Kommentar:Grafinger Stadthalle: Reißt die Hütte ab!

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Die Grafinger Stadthalle von Innen. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Natürlich hängen an der Grafinger Stadthalle schöne Erinnerungen. Doch wenn man die Emotionen beiseite lässt, kann es nur eine Entscheidung geben.

Kommentar von Korbinian Eisenberger

Die meisten Menschen müssen nie über die Zukunft einer Stadthalle entscheiden, fast jeder aber kennt den Trennungsschmerz von gewissen sachlichen Dingen. Zum Beispiel von einem elf Jahre alten Fiat Panda: Achse ausgeschlagen, Bremsscheiben durchgerostet, Loch im Kühlwassertank, Kolbenfresser. Die Entscheidung fällt dann trotzdem nicht ganz leicht, es geht bisweilen emotional zu, wenn das Gefährt über die Jahre zum Gefährten wurde. Sobald man jedoch das Rechnen anfängt, überwiegt die Ratio die Emotion und führt zu einer unausweichlichen Entscheidung: erst verabschieden, dann verschrotten.

Die Grafinger Stadthalle ist unter den kommunalen Gebäuden eher so etwas wie ein 30 Jahre alter Volvo-Kombi mit Dieselantrieb. Liebhaber sehen darin eine einmalige historische Ästhetik und verbinden das Objekt mit zahlreichen persönlichen Erinnerungen an große Momente - vom herrlich komischen Faschingsvarieté über diverse Tanzbälle und Vereinsabende bis hin zu Ausstellungen, Lesungen, Konzerten oder Kabarett. Einer der größten Auftritte war ganz sicher der von Gerhard Polt im Jahr 2017. Seitdem Sebastian Schlagenhaufer als künstlerischer Leiter die Geschicke des Hauses lenkt, ist das Programm ohnehin umfassender und ansprechender geworden.

Es lassen sich aber eben auch die weniger angenehmen Gemeinsamkeiten zum Diesel-Volvo finden: Die Grafinger Stadthalle ist sehr groß, sehr alt, und sehr, sehr teuer im Unterhalt. Im Stadtrat drückte die Verwaltung es in Zahlen so aus: Um das Haus weiter zu nutzen, müsste die Stadt mittelfristig nicht nur minimum eine Million Euro in die vom Landratsamt geforderte Sanierung der Lüftungsanlagen investieren, sondern wahrscheinlich noch viele Millionen mehr. Bei einem Preis von lediglich 3,5 Millionen Euro für eine komplett neue und dann moderne Mehrzweckhalle steht eine Sanierung - egal wie, wann und in welchem Ausmaß - also nicht im Verhältnis. Zumal bei den 3,5 Millionen Euro für den Neubau die Abbruchkosten der alten Halle bereits miteingerechnet sind.

Auch wenn so ein Neubauprojekt - wie im Prinzip immer - am Ende vermutlich doch teurer werden wird, und die Grafinger vermutlich eine ganze Zeit lang auf ihr neues Kultur-Wohnzimmer verzichten werden müssen, gibt es hier für alle Beteiligten nur eine vernünftige Lösung: verabschieden und verschrotten. Beziehungsweise abreißen, neu bauen - und Karten für die neue Stadthalle sichern, wenn Gerhard Polt das nächste Mal nach Grafing kommt.

© SZ vom 01.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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