Impfkampagne in Ebersberg:"Blanke Fassungslosigkeit"

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Zum Zornedinger Hausarzt Marc Block kommen zwar schon noch Patienten, die an Covid erkrankt sind, doch schwere Symptome zeigen sie selten. (Foto: Christian Endt)

Kaum mehr Biontech? Das werde die Infektionslage im Landkreis deutlich verschlechtern, warnt Praxen-Koordinator Marc Block.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Von 23. November an soll eine Restriktion bei der Bestellmenge des Biontech-Impfstoffs gelten: 30 Impfdosen pro Woche für Arztpraxen sowie 1020 Dosen für Impfzentren und mobile Teams. Das teilte der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CSU) am vergangenen Freitag mit. Sowohl aus der Politik, etwa von Bayerns Gesundheitsminister und Vorsitzenden der Gesundheitsministerkonferenz Klaus Holetschek (CSU), als auch von Ärztinnen und Ärzten gab es Kritik. Wie ist die Stimmung im Landkreis Ebersberg? Im Gespräch mit der SZ berichtet der Ärztliche Koordinator der niedergelassenen Praxen im Landkreis, Marc Block, über Frustration unter seinen Kollegen und die Gefahr, dass die nun dringend erforderliche Impfkampagne nicht den gewünschten Erfolg bringen könnte.

SZ: Herr Block, wie viele Biontech-Impfungen gab es denn in der vergangenen Woche in Ihrer Zornedinger Praxis?

Marc Block: Wir haben in der letzten Woche - wie in den Monaten zuvor - ausschließlich Impfungen mit Biontech durchgeführt. Für diese Woche haben wir 105 Impfungen mit Biontech vorgesehen und Patienten hierfür einbestellt.

Dass mittlerweile ausschließlich mit dem Biontech-Vakzin geimpft wird, hört man von einigen Praxen im Landkreis. Woran liegt dieses Vorgehen?

Zum einen stand der Biontech-Impfstoff als erster mRNA-Impfstoff für die Impfung in den Arztpraxen zur Verfügung, zumal bis vor kurzem für Moderna Sicherheitsbedenken bezüglich der Transportfähigkeit bestanden. Zum anderen ist Biontech der mRNA-Impfstoff, der von der Ständigen Impfkommission (Stiko) für die meisten Menschen empfohlen wird. So besteht für junge Menschen unter 30 Jahren ausschließlich eine Stiko-Impf-Empfehlung für Biontech. Dies führt dazu, dass in Arztpraxen überwiegend auch nur dieser Impfstoff verwendet wird.

Das bedeutet aber auch, dass theoretisch doch nichts dagegen spricht, Menschen ab 30 Jahren vermehrt mit Moderna zu impfen?

Eine Ausweitung der Impfpräparate auf Moderna ist möglich, führt aber zu Mehraufwand bei der Impfaufklärung. Dadurch, dass sich die Zubereitung der Präparate von Biontech und Moderna wesentlich unterscheidet, kommt es zu einem größeren logistischen Aufwand und auch zu weiteren Fehlerquellen bei der korrekten Handhabung der Impfstoffe.

Wie haben Ihre Kolleginnen und Kollegen im Landkreis auf den aktuellen Vorstoß des Gesundheitsministeriums reagiert?

Alle impfenden Ärztinnen und Ärzte haben mit Unverständnis und blanker Fassungslosigkeit reagiert. Die nunmehr lächerlich winzigen Bestellmengen an Biontech-Impfstoff stehen im krassen Widerspruch dazu, was nun notwendig ist, nämlich die massive Ausweitung unserer Bemühungen, möglichst viele Impfungen durchzuführen. Bis vor kurzem herrschte in den meisten Arztpraxen eine wahrnehmbare Entschlossenheit, die Impfaktivität auszudehnen durch Ausweitung der Impf-Sprechstunden und oft auch besondere Impfaktionen, wie zum Beispiel Impfen am Wochenende oder bis in den späten Abend hinein. Durch diese widersinnige, willkürliche, unausgegorene, kontraproduktive Anordnung ist diese Entschlossenheit nun einem Gefühl der Frustration gewichen, welches die Impfbereitschaft der Arzthelferinnen, Ärztinnen und Ärzte dämpft. Einige Arztpraxen haben sogar angekündigt, dass sie unter diesen Umständen keine Impfungen gegen Corona mehr durchführen werden.

Da die Stiko nun das Boostern für alle ab 18 Jahren empfiehlt, wird der Andrang in den Praxen nach einer Impfung wohl noch weiter ansteigen. Ist es Ihrer Meinung nach realistisch, dass der größte Teil der Impflinge mit dem Vakzin von Moderna einverstanden ist?

Ein großer Teil der bislang Ungeimpften ist in der Altersgruppe der Menschen zu finden, die jünger als 30 Jahre sind. Diese Menschen sollten nach Empfehlung der Stiko ausschließlich mit Biontech geimpft werden. Viele Impflinge werden daher nicht mit einer Moderna-Impfung einverstanden sein und leider auf die so wichtige Impfung weiter verzichten.

Den Zahlen des RKIs zufolge kommt es nach einer zweifachen Biontech-Impfung häufiger zu einem Impfdurchbruch als nach einer zweifachen Moderna-Impfung. Lässt sich daraus nicht ableiten, dass Moderna wirksamer ist - und es dementsprechend sinnvoll ist, für die Booster nun das Vakzin von Moderna dem von Biontech vorzuziehen?

Die Kombination einer Biontech-Grundimmunisierung gefolgt von einem Booster mit Moderna ist meines Wissens in Studien noch nicht hinreichend untersucht, sodass ich hierzu keine Meinung äußern kann. Ich denke aber, dass es plausibel ist, von einem sehr guten Impferfolg nach einer solchen Kreuzimpfung auszugehen.

Als Grund für das Vorgehen des Gesundheitsministeriums gibt Jens Spahn an, dass wohl viel Moderna-Impfstoff weggeworfen werden muss, sollte es weiterhin so viel mehr Biontech- als Moderna-Bestellungen geben. Wäre Wegwerfen aber nicht eine Verschwendung und somit auch kein gangbarer Weg?

Ich halte Impfungen mit Moderna bei den empfohlenen Altersgruppen für sicher und hocheffektiv. Selbstverständlich sollte daher mit diesem bewährten Impfstoff geimpft werden. Die Kritik an der Entscheidung des Gesundheitsministeriums bezieht sich nicht auf den Impfstoff, sondern auf die kurzfristige Anordnung, die zu einer großen Verunsicherung in der Bevölkerung und zu einem nicht bewältigbaren Organisationsproblem in den Impfpraxen und Impfzentren führt. Die Folge wird ein Rückschlag in den Impfanstrengungen von uns allen sein und in letzter Konsequenz führt das zu einer weiteren Verschlechterung der Infektionslage.

Am Samstag forderte der Bayerische Hausärzte-Verband die sofortige Abberufung von Jens Spahn als geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister. In der entsprechenden Pressemitteilung ist weiterhin von einer "Sabotage der Impfkampagne" die Rede, der Verbandsvorsitzende bezeichnet das Vorgehen des Gesundheitsministeriums als "Schwachsinn". Das sind Forderungen und Worte, die in ihrer Härte und Deutlichkeit kaum klarer sein könnten. Ist das gerechtfertigt?

Die von dem Hausärzte-Verband und der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns einstimmig und ohne Enthaltungen abgegebene Resolution sowie die eben zitierten Einschätzungen teile ich zu 100 Prozent. Zu dieser Bewertung kommen darüber hinaus ebenfalls alle mir bekannten Ärzte und die Ärztlichen Koordinatoren in Oberbayern.

© SZ vom 22.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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