Ebersberger Entertainer:Charmeur der alten Schule

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Als Operettenbuffo, Conférencier und Parodist trat er mit Showgrößen wie Freddy Quinn, Udo Jürgens und Roy Black auf. Und selbst nach mehr als 60 Jahren Bühne ist für Günter Schulzke noch lange nicht Schluss.

Von Michaela Pelz

Hoch sind die Erwartungen vor dem Treffen mit einem Mann, der sich selbst als "Lebenskünstler" beschreibt, zu seinen guten Bekannten neben Freddy Quinn auch Roy Black zählte, und sich die Bühne mit Showgrößen wie Udo Jürgens, Karel Gott, Harald Juhnke, Vicky Leandros, Cindy und Bert oder auch Florian Silbereisen teilte. Denn natürlich erhofft die Journalistin, das eine oder andere "G'schichterl" zu erfahren. Doch Indiskretionen, soviel sei vorausgeschickt, wird es nicht geben, denn Günter Schulzke ist ein Gentleman durch und durch, der über die Kollegen lieber vornehm schweigt, als dass er ihre Schwächen enthüllt. Doch auch ohne Skandalberichte hat er jede Menge amüsanter Anekdoten auf Lager, dieser Parodist, Conférencier, Entertainer und - Operettenbuffo.

"Das ist die Rolle des jugendlichen Liebhabers", erklärt der charmante 82-Jährige nach einer formvollendeten Verbeugung und ergänzt verschmitzt: "Der war ich früher; heute bin ich nur noch... - ach, suchen Sie es sich selbst aus." Humor hat er auf jeden Fall, dieser "Hamburger Jung", der seit 15 Jahren in Ebersberg ansässig ist, sowie nach wie vor eine beeindruckende Singstimme, wovon man sich bei der Begegnung bei Schulzke daheim mehrfach überzeugen kann. Kein Wunder also, dass er seinen Beruf, man möchte fast sogar sagen, seine Berufung, in diesem Metier gefunden hat. Was ihm, obwohl er aus einem musikalischen Haus kommt, ist doch der Vater selbst leidenschaftlicher Sänger und sehr guter Mandolinenspieler, nicht an der Wiege gesungen wird: Als Kind gibt er bei der Frage nach dem Berufswunsch "Koch" an. "Als Kriegskind wollte ich mich ein einziges Mal sattessen." Später beginnt Schulzke dann sogar eine Lehre in der Gastronomie.

Doch während ihn die Eltern dort, im renommierten Hotel Atlantic wähnen, nimmt der junge Mann nicht nur heimlich Gesangsstunden, sondern landet, nach einem ersten Engagement im Musical "Heimweh nach St. Pauli" mit Freddy Quinn, einen ganz großen Coup: Weil der Pförtner des Hamburger Operettenhauses den jungen Schulzke nun schon kennt, kann er sich jeden Tag in die Proben der Operette "Land des Lächelns" schleichen. Nach drei Wochen holt der neugierig gewordene Regisseur den Dauergast zum Vorsprechen auf die Bühne und ist sofort begeistert - vor allem von dessen komödiantischem Talent. "Ich habe damals seinen Anzug auf Bairisch kommentiert", erzählt der 82-Jährige. So kommt eins zum anderen und mündet in die Rolle des Graf Gustav von Pottenstein alias "Gustl".

Die Eltern sind noch immer völlig ahnungslos, als sie anlässlich der Premiere samt Sohn in der ersten Reihe Platz nehmen. Kein Wunder: Der Filius hatte erklärt, die drei Karten im Hotel geschenkt bekommen zu haben. Dann, im Operettenhaus, findet Schulzke einen Vorwand, um zu verschwinden und sich umzuziehen. "Das komplette Ensemble wusste Bescheid." Die Eltern sehen ihn erst wieder, als der Vorhang sich hebt. Beim Anblick seines Kindes auf der Bühne fließen beim Vater die Tränen. Als die Familie sich hinterher in der Garderobe trifft, gibt es erst einmal eine Ohrfeige ob der Täuschung - natürlich gefolgt von Umarmung und Lob.

Das heimst der Buffo dann auch von Publikum und Presse weitere zwei Jahre an der Seite von Dagmar Koller als Prinzessin Mi in Hamburg ein, bevor er ans Landestheater Detmold und später ans Pfalztheater Kaiserslautern wechselt. Dort kommt es 1966 zu einem Auftritt der besonderen Art: Hobbysportler Schulzke, sonst eher im Tennis- und Golfspiel zu Hause, gibt bei einem Benefizfußballspiel den Torwart. Angeführt wird der gegnerische Erste FCK von niemand anderem als dem legendären Fritz Walter.

Doch es ist eine andere Begegnung, fast vierzig Jahre später, die sich für den Sänger als lebensentscheidend erweisen wird.

Erst wirkt er noch in den Städtischen Bühnen von Freiburg und Augsburg, etwa bei "Hello Dolly!" mit Marika Rökk oder zusammen mit Rudolf Schock wieder einmal im "Land des Lächelns" als Gustl, seiner erklärten Lieblingsrolle. Macht sich dann einen Namen als Conférencier, Entertainer und Parodist. So hervorragend beherrscht Schulzke diese Kunst auch heute noch, dass man bei "Ganz in Weiß..." tatsächlich glaubt, Roy Black säße einem gegenüber. Mit dem Schlagersänger übrigens versteht sich der Hamburger sehr gut - "er hat mich überhaupt erst auf die Idee mit der Parodie gebracht" - er gibt ihm sogar Tipps bei Stimmbandproblemen.

Zwanzig weitere Schlagerstars kann Schulzke täuschend echt imitieren, ist mit diesen und anderen bei Bühnenshows und im Fernsehen zu sehen, bereist bei Engagements auf der MS Europa die Welt. 1999 dann der Ritterschlag: Bundespräsident Roman Herzog will den Unterhaltungskünstler als Moderator seiner Verabschiedung, schickt später gar ein Dankschreiben.

Doch auch das ist nichts gegen jenes schicksalhafte Treffen im Jahr 2005: Bei einer Zugfahrt ergibt sich ein Gespräch mit Adelheid Dürrer, Führungskraft im Personalwesen eines Dienstleiters in der Automobilindustrie. Schulzke lädt die Speisewagen-Bekanntschaft zu seinem Auftritt in Augsburg ein. Drei Tage später sitzt sie dort in der ersten Reihe - und schaut nicht ein einziges Mal auf die Bühne, wo er moderiert und parodiert. "Entschuldigen Sie mal, hat es Ihnen denn nicht gefallen?" fragt der Frauenschwarm fassungslos und leicht empört am Ende der Show. "Nein", lautet die Antwort. Der Grund: Dürrer ist Rammstein-Fan, kann mit Schlager nichts anfangen, erwägt sogar, in der Pause zu gehen. Offenbar kann sie sich der Ausstrahlung des Sonnyboys aus dem Norden aber dann doch nicht entziehen. Und auch er findet die erfolgreiche Kauffrau, die kein Hehl aus ihrer Meinung macht, faszinierend. 2006 zieht er zu ihr nach Ebersberg. Und nicht nur das: Einige Jahre später gründet Dürrer ein Konzertbüro, gemeinsam organisieren sie Operngalas und Operettenkonzerte, vermitteln auch ausgefallene Acts wie Sandmalerei nach Tölz, Bad Wörishofen, oder in die Augsburger Kongresshalle. Knapp zwanzig Veranstaltungen sind das im Jahr - "man darf nicht stehen bleiben." Auch der Benefizgedanke kommt dabei nicht zu kurz: Beim beliebten Neujahrskonzert in Grafing wird stets die Kinderkrebshilfe Ebersberg bedacht.

"Ein reiches Leben" nennt der 82-jährige Günter Schulzke seinen bisherigen Werdegang. Und ganz sicher hat dieser Charmeur der alten Schule seinerseits den Alltag vieler Menschen bereichert. Den klangvollen Tenor seiner Stimme hat man jedenfalls noch lange im Ohr, wie er einen Text schmettert, der so perfekt zu diesem Mann passt wie seine Auftrittsgarderobe, der Frack: "Meine Damen, meine Damen, seh'n Sie mich mal an..."

"Kultursommer" in Grafing: am Samstag, 14. August, um 20 Uhr, Open-Air-Bühne im Schledererhof (vor der Caritas). Operettenabend "In mir klingt ein Lied" mit Günter Schulzke, Adam Sanchez (Tenor), Elisabeth Artmeier (Sopran) und Timm Tzschaschel (Klavier). Karten gibt es online unter www.stadthalle-grafing.de oder an den bekannten Vorverkaufsstellen. Für jedes Ticket entrichten Adelheid Dürrer und Günter Schulzke eine freiwillige Spende in Höhe von einem Euro an die Kinderkrebshilfe Ebersberg.

© SZ vom 11.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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