Konzert:Frei wie der Wind

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Malerische Gewänder und exotische Klangkörper: Die Gruppe "Altai" huldigt im Moosacher Meta Theater den Traditionen der mongolischen Nomaden. (Foto: Christian Endt)

Die mongolische Musik- und Tanzgruppe "Altai" begeistert im Moosacher Meta Theater mit Liedern voll suggestiver Kraft

Von Rita Baedeker, Moosach

Wären beim Blick aus dem raumhohen Fenster ins Freie nicht die gelegentlich aufblitzenden Rücklichter der Autos, der nachtdunkle Wald und der regennasse Asphalt - man würde zweifeln, ob man sich wirklich in Moosach befindet, in einem kleinen Dorf im Landkreis Ebersberg. Manchmal gleicht ein Besuch im Meta Theater einer magischen Reise. Kaum geht das Licht aus, ist man zumindest bis zur Pause weit, weit fort.

So auch beim Gastspiel der mongolischen Musik- und Tanzgruppe Altai, die ihre Musik und ihre Tänze außer in Moosach nur noch in Gut Sonnenhausen in Glonn und im Münchner Stadtmuseum präsentiert, bevor sie weiterreist nach Paris. Das Gastspiel kam unter anderem durch die Vermittlung des Bassisten Martin Zenker aus Kirchseeon, der derzeit eine Jazzprofessur in Ulan Bator hat, zustande. Das Theater ist bis auf den letzten Schemel besetzt, als Dagvan Ganpurev, der Leiter der Gruppe, seine Musiker vorstellt, vier Männer und eine Frau. Sie alle tragen malerische Kostüme, dicke wollene Gewänder, bestickte Pantoffeln, detailreich gearbeitete Fellmützen. Vor allem die junge Frau mit der Pferdekopfgeige sieht in ihrem Gewand mit reicher Ornamentik und Perlenzier aus wie eine Nomadenprinzessin.

Erzeugen allein die Trachten der Musiker die Vision eines ausgelassenen Festes in einer weiten Steppenlandschaft, so lässt einen die fremdartige Musik vollends versinken in eine farbige Bilderwelt. Instrumente wie Trommel und Rasseln aus Schafsknochen, die Pferdekopfgeige mit ihren Saiten aus Rosshaar und ihrem intensiven sonoren Klang, aber auch Maultrommel und eine Bogenharfe mit Steinbock-Gehörn gehören zu den exotischen Klangkörpern, welche die Gruppe mitgebracht hat. Mit dem gehörnten Zupfinstrument hat es eine besondere Bewandtnis: Wie Dagvan Ganpurev erzählt, wurde das Original eines solchen "Altai Yatga" genannten Instruments 2008 in einem Höhlengrab gefunden. 1400 Jahre habe es dort unberührt gelegen. Es sei das einzige derartige Instrument, das jemals entdeckt worden sei, sagt er. Die Harfe wurde in Deutschland unter Mitwirkung von Ganpurev restauriert und kam ins mongolische Nationalmuseum in Ulan Bator. Das von Dagvan Ganpurev gespielte Instrument mit seinem wunderbar weichen, wehmütigen Klang ist ein Nachbau. Ihr Sound, so Ganpurev, harmoniere auf ideale Weise mit mongolischen Liedern und dem einzigartigen Kehlkopfgesang der Mongolen. Den Großteil der in Moosach aufgeführten Stücke hat Ganpurev selbst komponiert - in Anlehnung an die Traditionen seiner Heimat.

Der kehlige, zuweilen wie ein Hauch, manchmal wie ein Röcheln, wie ein die Erde aufwirbelnder Windstoß klingende Gesang verleiht den Volksweisen zusammen mit einem treibenden Rhythmus suggestive Kraft. Dazu wird getanzt. Zwei Männer begeben sich in die Hocke, bewegen ihre Hände und Schultern im zuckenden Stakkato. Viele der Gesten beschreiben den Arbeitsalltag rund um die Jurte: Melken, Beten, Backen. Die perkussive Begleitung klingt wie Hufgetrappel, einer der Musiker erzeugt mit seiner Stimme den Ton einer Flöte. Auch wehmütige, stille, spirituelle Gesänge, fast auf einer Tonlinie, führt die Gruppe auf. Schließt man die Augen, hört man den Wind, donnernde Hufe, das Lied eines Vogels. Die Lieder erzählen von der Jurte, dem Lebensmittelpunkt der Nomaden, von sechzig weißen Pferden, von Tanz und Traurigkeit, vor allem aber von einem Leben, das in Bewegung ist, frei wie der Wind, aber nahe dem Erdboden, in inniger Gemeinschaft mit der unberechenbaren wilden Natur.

Die Zuhörer im Meta Theater quittieren das Konzert mit Staunen und Begeisterung und lassen sich zum Schluss zu einem gemeinsamen Reigen mit den freundlichen Musikern aus der Mongolei auf die Bühne holen. Ein Gast aus Großbritannien entschließt sich an Ort und Stelle dazu, die Gruppe nach England einzuladen, wie Theaterleiter Axel Tangerding berichtet.

Zur Vertiefung der magischen Reise wird am Ende der Film "Das Lied von den zwei Pferden" gezeigt, für den Dagvan Ganpurev die Musik geschrieben hat. Regisseurin dieser eindrucksvollen und poetischen Dokumentation ist Byambasuren Davaa, die auch den Film "Die Geschichte vom weinenden Kamel" und "Die Höhle des Gelben Hundes" geschaffen hat. Auch in der Saga von den zwei Pferden (des Dschingis Khan) geht es um ein Instrument. Einst, so die Geschichte, zierte der Text dieses alten Liedes eine Pferdekopfgeige. Doch dann wurde sie zerstört, nur Kopf und Hals blieben heil. Weil das Instrument ihrer Großmutter gehört hat, macht sich eine Sängerin auf den Weg, die Geige reparieren zu lassen und den verschollenen Text zu finden; sie macht sich auf zu einer spirituellen Reise zu den Nomaden, doch niemand kennt den Text - beinahe niemand. Der Zuschauer erlebt zum Klang der Musik eine atemberaubende Graslandschaft mit ihren Herden, ihren Menschen, ihrem Alltag und ihrer Musik. Inzwischen sind die Läden des Theaters geschlossen, die oberbayerische Landschaft ist weit weg. Die Akkorde der geheimnisvollen Lieder klingen lange nach.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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