Kommunalwahl in Emmering:Alles auf Null

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Nach dem politischen Dauerstreit in Emmering haben die drei Bürgermeisterkandidaten ein gemeinsames Ziel: Sie wünschen sich einen Neuanfang für ihre Gemeinde

Von Simon Groß, Emmering

Wer sich an schönen Tagen nach Emmering begibt, also in den äußersten Südosten des Ebersberger Landkreises, der findet ein oberbayerisches Postkartenmotiv vor: eine durch saftig-grüne Wiesen mäandernde Landstraße, die in eine malerische Gemeinde mündet, aus der, auf einer kleinen Anhöhe liegend, ein prächtiger Kirchturm emporragt. Im Hintergrund die Alpen mit ihren weißbedeckten Gipfeln; kleine Nebelwölkchen zieren sie - die Sonne strahlt, der Himmel ist blau. Doch so idyllisch die Gemeinde von außen anmutet, kommunalpolitisch gesehen glich Emmering in den vergangenen Jahren eher einem Schlachtfeld samt Grabenkämpfen, Scharmützeln und kapitulierenden Kommunalpolitikern.

Über die Jahre hinweg hatte sich ein verfahrener Streit zwischen dem amtierenden Bürgermeister Max Maier (Bürger für Emmering) und dem Gemeinderat entwickelt, dessen Chronik ein Buch füllen könnte. Die Kurzversion davon lautet: Am Ende von Maiers erster Amtszeit 2014 wollte seine Fraktion - damals die CSU - ihn nicht noch einmal als Kandidat aufstellen. Maier trat daraufhin mit der neugegründeten Liste Bürger für Emmering an und wurde mit ihrer Unterstützung erneut zum Bürgermeister gewählt. Doch im Lauf der zweiten Amtszeit richteten sich auch die Bürger für Emmering gegen ihren einstigen Kandidaten und forderten zusammen mit den anderen Gemeinderäten im Frühjahr 2018 geschlossen seinen Rücktritt. Das Gremium warf dem Bürgermeister vor, seinen Amtspflichten nicht nachzukommen, Verwaltungsaufgaben zu vernachlässigen und Beschlüsse nicht umzusetzen. Maier wies die Vorwürfe als ungerechtfertigt zurück. Er blieb im Amt und verzichtete auch auf eine vorzeitige Pension, die ihm der Gemeinderat anbot. Zuletzt stellte sich ein Burgfrieden zwischen den Konfliktparteien ein in froher Erwartung des 15. März 2020, der Kommunalwahl. An diesem Tag soll es für Emmering einen Neustart geben, darin sind sich alle drei Bürgermeisterkandidaten einig. Der amtierende Bürgermeister Max Maier wird dann nicht mehr antreten.

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(Foto: privat)

Hubert Rüegg (CSU)

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(Foto: Privat)

Claudia Streu-Schütze (Freie Wählergemeinschaft)

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(Foto: Privat)

Josef Stocker (Bürger für Emmering)

"Die Bürger haben diesen Streit satt", sagt Claudia Streu-Schütze, die für die Liste der Freien Wählergemeinschaft an den Start geht. Die 44-Jährige, die sich unter anderem im Pfarrgemeinderat und im Schützenverein engagiert, ist neu in der Kommunalpolitik. Ob sie kandidieren möchte, hatten sie auch die Bürger für Emmering gefragt, doch Streu-Schütze entschied sich für die freie Wählergemeinschaft, "damit da nichts mehr aufkocht". Für die vierfache Mutter ist es entscheidend, dass die Baugebiete "Emmering Nord-West" und "Schmiedgarten" fertiggestellt werden und so junge Familien leichter im Ort bauen können. Dann wäre auch ein neuer Kindergarten nötig, der bisherige sei jetzt schon ausgelastet. Die geplante Waldkindergartengruppe würde daran nicht viel ändern. Und auch die Schule und das Gemeindehaus müssten dringend saniert werden, sagt die gebürtige Rosenheimerin. Das alles würde zu einer gesunden Dorfentwicklung beitragen. Ebenso wie eine bessere Telefon- und Internetverbindung, die es den Emmeringern erlauben würde, von Zuhause zu arbeiten. "Immer mehr Arbeitgeber bieten es an, aber bei uns kann man das in manchen Ecken gar nicht machen", sagt Streu-Schütze, die als Teamleiterin in der Verwaltung einer Krankenkasse gearbeitet hat, bevor sie 2010 die Buchhaltung für den Familienbetrieb ihres Mannes übernahm. Würde sie gewählt, könne sie sich vorstellen eine Prioritätenliste zusammen mit dem Gemeinderat auszuarbeiten, um auch wirklich alle mitzunehmen. Von sich selbst sagt die Kandidatin, dass sie präsent und schwungvoll sei und gut mit Menschen könne.

Ebenfalls neu in der Kommunalpolitik ist der Kandidat der Bürger für Emmering, Josef Stocker. Der 63-Jährige war den Mitgliedern der Liste aufgefallen, weil er dem Bürgermeister in Gemeinderatssitzungen "Fragen gestellt und energisch aufgetreten war", wie er selbst sagt. Seit zwei Jahren verfolgt er die Sitzungen nun. Die wichtigste Aufgabe sieht der gebürtige Immenstädter darin, das Verhältnis zur Verwaltung zu verbessern. In der Vergangenheit sei sie immer wieder übergangen worden. Stocker, der auch für die Stadtwerke München gearbeitet hat, bevor er als Finanzinformatiker tätig wurde, möchte hier sein Fachwissen einsetzen. Inhaltlich sieht der Kandidat vor allem bei der Infrastruktur Handlungsbedarf. Genau wie seine Mitbewerberin möchte Stocker den Emmeringern durch eine bessere Internet- und Telefonverbindung ermöglichen, von Zuhause aus zu arbeiten. Zumal die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln verbesserungswürdig sei. Daher möchte Stocker auch die Busverbindungen ausbauen. Um Angehörigen von älteren Bürgern, die in Pflege sind, den Weg in andere Orte gleich ganz zu ersparen, wünscht sich Stocker für Emmering ein eigenes Seniorenheim. Denkbar wäre für ihn ein Modell, in dem junge Menschen, zum Beispiel Studenten aus Wasserburg, mit Senioren zusammenleben und ihnen - gegen Unterkunft und Verpflegung - im Alltag helfen. Dafür könnte ein sanierter Bauernhof Platz bieten. Außerdem möchte Stocker die Abwasserentsorgungsanlage komplett überarbeiten lassen. Vor allem die Erfahrung in Verwaltungssachen und seine Reife sieht Stocker als seine Stärken.

In den vergangenen Jahren glich das idyllische Emmering eher einem Schlachtfeld. (Foto: Christian Endt)

Hubert Rüegg, Kandidat der CSU, ist der einzige erfahrene Kommunalpolitiker unter den Bewerbern. 18 Jahre lang saß er für die Freien Wähler im Emmeringer Gemeinderat. Allerdings nicht die vergangenen sechs Jahre, wie andere auch habe ihn der Streit in der Gemeinde zu sehr belastet. Jetzt möchte der 52-Jährige wieder "die Zukunft mitgestalten" im Ort. Auch er will die Kinderbetreuung ausbauen. Zudem möchte er die Grundschule modernisieren, mit Whiteboards und schnellerem Internet ausstatten. Ein besonderes Anliegen ist ihm, dass die Emmeringer flüssig bleiben, und zwar in doppelter Hinsicht: Die örtliche Raiffeisenbank und der dazugehörige Geldautomat sollen noch Ende des Monats einem neuen Rathaus weichen. Die Bürger müssten dann nach Aßling oder Rott, um an Bargeld zu kommen. Schon jetzt unterstützt Rüegg eine Unterschriftenaktion dagegen. Außerdem macht sich der Kandidat um die Wasserversorgung der Gemeinde Gedanken, er möchte weiter nach einem neuen Brunnen suchen, gleichzeitig für einen schonenden Umgang mit der Ressource werben.

Während auch er die Fertigstellung der Baugebiete vorantreiben will, sieht er den Bau eines Gewerbegebiets kritisch. Erst wenn alle bestehenden Möglichkeiten im Ort ausgeschöpft seien, käme das für ihn in Betracht. Unterstützen will Rüegg auch die Landwirte. "Als ich Kind war, hatten wir 40 Landwirte in Schalldorf, heute sind es noch fünf", sagt der gebürtige Schalldorfer. Hauptberuflich verantwortet der gelernte Elektromeister den Bau von Maschinen für die Getränkeindustrie. Vor allem die Erfahrung im Gemeinderat sieht Rüegg als großen Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern. Bei der Wahl steht für ihn fest: "Wer es auch immer sein wird, die Vergangenheit wird kein Thema mehr sein."

© SZ vom 18.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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