Haushaltsdebatte im Gemeinderat:Die 100-Millionen-Euro-Frage

Lesezeit: 3 min

Die Gemeinde verwaltet mittlerweile drei mal mehr Etat als noch vor zehn Jahren. (Symbolbild) (Foto: dpa/dpa)

Vaterstetten stellt für 2019 einen Rekordhaushalt auf. Einige Gemeinderäte machen sich Sorgen um die Finanzierbarkeit und warnen vor einem zu schnellen Steigen der Ausgaben

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Das Durchbrechen der Schallmauer geht bekanntermaßen mit einem lauten Knall einher - im Vaterstettener Gemeinderat durchbrach man sie jetzt quasi mit Schalldämpfer. In der Haushaltsdebatte fiel zwar mehrmals das Wort "Schallmauer" - eine Anspielung darauf, dass die Gemeinde heuer erstmals einen Etat von mehr als 100 Millionen Euro und damit drei mal mehr als noch vor zehn Jahren verwaltet - von kleineren Spitzen abgesehen bemühten sich aber die Redner aller Fraktionen darum, möglichst keinen großen Knall zu produzieren.

Traditionell durfte natürlich auch heuer das Gemeindeschiff nicht fehlen, die Lieblingsmetapher des Dritten Bürgermeisters Günter Lenz (SPD). Dieser merkte an, das Gemeindeschiff werde heuer genauso teuer, wie die Gorch Fock, aber immerhin "ist es bisher nicht untergegangen". Eine bevorstehende Havarie befürchtet auch SPD-Fraktionssprecher Sepp Mittermeier nicht: Der Haushalt sei "aus unserer Sicht sehr solide, es gibt keinen Grund, etwas daran auszusetzen" - an anderen Dingen dagegen sehr wohl.

Mittermeier wiederholte seine schon öfter geäußerte Kritik an einer fehlenden Langfrist-Planung: "Wir schieben Projekte vor uns her und keiner weiß, wie es weitergehen soll." Explizit verwies Mittermeier auf den Neubau der Gemeindebücherei, die Zukunft der Wendelsteinschule und des Rathauses. Viel sei dazu im Gremium bereits beraten, einiges sogar beschlossen worden - passiert sei aber nichts. Mittermeier machte auch klar, wen er in der Verantwortung sieht: "In dieser Legislaturperiode wird nichts mehr passieren, wir hoffen auf einen neuen Gemeinderat - und auf einen neuen Bürgermeister."

SPD und FDP kritisieren, dass bei lange geplanten Projekten, wie einer neuen Gemeindebücherei nichts vorangehe. (Foto: matthiasdoering.com)

In die gleiche Kerbe schlug Renate Will (FDP), sie kritisierte die "Flickschusterei" wenn es um die Planung von Investitionen gehe. Die für sich genommen "alle sinnvoll" seien, genau wie der vorgelegte Haushaltsentwurf, "aber es fehlt das Gesamtkonzept, damit man weiß, wo wir mittelfristig hinwollen". Angesichts des hohen Gesamtvolumens mahnte Will das Gremium zur Ausgabendisziplin, auch und gerade bei den vielen kleinen Investitionen sei Zurückhaltung ratsam.

Herbert Uhl (FW) beantragte, gleich damit anzufangen. Er forderte, den Haushalt an die vom Gemeinderat 2010 beschlossene Finanzleitlinie anzupassen. Demnach dürfen etwa die Schulden minus Rücklagen nicht mehr als 17 Millionen Euro betragen, die Ausgaben dürfen im Vergleich zum Vorjahr immer ein Prozent weniger steigen, als die Einnahmen. Besonders auf letzteren Punkt lege er Wert, so Uhl, die Ausgaben müssten darum gekürzt werden. Was, wie Kämmerer Markus Porombka anmerkte, aber dazu führen werde, dass die Gemeinde noch einige Monate ohne gültigen Haushalt auskommen müsse. Auf einen solchen "Shutdown" wollte es die Mehrheit nicht ankommen lassen, gegen die Stimmen der Freien Wähler und der FBU wurde der Antrag abgelehnt.

Von den Grünen kam eine andere Idee, wie sich die Gemeinde viel Geld sparen könnte: Man solle einfach auf den Bau der Umfahrung Weißenfeld-Parsdorf verzichten, schlug Fraktionssprecher Axel Weingärtner vor. Derzeit wird kalkuliert, dass Vaterstetten abzüglich Zuschüsse und Beteiligung des Investors des Parsdorfer Gewerbegebietes noch mindestens neun Millionen für die neue Straße zahlen muss. "Das Geld, das wir da verbauen, wird uns fehlen", so Weingärtner. Er rechnet ohnehin damit, dass die Gemeinde lediglich den Parsdorfer Teil der Trasse, an dem sich der Investor mit 4,5 Millionen Euro beteiligen soll, bauen wird, "für Weißenfeld geht uns dann das Geld aus".

Ebenfalls ein finanzielles Risiko sei die unzureichende Planung für die Zukunft des Schulgrundstückes an der Gluckstraße. Die Schule soll in diesem Herbst in ihr neues Haus umziehen - dessen Bau mit insgesamt 45 Millionen Euro nicht unerheblich zum Überschreiten der Schallmauer beigetragen hat. Um die dafür nötigen Schulden wieder abzutragen, soll das dann ehemalige Schulareal verkauft werden. Weingärtner kritisierte, dass es dafür derzeit keinen konkreten Plan gebe, und warnte davor, ohne eine zügige Verwertung "bricht unsere gesamte Finanzplanung zusammen".

Die neue Grund- und Mittelschule am Vaterstettener Sportzentrum soll rund 45 Millionen Euro kosten. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Mehr Optimismus wagte Christl Mitterer (CSU): "Wir erzählen uns jedes Jahr dieselben Geschichten und jammern." Dabei sei die Lage eigentlich keine schlechte, auch wenn es gewisse Probleme gebe, wie etwa die schwachen Gewerbesteuereinnahmen. Dennoch schaffe es die Gemeinde, für ihre Bürger lebenswert zu sein, es gebe Zuschüsse für kulturelle Angebote, etwa die Rathauskonzerte oder VHS und Musikschule, jetzt und auch in Zukunft ein öffentliches Schwimmbad und eine Bücherei. "Das alles ist gut angelegtes Geld", so Mitterer.

Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) lobte zum Schluss noch seine Verwaltung für die gute Arbeit: "Je länger man im Amt ist, desto mehr Respekt bekommt man davor." Er verwahrte sich auch gegen den Vorwurf, es gehe nichts voran. Das Rathaus sei dank Brandschutzsanierung "wieder bewohnbar", die Tribüne am Sportstadion habe ein neues Dach bekommen und die Direktorin der Wendelsteinschule habe ihm versichert, nach Einbau der neuen Fenster "hält das Gebäude noch mindestens zehn Jahre." Beschlossen wurde der Haushalt mit den Stimmen von CSU, SPD und FDP. Grüne, Freie Wähler und FBU votierten dagegen.

© SZ vom 23.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: