Grafinger Stadthalle:Volles Risiko

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Die SPD-Initiative für eine neue Grafinger Stadthalle ist charmant, aber nur schwerlich finanzierbar. Das liegt auch daran, wie Rathaus und Stadtrat an anderen Stellen mit dem Geld umgehen.

Von Thorsten Rienth

Der Grafinger Stadtrat scheint gerade heimatlos. Erstmals seit Beginn der Pandemie tagte der Bauausschuss am Dienstag wieder im Rathaus, und zur anstehenden Stadtratssitzung lädt Bürgermeister Christian Bauer in die Mensa der Grundschule. Hintergrund ist, dass im Corona-Ausweichquartier Stadthalle nun größere Bauarbeiten anstehen: die sogenannte Minimalsanierung mit einer neuen Lüftungsanlage. Grafing ist zu dem Schritt mehr oder weniger gezwungen. Denn andernfalls würde das Ebersberger Landratsamt in die Halle wegen nicht erfüllter Brandschutzauflagen höchstens noch 200 Leute reinlassen - das halten alle Beteiligten allerdings zurecht für nicht mehr rentabel.

Genau in diese Zeit fällt nun ein bemerkenswerter SPD-Antrag: Er schlägt eine komplett neue Stadthalle vor, gebaut drüben auf dem Gelände des Wertstoffhofs, der dort, was in Grafing als unbestritten gilt, nicht ewig bleiben wird. Wenn man so will, steigt die SPD also unter Vollgas auf die Bremse und reißt das Lenkrad rum. Es ist ein Manöver mit vollem Risiko, das zwei Interpretationen zulässt. Die erste wäre, in dem Vorschlag eine Schnapsidee zu sehen: Da saniert eine Stadt für zweieinhalb Millionen Euro ihre Stadthalle - um am Ende gegenüber eine neue hinzustellen. Man könnte der SPD für ihren mutigen Schwenk aber auch eine gehörige Portion Respekt zollen. Weil sie eben nicht mehr stur an einer mittelmäßigen Lösung festhält, wo sich nun womöglich eine bessere auftut. Der damalige Sanierungsbeschluss war nämlich von deutlich niedrigen Kosten ausgegangen. Seit den Preissteigerungen um 80 Prozent, die im Herbst bekannt wurden, und angesichts der absehbar zahlreichen Stadthallen-Baustellen ist es aber durchaus plausibel, dass ein Neubau auf lange Sicht wohl günstiger käme.

Allein: Grafing hat das Geld nicht, um realistische Neubaukosten von fünf, sechs Millionen Euro binnen zwei, drei Jahren schultern zu können. Das liegt auch daran, wie Rathaus und Stadtrat an anderen Stellen mit dem Geld umgehen. Gerade erst wurde ein Finanzplan verabschiedet, der binnen vier Haushaltsjahren über 15 Millionen Euro an Neukrediten aufnimmt. Der Plan bedeutet in etwa eine Verdopplung des städtischen Schuldenstands in diesem Zeitraum. Deswegen scheint die Stadt geradezu verdammt dazu, ihre Halle in Kleinsanierungen von jeweils ein paar hunderttausend Euro auf Vordermann zu bringen. Sukzessive - und wahrscheinlich über Jahrzehnte hinweg.

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