Klettern in Markt Schwaben:"Dann könnt ihr mich in Stadelheim besuchen"

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In Markt Schwaben wird seit Jahren eine ungenehmigte Kletteranlage betrieben. Vor 70 Alpenvereins-Mitgliedern verteidigt der Bürgermeister nun die Schließung.

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

Zu den Eigenheiten der Kletterdisziplin Free Solo gehört es, dass man ohne Seil in der Wand hängt und keinerlei Absicherung hat. Manche sehen darin einen Reiz, andere empfinden die 100-prozentige Verantwortung eher als Last. Zu letzteren zählt offenbar Markt Schwabens Bürgermeister Georg Hohmann (SPD). Unter seiner Verantwortung hatte die örtliche Alpenvereins-Sektion jahrelang eine Kletteranlage betrieben, für die es nie eine Genehmigung gab. Ein waghalsiges juristisches Free Solo, das Hohmann nun beendet hat. Seit einer Woche ist die Kletteranlage geschlossen - und der Alpenverein auf den Barrikaden.

Der mit 1700 Mitgliedern zweitgrößte Verein im Ort ist derzeit seiner Existenzgrundlage beraubt. Und so kam es am Montagabend zur Konfrontation im Rathaus. Wo sonst die Gemeinderäte über Beschlüsse entscheiden, musste sich Bürgermeister Georg Hohmann diesmal vor 70 Vereinsmitgliedern der Markt Schwabener DAV-Sektion verteidigen, darunter etwa ein Drittel Kinder, teilweise ausgerüstet mit Protestschildern wie "Wir wollen unseren Turm zurück". Bürgermeister Hohmann hatte spontan eingeladen, er versuchte zu beschwichtigen und seine Drucksituation deutlich zu machen. Wenn auf der Anlage was passiere, sagte er, "dann könnt ihr mich in Stadelheim besuchen".

Kommentar
:Die Kritik des Markt Schwabener Alpenvereins am Gemeinderat geht zu weit

Ärger ist zwar berechtigt. Der Betrieb der Kletteranlage war jedoch eine jahrelange Gratwanderung - die viel schlimmer hätte enden können.

Kommentar von Korbinian Eisenberger

Die Vorgeschichte dieses Abends ist selbst für das von Dorfpossen verwöhnte Markt Schwaben reichlich skurril. Der Knackpunkt: Das Kletterareal des DAV ist eigentlich eine alte Kläranlage - und auch nur als solche genehmigt. Allerdings ist das offenbar jahrelang niemandem groß aufgefallen. Seit 2003 - damals führte noch Bernhard Winter die Geschäfte im Rathaus - kraxelten die Markt Schwabener dort munter herum und erweiterten die Anlage immer mal wieder - ein Griff hier, eine Boulderwand da.

Nur der Bürgermeister und zwei Gemeinderäte sind gekommen

Hinzu kommt: Die Kreisfeuerwehr nutzte die Räume der alten Kläranlage jahrelang für Übungen mit echten Flammen, dass sich dort zudem Sprayer vergnügten fällt da kaum mehr ins Gewicht. Es dauerte bis Mai 2017, ehe sich das Landratsamt Ebersberg meldete mit dem Hinweis, das hier offenbar was nicht stimmt, genauer gesagt eine "formelle Rechtswidrigkeit der Nutzung" vorliege.

Knapp zwei Jahre später reagierte nun der Markt Schwabener Gemeinderat. Das Gremium entschied sich jedoch nicht nur dafür, die Anlage (mit Ausnahme des Boulderbereichs) zu schließen, sie verweigerten auch noch ein Gutachten zur Analyse der Standfestigkeit der alten Kläranlage, an der ja die Kletterwände befestigt sind. So ein Gutachten wäre teuer geworden, hinzu kämen Kosten für etwaige Reparaturen. Und - auch das ist bekannt: Kaum wo anders in Oberbayern ist die Gemeindekasse so leer wie in Markt Schwaben.

In der dreistündigen Debatte kam von mehreren Vereinsmitglieder erhebliche Kritik am Gemeinderat auf - am verweigerten Gutachten, aber auch dafür, dass aus dem Gremium lediglich Bürgermeister Hohmann, Heinrich Schmitt und Anja Zwittlinger-Fritz (beide CSU) zum Spontantreff erschienen war. "Uns wäre wichtig, dass der Gemeinderat uns Rede und Antwort steht", sagte Justus Bork, seit 20 Jahren Mitglied im DAV. Und es kam die Frage auf, warum man nicht in einer öffentlichen Sitzung habe beraten können statt im Geheimen. Eine konkrete Antwort hierauf gab es im Wortgetümmel nicht.

Das sagt das Ebersberger Landratsamt

Die Debatte lief weitestgehend sachlich ab und spitzte sich auf die Kernfrage zu, wie es mit dem Verein weitergeht. Die Kletteranlagen der Sektionen Grafing und Kirchheim sind womöglich für Einzelpersonen zeitweise eine Alternative, nicht jedoch für die Trainingsgruppen. Im Sitzungssaal kam deswegen der Wunsch nach einer Übergangslösung auf. Er verstehe, dass nicht mehr alles so sein könne wie vorher, sagte Christian Huber, Jugendleiter und Gruppenbetreuer in der Kletterhalle. Ohne Alternative "wird unser Verein tot sein", sagte er. Eine seiner Kolleginnen in der DAV-Jugendarbeit erwirkte das Zugeständnis vom Bürgermeister für einen einmaligen Zugang zum gesperrten Materiallager, samt den Griffen für die sonst unbrauchbare Boulderanlage.

Wie geht es weiter? Das Landratsamt teilt auf SZ-Nachfrage mit, dass "aus baurechtlicher Sicht eine Schließung unverhältnismäßig wäre, solange keine Gefahren für die Nutzer der Anlagen bekannt werden". Der Grund der Schließung, sei "dem Landratsamt bisher nicht mitgeteilt" worden. Im Sitzungssaal kündigte Bürgermeister Hohmann Verhandlungen mit dem Landratsamt an, statt Konfrontation bat er um Zusammenhalt - "lasst uns das bitte gemeinsam machen", sagte er, flehte fast, doch nicht jeder erhörte ihn.

Zwischendrin wurde es immer wieder emotional und laut, auch nach dem Bericht des Gebäudemanagers über Risse, losgelöste Betonstücke, freigelegte Eisenteile und fehlenden Brandschutz. Die gute Nachricht für alle: Trotzdem ist all die Jahre nie etwas passiert.

© SZ vom 27.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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