Grafinger Stadthalle:Abriss wird wahrscheinlicher

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Im Durchschnitt werden bei vergleichbaren kommunalen Gebäuden effektiv 66 bis 72 Prozent der Gesamtfläche genutzt, die Grafinger Stadthalle liegt bei etwa 40 Prozent. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Grafing muss bis Ende des Jahres entscheiden, ob die alte Halle saniert oder durch einen Neubau ersetzt wird. In der Stadtratssitzung am Dienstagabend ließ sich eine Tendenz erkennen.

Von Korbinian Eisenberger, Grafing

Am Ende der Sitzung bekam einer das Wort erteilt, der gar nicht im Stadtrat sitzt: Sebastian Schlagenhaufer, der Leiter der Grafinger Stadthalle und quasi der Hauptbeteiligte, wenn es um die Zukunft des Gebäudes geht. Und Schlagenhaufer äußerte sich deutlich. Es gebe "viele Dinge, die könnte man in einer neuen Halle besser lösen", sagte Schlagenhaufer. Er wünsche sich bei Überlegungen zur Stadthalle, einen neuen Weg zu gehen. Oder anders gesagt: "Bitte machma's neu."

Schlagenhaufer hat kein Stimmrecht im Grafinger Stadtrat, und doch dürfte seine Sicht der Dinge dort durchaus ins Gewicht fallen. Denn seit Dienstag ist bekannt: Noch dieses Jahr wird eine Entscheidung über die Zukunft der alten Grafinger Stadthalle fallen. Wegen der Mängel im Gebäude hat das Landratsamt der Stadt eine Frist gesetzt, die für die Halle zur Deadline werden könnte. Bis 31. Dezember erwartet die Behörde einen Lösungsweg aus Grafing. Der Stadtrat hat also noch fünf Monate Zeit, um die Kernfrage zu klären: Instand halten? Oder abreißen und neu bauen?

Die Stadthalle ist in Grafing ein durchaus emotional besetztes Thema, allein schon, weil das Gebäude seit 33 Jahren das Stadtbild prägt. Über die optische Ästhetik der Stadthalle gibt es allerlei Ansichten, bei der Funktionalität hingegen verfestigte sich zuletzt ein eher ungünstiges Bild. Der für die Bestandsaufnahme beauftragte Architekt Klaus Beslmüller drückte es in Zahlen aus: Im Schnitt werden bei Stadt- oder Gemeindehallen zwischen 66 und 72 Prozent der Flächen genutzt, die Grafinger Stadthalle liege hingegen nur bei etwa 40 Prozent. Hinzu kommt, dass die Stadt nun eine große Summe investieren müsste, um die Halle wie bisher nutzen zu dürfen.

Wie geht es weiter? Beslmüller skizzierte mehrere mögliche Varianten. Zum Erhalt der Stadthalle müsste Grafing mindestens eine Million Euro investieren, um Mängel zu beseitigen: Es geht um die Erneuerung des Brandschutzes an den Lüftungsanlagen für den großen Saal und das Foyer sowie in den Umkleideräumen der Künstler. Dies sind die Mindestanforderungen, ansonsten lässt das Landratsamt die Halle schließen. Soll auch die Küche weiter genutzt werden, muss dort die Lüftung erneuert werden, dann würden die Kosten auf 1,6 Millionen anwachsen. "Ohne dass man davon in der Halle was spürt oder sieht", so Beslmüller.

Bis zu acht Millionen Euro fallen bei einer aufwendigen Sanierung an

Um die Halle besser nutzbar zu machen, müsste die Stadt jedoch noch deutlich mehr investieren. Denkbar wäre etwa eine Sanierung des praktisch ungenutzten Dachgeschosses, wo dann Events für bis zu 200 Personen möglich wären (ohne danach wie bisher die ganze Stadthalle putzen zu müssen, auch das kostet). Notwendig wäre wohl auch eine Erneuerung der Lüftung im Versammlungsraum, ein Neubau von Treppe und Aufzug und die Sanierung der WC-Anlagen. Alles miteingerechnet kommt Beslmüller nun auf eine Summer von 5,4 Millionen Euro. Bei einer sogenannten Teilgeneralsanierung würden gar um die acht Millionen Euro anfallen.

Die Alternative wäre ein Neubau nach modernen Standards, auch hier stellte der Architekt drei denkbare Lösungen vor. Die günstigste Variante: eine Mehrzweckhalle mit einfacher Ausstattung und einer Gesamtnutzungsfläche von 950 Quadratmetern, also deutlich kleiner als die jetzige Stadthalle, jedoch mit einem unwesentlich kleineren Hauptsaal. Kostenpunkt für den Neubau inklusive Abriss der alten Halle: 3,5 Millionen Euro, so Beslmüller. Variante zwei: ein Gebäude mit einer Gesamtfläche von 1350 Quadratmetern von "mittlerem bis hohem Standard", hier wäre der Hauptsaal so groß wie bisher. Inklusive Abriss würden hier 5,4 bis sechs Millionen Euro anfallen. Die teuerste Variante käme in der Kalkulation von Beslmüller inklusive Abriss auf 12,2 bis 13,6 Millionen Euro: eine Halle mit der Gesamtfläche von 3200 Quadratmetern, also wie bisher, allerdings mit nun "mittlerem bis hohem Standard".

Es war ein Sachstandsbericht - ohne Beschluss, dafür mit Debatte: Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) sagte, dass sie die Reparaturkosten bisher deutlich geringer eingeschätzt habe. Die Stadträte Karl-Heinz Fröhlich (Bündnis für Grafing) und Josef Rothmoser (CSU) erklärten, dass ihnen die Dimension von Zeit und Kosten neu sei. Wolfgang Huber (Grüne) sprach sich am deutlichsten für einen Abriss und Neubau aus: "Irgendwann zerlegt es auch die Leitungen im Sanitärbereich", prophezeite er. "Mit der jetzigen Stadthalle werden wir wirtschaftlich nicht glücklich." Stadtrat Christian Einhellig (Freie Wähler) sprach sich als Einziger explizit für den Erhalt der Stadthalle aus. Er ziehe die Variante mit Sanierung des Dachgeschosses vor: "Dann haben wir ein Haus mit einem großen und einem kleinen Saal."

Bevor die Stadthalle im Jahr 1986 errichtet wurde, stand dort ein Vorgängergebäude, die erste Grafinger Stadthalle. Damals entschied man sich zunächst für eine Renovierung. Während der Arbeiten kam es jedoch zu einem Umdenken: So wurde das alte Gebäude abgerissen und die jetzige Stadthalle neu gebaut.

© SZ vom 01.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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