiner Eltern in Unterelkofen: Josef Ametsbichler erlebt eine Offenbarung. "Der Bassist des Hafen-Trios, in dem ich als junger Kerl mit meiner Gitarre zuweilen mitspielen durfte, musste mal austreten und bat mich, kurz sein Instrument zu halten. Und da war es um mich geschehen." Was aus dieser Liebe auf den ersten Blick - oder den ersten Saitenwechsel - geworden ist, kann man einmal mehr beim Konzert "Kaleidoskop" am kommenden Dienstag erleben, wenn Ametsbichler jungen einheimischen Jazzmusikern im Rahmen des internationalen Jazzfestivals ein Podium gibt.
Aus dem Moment der Offenbarung wird Leidenschaft. Eines Tages bekommt er von einem der Gäste eine Schallplatte geschenkt: "Take Five" von Dave Brubeck, jenes legendäre Stück aus dem Jahr 1959, das den Jazz erstmals einem breiten Publikum näher brachte. Zunächst erlernt der 1955 geborene Ametsbichler jedoch einen "ordentlichen Beruf". Er absolviert eine Inspektoren-Ausbildung bei der Stadt Ebersberg, doch die Musik setzt sich schließlich durch. Er besucht die Jazzschule in München, belegt Kurse, studiert bei renommierten Bassisten, hört sich Plattenaufnahmen an. Er schließt sich Bands an, lernt den Saxofonisten Günther Klatt und den Drummer Andreas Krieger kennen. "Wir waren die Drei, ausgezogen die Musik in Grafing zu revolutionieren", erinnert Ametsbichler sich mit einem Lächeln. Später stößt Frank Haschler, der heute Schlagzeug spielt, mit seiner Klarinette dazu.
Es folgen Tourneen, Festivals, CD-Aufnahmen, Engagements in diversen Formationen. Dann klingelt das Telefon. Die damalige Leiterin der Grafinger Volkshochschule fragt, ob er nicht Gitarrenunterricht geben wolle. Das ist nun 35 Jahre her. "Seither bin ich der Musikschule treu und lehre Gitarre und Kontrabass." Er installiert Workshops, aus denen zahlreiche Bands hervorgehen, holt Dozenten wie Peter Herbolzheimer und Joe Viera nach Grafing.
"Im Gegensatz zur Klassik ist der Jazz inspirativ und kreativ, räumt den Musikern viele Möglichkeiten der Gestaltung ein", sagt Ametsbichler. Der persönliche Ausdruck stehe im Vordergrund, vor allem bei der Improvisation. Das tolle Erlebnis, eigenständig Musik gestalten zu können, ist es, womit Ametsbichler Jugendliche, die nicht gerade als Jazz-Aficionados bekannt sind, gewinnt. Behutsam leitet er sie an, beginnt mit Tonleitern. Daraus werden Melodien entwickelt, dazu passende Akkorde, "patterns", gespielt. "Es ist, wie wenn man einen Satz bildet."
Wie reich der musikalische Wortschatz seiner Schützlinge ist, stellen am Dienstag drei von Ametsbichler aufgebaute Ensembles unter Beweis: der Youngsters Music Club, die Jazzperados und die EBE-JAZZ-Bigband. Die Youngsters bringen demnächst ihre zweite CD heraus, spielen Weltmusik und Tango. Die Jazzperados sind, so Ametsbichler, eine "illustre Band mit anhörbarem Niveau". Und die vor drei Monaten mit Musikern aus München und dem Münchner Osten gegründete Big Band hat viel Qualität und einige Überraschungen auf Lager.
"Für mich ist es absolut notwendig, dass neben großen Stars auch heimische Musiker zu Wort kommen", sagt Ametsbichler. "Der musikalische Ausdruck eines Jugendlichen ist ebenso wertvoll oder sogar noch wertvoller als eine professionelle Darbietung, denn das ist die Zukunft dieser Musik in unserer Region". Der Auftritt eines Stars dauere zwei Stunden, "dann ist der weg. Doch die Jugend, das ist unser Nährboden. Wir haben heute in Grafing und Ebersberg eine Jazz-Szene, die sich weder national noch international verstecken muss, woran die Musikschule maßgeblich beteiligt ist."
Die Ebersberger SZ verlost im Rahmen ihres Jubiläums Karten für das Jazz-Festival. Für den Abend "Local Jazz: Kaleidoskop" am Dienstag, 17. Oktober, um 19 Uhr im Turm der Stadthalle Grafing gibt es an diesem Donnerstag dreimal zwei Tickets zu gewinnen. Die Hotline ist von 10 bis 10.10 Uhr unter (08092) 826612 zu erreichen.