Inklusion auf der Bühne:Wenn die Freude Regie führt

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Inklusion am Gymnasium Kirchseeon: Das "Wahlfach gemeinsam", der Unterstufenchor, Teile der Big-Band sowie der Arbeitskreis Bühnentechnik führen "Frau Holle" als musikalisches Märchen auf.

Von Anja Blum, Kirchseeon

Äpfel pflücken, Kissen ausschütteln, singen und spielen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Märchen rühren für gewöhnlich ans zutiefst Menschliche - darin geschehen Wunder, das Böse muss weichen, das Gute siegt. Wer diesen versöhnlichen Zauber wieder einmal erleben möchte, sollte an diesem Dienstag, 19. April, um 18 Uhr ins Kirchseeoner Gymnasium gehen, denn dann wird dort "Frau Holle" gezeigt. Das eigentlich Märchenhafte aber spielt sich dabei nicht auf der Bühne ab, sondern darum herum, gewissermaßen zwischen den Zeilen.

Die ganze Aufführung an sich ist einfach wunderbar im wahrsten Sinne des Wortes, weil sie zeigt, was möglich ist, wenn Menschen ihre Herzen öffnen: Dieses Märchen ist ein Inklusionsprojekt, das heißt, dass es von Schülern mit und ohne Behinderung gemeinsam gestaltet wird. Und diesen Zusammenhalt kann der Zuschauer spüren: Hier führen Freude, Engagement und Offenheit Regie, hier steht das volle, pralle Leben auf der Bühne.

Ein Projekt für Gymnasiasten und Schüler der Korbinianschule

"Wahlfach gemeinsam" heißt die Keimzelle des Projekts, dahinter verbirgt sich eine Gruppe von Gymnasiasten, die sich regelmäßig mit den Schülern der Partnerklasse treffen. Zum Malen, Basteln, Spaß haben oder um Ausflüge zu unternehmen. Die Partnerklasse der Korbinianschule aus dem Einrichtungsverbund Steinhöring besteht aus acht Kindern im Alter zwischen zehn und 13 Jahren. Sie haben in Kirchseeon ein eigenes Klassenzimmer, treffen aber, so oft es möglich ist, auf die Gymnasiasten, sei es beim Singen, in Kunst oder Sport. Die aktuelle Partnerklasse ist nun im zweiten Jahr. "Mittlerweile sind wir wirklich angekommen - und freuen uns sehr über dieses große Projekt", sagt die Leiterin Christine Mierwald.

An der Theaterproduktion sind etwa 50 Schüler und Lehrer beteiligt: von Darstellern über Sänger und Musiker bis hin zu Licht- und Tontechnikern sowie Bühnenhelfern. Allerdings ist das kein Schulprojekt, an dem die Kinder mit Handicap eben auch mitwirken dürfen, nein, "vielmehr sind sie die Hauptakteure, die von uns begleitet werden", sagt der musikalische Leiter Christoph Müller. Dies sei tatsächlich eine Aufführung der Partnerklasse. "Und ich bin sehr froh, dass es hier so etwas gibt, denn so wird Inklusion gelebt", so Müller. Die Kinder der Partnerklasse spielen auf der Bühne oder singen im Chor - je nach Geschmack, übernehmen Hauptrollen und Soloparts und tragen so wesentlich zum Gelingen des Theaterstücks bei.

Mit Feuereifer bei der Sache - bei Spiel und Gesang

Der zwölfjährige Christoph Waldmann etwa singt mit schöner Stimme ein rührendes Lied über das Heimweh - und ist laut Müller generell die Stütze des Ensembles. "Wenn er nicht einsetzt, tun es die anderen auch nicht", sagt der Dirigent und lacht. Dass der junge Sänger mit Feuereifer bei der Sache ist, sieht man sofort: Die Arme wippen ausladend im Takt, Augen und Mund sind weit geöffnet. Überhaupt sei die Partnerklasse aus dem Unterstufenchor nicht mehr wegzudenken, sagt Müller: "Die singen so voller Inbrunst - das ist einfach schön."

Die Kinder vom Kirchseeoner Gymnasium auf der Bühne. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch bei dieser Frau Holle wird nicht nur gespielt und gesungen, sondern auch musiziert: Mitglieder der Big Band begleiten den Chor mit teils fetzigen, teils eher ruhigen Klängen. Grundlage sind einige Lieder, die nicht nur Stimmungen erzeugen, sondern auch das Geschehen vorantreiben - zum Beispiel der Chor der Äpfel, die geerntet werden wollen. Geschrieben habe die Stücke ein Sonderpädagoge, erklärt Mierwald, weswegen sie sehr einfache Texte hätten. Müller wiederum hat sie für Keyboard, Gitarre, Bass und Schlagzeug arrangiert - und das Ergebnis ist schlicht mitreißend. "Es ist toll, wenn man mit so fitten und musikalischen Leuten arbeiten kann", lobt der Chef seine Band.

Geschichte und Lieder beschäftigen die Schüler schon lange

Die Partnerklasse beschäftigt sich bereits seit Wochen intensiv mit "Frau Holle". "Wir haben alles mögliche rund um das Märchen gemacht", sagt Christine Mierwald, ihr zur Seite standen dabei Joyce El Allam und Ilse Opitz, welche sich vor allem für das Bühnenbild und die Requisiten engagierte. Und auch die Lieder proben die Kinder schon lange - dank einer eigens angefertigten Playback-CD. "Christophs Mutter zum Beispiel hat mir erzählt, dass er die überall mit hingenommen hat", so Mierwald.

Nicht nur Goldmarie hat bei "Frau Holle" am Kirchseeoner Gymnasium viel zu tun. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach Fasching begannen dann die gemeinsamen Proben, für die in erster Linie Margarete Barthelmes als Regisseurin verantwortlich zeichnete. Die Sportlehrerin ist die Schnittstelle zwischen Gymnasium und Partnerklasse. In einer "Manöverkritik" bei der Generalprobe gibt sie den Darstellern noch ein paar wertvolle Tipps: mehr gestisches Gestalten, bis zum Ende des Satzes laut sprechen, sich nicht von der Musik ablenken lassen, keine Einsätze verpassen. Am Ende aber sagt sie: "Ich bin hellauf begeistert, das wird wirklich schön!" Und man kann ihr nur zustimmen.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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