Kommunalwahl in Poing:Nach 20 Jahren ein neuer Chef

Lesezeit: 5 min

Vier Kandidaten wollen Albert Hingerl im Poinger Rathaus nachfolgen- drei bekannte Gesichter und ein Politneuling

Von Johanna Feckl, Poing

Eines ist sicher: Poing wird in diesem Jahr einen neuen Bürgermeister bekommen. Seit dem Jahr 2000 hört der Rathauschef auf den Namen Albert Hingerl. Mit 65 Jahren dürfte der SPD-Mann zwar noch einmal als Kandidat antreten - aber im Falle eines Sieges wäre er im Alter von 71 Jahren immer noch Bürgermeister. Und bei dieser Vorstellung fiel Hingerls Urteil recht eindeutig aus, als er im Mai vergangenen Jahres seine Pläne öffentlich machte: "Das muss nicht sein." Drei Amtszeiten und damit 20 Jahre auf dem Bürgermeisterposten sind ihm also genug.

Dass Poing ein lebenswerter Ort bleibt, das wünschen sich alle Parteien. Der Weiterbau des Bürgerhauses steht allerdings nur bei der SPD auf der Agenda. Alle anderen sagen, dass sich die Gemeinde das Millionenprojekt momentan nicht leisten kann. (Foto: Christian Endt)

Die Frage bleibt, wie der Name des neuen Rathauschefs heißen wird. Zur Wahl stellen sich vier Kandidaten: Als einziger Politneuling der Bundespolizist Marc Salih (45) für die FDP. Für FWG und SPD-Bürgerliste Günter Scherzl (51) und Reinhard Tonollo (54) - beide sitzen für ihre Fraktionen bereits im Gemeinderat, Scherzl seit 2010, Tonollo seit 2017. Und für die CSU tritt der parteilose Thomas Stark (55) an, der derzeit Geschäftsleiter der Gemeinde ist und damit so etwas wie die recht Hand von Albert Hingerl. Die SZ Ebersberg hat sich mit allen Kandidaten getroffen und stellt sie nachfolgend vor.

Reinhard Tonollo tritt für die SPD Bürgerliste an. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Reinhard Tonollo (SPD Bürgerliste)

Wepsig ist er. Das sagt Reinhard Tonollo über sich selbst. Vielleicht ist das der Grund, weshalb der 54-Jährige ein Tausendsassa geworden ist: technischer Beamter, Vater, Ehemann, erster Vorsitzender der Poinger Musikkapelle und des Vereinskartells, zweiter Vorsitzender der Kulturtage, Gemeinderatsmitglied der SPD-Fraktion, ehrenamtlicher Richter beim Verwaltungsgericht München, Gründer der Bürgerinitiative für ein Gymnasium in Poing (BIG) - und nun auch Bürgermeisterkandidat der SPD Bürgerliste.

In Regensburg geboren, in München aufgewachsen, zog Tonollo mit seiner Frau 1993 nach Poing. Der gelernte Fernmeldehandwerker wurde technischer Beamter. Als 1997 sein Sohn geboren wurde, nahm er sich drei Jahre Erziehungsurlaub - als Beamter war für ihn eine berufliche Pause kein großes Problem. Eine prägende Zeit, so Tonollo. Nicht nur, wie er sagt, weil er bis heute eine enge Verbindung zu seinem Sohn hat. Sondern auch, weil er dadurch viel Zeit im Familienzentrum verbrachte und das bei seinem Weg in die Politik ausschlaggebend werden sollte. Nachdem er bereits seit 2003 bei der Musikkapelle aktiv war - dort lernte er das Horn- und Posaunespielen -, sei er 2013 gefragt worden, ob er sich politisch engagieren wolle. Beim SPD-Stammtisch traf er dann auf viele alte Bekannte aus früheren Zeiten im Familienzentrum. Tonollo blieb. 2017 rückte er als Gemeinderat nach.

Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen ist ein Thema, das dem 54-Jährigen unter den Nägeln brennt. "Wir bekommen ja aktuell keine Fachkräfte mehr - das kann's nicht sein!" Und: Den zweiten und dritten Bauabschnitt des Bürgerhauses realisieren, sofern es der Finanzhaushalt zulässt. "Poing ist sehr sportlastig", sagt Tonollo. "Jetzt ist mal die Kultur dran."

Thomas Stark (CSU)

Der einzige Parteilose unter den Kandidaten heißt Thomas Stark. "Aus Überzeugung", wie er sagt. Es gehe schließlich um Poing und nicht um eine Partei. Dass er nun für die CSU ins Rennen geht, hat einen einfachen Grund. "Mich hat keiner der anderen gefragt", sagt er. Eine flapsige Antwort, ja, "aber es ist nun einmal so". Zufall also, so könnte man sagen, dass Stark im Namen der CSU Rathauschef werden möchte. Einzig eine Anfrage von Gruppierungen am rechten oder linken politischen Spektrum hätte er kategorisch ausgeschlossen.

Der Zufall war es auch, der den 55-Jährigen nach Poing führte. Im oberfränkischen Marktredwitz aufgewachsen, beschloss er 1990 in die Region München zu ziehen. Warum? Er habe sich seinen Freunden angeschlossen, von denen viele nach München zogen. Der gelernte Verwaltungsfachangestellte fand einen Job im Poinger Bauamt und zog bald darauf in die Gemeinde. 1991 wurde er mit 27 Jahren Leiter des Bauamts, 2000 Referent des Bürgermeisters und Leiter des Bürgermeisteramts. Seit 2016 ist er Geschäftsleiter der Gemeinde. Daneben schloss Stark Fortbildungen zum Verwaltungsfachwirt und -betriebswirt ab und heiratete vor elf Jahren.

Die wilden und schrillen Haare aus seiner Jugend sind mittlerweile einem kurz geschnittenem Grau gewichen. Seine damalige Vorliebe für Techno-Events hat er gegen Politik eingetauscht: Wegen der gewachsenen Schulden möchte Stark "sinnvolle Baumaßnahmen" fokussieren, wie das Schulschwimmbad, die Erweiterung des Sportzentrums oder bezahlbare Wohnungen. "Reine Prestigeobjekte, für die Millionen neuer Schulden notwendig wären, wird es mit mir nicht geben." Dass der Neubau der Grundschule an der Karl-Sittler-Straße bis zum neuen Schuljahr fertig ist, steht auf seiner Agenda ganz oben.

Günter Scherzl (FWG) ist seit 2017 Dritter Bürgermeister. (Foto: Christian Endt)

Günter Scherzl (FWG)

Das erste, was Günter Scherzl über sich persönlich erzählt, ist seine Leidenschaft für Musik. Als Zwölfjähriger begann er mit dem Schlagzeugspielen. Scherzl, in München geboren und in Poing aufgewachsen, wurde Mitglied der Poinger Schützenkapelle und spielte parallel dazu in Bands. Rock, Pop, Latin - der 51-Jährige legte sich bei dem Genre nicht fest. "Man muss da offen sein", sagt er, das gelte übrigens auch für die Politik. Seit Gründung der Musikkapelle Poing ist Scherzl dort Mitglied, bis vergangenes Jahr im Vorstand. Mit der Cover-Band Zebob4 spielt er regelmäßig Konzerte in der Region. "Musik ist ein ganz wichtiger Ausgleich für mich."

Das Schlagzeug und die Musik sind freilich nicht alles im Leben des zweifachen Vaters. Von Kindesbeinen an lebt er in Poing, seit seinem Abitur arbeitet er in der Versicherungsbranche. 2007 sprach ihn der damalige Vorsitzende der Poinger FWG Michael Frank an. Ob er nicht Lust hätte, sich auf die Kandidatenliste für die bevorstehende Kommunalwahlen setzen zu lassen. Scherzl habe da erst einmal überlegt, sagt er heute. "Ich habe ein paar Stammtische besucht und mir das alles angeschaut." Ihm gefiel, was er sah, er sagte zu - und rückte 2010 in den Gemeinderat nach. Anfang 2017 wurde er Dritter Bürgermeister, seit Sommer desselben Jahres ist der 51-Jährige der Vorsitzende der FWG.

"Poing soll attraktiv und lebenswert für alle Generationen bleiben." So beschreibt Scherzl sein Hauptanliegen. Die Krux dafür, so formuliert es Scherzl, liege im Miteinanderreden. Mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den übrigen Fraktionen im Gemeinderat und mit den umliegenden Gemeinden. Da gebe es nur gute und schlechte Anträge und Beschlüsse, die Partei sei zweitrangig. "Am Ende des Tages geht es um Sachpolitik."

Marc Salih (FDP)

Erst im Sommer 2019 ist Marc Salih in die FDP eingetreten. Und es war sein zweiter Partei-Stammtisch, als er als Bürgermeisterkandidat vorgeschlagen wurde. "Ich war erst mal überrascht", sagt der 45-Jährige heute. Er bat um Bedenkzeit - und sagte schließlich zu. Als Nachteil beurteilt er es nicht, dass er bislang in keinem politischen Amt aktiv war. "Wenn man sieht, was manche Politiker mit jahrelanger Erfahrung machen, dann ist Erfahrung allein kein eindeutiges Qualitätskriterium."

Der Wunsch, sich in der Politik aktiv zu engagieren, sei bei ihm schon lange da, so Salih. Bislang sei es schlicht an mangelnder Zeit gescheitert. "Man kann halt nicht alles gleichzeitig machen", sagt er. Im niedersächsischen Cuxhaven geboren, begann er vor 27 Jahren eine Ausbildung zum Polizeimeister beim Bundesgrenzschutz, später studierte er im Fachbereich Bundespolizei.

(Foto: oh)

Bei seiner Berufswahl legte er Wert auf Abwechslung, wie auch sonst im Leben: Salih ist begeisterter Sportler, egal ob Fitness, Wakeboarden, Skifahren oder Bergwandern. Eine solche Vielfalt sieht er auch in seinem Job, der ihn bislang viel herumführte. So arbeitete er etwa in Hamburg, Hannover, Berlin, New York und Teheran. 2009 führte ihn sein Weg nach Bayern, er zog nach Markt Schwaben, 2016 dann nach Poing, wo er mit seiner Partnerin lebt. Aktuell ist er bei der Bundespolizei in München als Einstellungsberater tätig.

Salih möchte, wie er sagt, ein Bürgermeister für alle sein, egal ob wahlberechtigt oder nicht. Ihm ist das digitale Denken ein Anliegen: Durch die Ergänzung einer digitalen Bürgersprechstunde könne man etwa mehr junge Poinger für Kommunalpolitik begeistern. Daneben ist das Thema Verkehr wichtig: MVV-Tickets, die gültig für Ruf- und Sammeltaxis sind, mehr alternative Antriebsstoffe, und eine Umgehungsstraße.

© SZ vom 28.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: