Chorprojekt:Stimmenfang mit Herz und Musik

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An Menschen, die Spaß am Singen haben, hat sich Chorleiter Stefan Krischke gewandt. Mit Erfolg, die Kirchenbänke sind voll. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit einer anregenden Mischung aus Probe und Konzert lädt der Kirchenchor von St. Margaret in Markt Schwaben zum Mitsingen. Chorleiter Stefan Krischke leitet die Laien mit Leidenschaft und Humor an - und hofft, dass vielleicht einige von ihnen wiederkommen.

Von Ulrich Pfaffenberger, Markt Schwaben

Mitreißend. Das ist das richtige Wort. Man sitzt in der Kirche St. Margaret in Markt Schwaben, zurückhaltend in einer der hinteren Bänke. Die vorderen Reihen sind dicht gefüllt mit den Sängerinnen und Sängern des Kirchenchors. So beherzt intonieren sie das "Ubi caritas", dass es dann kein Halten mehr gibt: Beim Refrain öffnet sich der Mund von selbst, treten Kehlkopf, Zunge und Lippen in Aktion und verwandeln den Luftstrom des eigenen Atems in ein überzeugtes Mitsingen. Ob jeder Ton stimmt? Egal. Gegen die Stimmkraft des Chores verliert sich das eigene Cis in der Bedeutungslosigkeit, und das ist auch egal.

Wer unter uns musikalischen Laien kann schon Noten korrekt ansingen? Aber die Melodie selbst, sie ist sofort wieder da, viele Jahre nach der ersten Begegnung in der Jugendmesse, im Zeltlager, bei der Gruppenstunde. Die Kraft der Gemeinschaft, sie wirkt gleich wieder und erinnert daran, dass dieses Danklied fester Teil der Gründonnerstagsliturgie ist, Zuversicht während des letzten Abendmahls.

Stefan Krischke lädt die Sängerinnen und Sänger ein, auch mal zu einer regulären Chorprobe zu kommen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Für sein Projekt hat er Evergreens wie Leonard Cohens "Hallelujah" ausgesucht, aber auch komplexere Werke wie den Psalm "Aller Augen". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Es sind starke emotionale Kräfte, die durch diesen Abend tragen. "Sing mit uns!" hatte Kirchenmusiker Stefan Krischke per Whatsapp eingeladen. Über den Umweg des christlichen Teilens gelangt sie auch zu Menschen, die am Freitagabend noch nichts vorhatten und sich denken: Warum eigentlich nicht? Aus seiner Absicht macht der Chorleiter kein Geheimnis: Wenn die Mischung aus Probe und Konzert und Mitmachgelegenheit ankommt, wenn es einen mitreißt, dann sei doch am Freitag danach gleich wieder eine Probe, in die man mal hineinschnuppern könne. Eine kluge Idee in einer Umwelt, die vollgestopft ist mit Optionen und Gelegenheiten, die man wahrnehmen oder ablehnen kann.

Was wirkt anziehender und glaubwürdiger, als wenn man denen direkt ins Gesicht schauen und auf die Stimme hören kann, auf die man sich einlässt? Mehr aber noch: Selber mitsingen dürfen, nicht einsam am Radio während der Autofahrt oder unterm Kopfhörer am Handy - ist das nicht eine großartige Chance, sich aus dem Alltag zu befreien? Wer singt, kann gleichzeitig nichts anderes denken.

Die Melodien, die Krischke ausgesucht hat, sind so ausgewählt, dass selbst bei den weniger bekannten Titeln das Einstimmen leichtfällt. Klar, Leonard Cohens "Halleluja" als Evergreen ist vertraut. Aber der Psalm "Aller Augen" in der Version von Heinrich Schütz, ausgehend von einer fast 1200 Jahre alten Melodie, fordert schon mehr Aufmerksamkeit. Streng wie die Pfeiler einer gotischen Kirche bauen die Notenfolgen aufeinander auf, das Mitsingen gerät zum gelegentlichen Mitsummen, während die Augen suchend übers Notenblatt huschen.

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Umso größer der Respekt für die Zeit und das Können, das die Choristen ins Erlernen und Erproben gesteckt haben - und wegen des Halbsatzes "und gibest ihnen Speise" die Melodie inzwischen so als Tischgebet verinnerlicht haben, dass unterm Gelächter aller der Dirigent mit "Guten Appetit!" abwinkt. Wobei als Zwischengang bei der Probe musikalische Delikatessen kredenzt werden. Aus den eigenen Reihen präsentiert Susanne Knof ihr Lieblingsinstrument, die "tin whistle", und greift Rainer Viktor zur Gitarre, um Reinhard Meys "Das Lied von der Spieluhr" in Erinnerung zu rufen.

Susanne Knof hat ihre "tin whistle" in die Kirche mitgebracht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wie inspirierend sich die Anwesenheit von Humor aufs Singen auswirkt, zeigt sich in Liedern wie "Möge die Straße". In seinen vier Strophen lassen sich irische Lebensfreude und Gelassenheit spüren, während den Sängerinnen und Sängern das Lächeln im Gesicht steht bei Zeilen wie: "Sei über vierzig Jahre im Himmel, bevor der Teufel merkt: Du bist schon tot." Auch der Dirigent, agil und wachsam zwischen dem Mittelgang und dem E-Piano vor dem Altar pendelnd, zeigt sich bei seinen Anweisungen von der heiteren Seite. Die Funken, die er versprüht, entzünden erkennbar ein Feuer im Chor.

Fröhlich swingt ganz in diesem Geist der Spiritual "I'm a sinner" durch den Kirchenraum und macht kirchlich-kulturelle Kontraste spürbar: Wie viel Hoffnung müssen die Sklaven auf die göttliche Hilfe gehabt haben, als sie die Melodie zu diesem Gospel fanden? Hier wackelt der Chor zwar an der einen oder anderen Stelle noch ein bisschen, doch die kraftvollen Soprane helfen zuverlässig über die Untiefen und von den in sich ruhenden Bässen strahlt stärkende Unbeirrbarkeit aus.

Zum Abschluss des Abends sammelt sich der Chor in Formation vor dem Altar, nunmehr dem, leider spärlichen, Publikum für ein kleines Konzert zugewandt. Zu den zuvor geprobten Liedern gesellen sich drei instrumentale Auftritte. Matthias Rott eröffnet die konzertanten 20 Minuten mit einem Orgelstück von Marcel Dupre, dem Opus 18 aus der Marienvesper: "Ich bin schwarz, aber schön." Danach lassen auch Knof und Viktor noch einmal ihre Kunst erklingen, bevor "Halleluja" den Schlussakkord setzt. Eine unwiderstehliche Einladung zum Mitsingen.

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