Spenden für griechische Flutopfer:"Man besorgt sich Gummistiefel und fängt an zu schippen"

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Am Morgen nach dem großen Regen: In Milina sind Autos einfach weggespült worden. (Foto: privat)

Der Grafinger Jazzmusiker Josef Ametsbichler hat den Regensturm Daniel auf der griechischen Halbinsel Pilion erlebt. Jetzt will er den Menschen dort helfen, die Hab und Gut verloren haben.

Von Alexandra Leuthner, Grafing

Die Wetterdienste hatten die Katastrophe angekündigt, doch was der Musiker Josef "Sepp" Ametsbichler, Chef der EBE-Jazz-Bigband, vor drei Wochen auf der Halbinsel Pilion erlebt hat, das ging über jede Vorstellungskraft hinaus. Mitten in Griechenland, wo man eigentlich um diese Jahreszeit nichts als Sonne, Hitze und zirpende Zikaden erwartet, schüttete es wie aus Kübeln. Vier Tage lang hatte sich das Sturmtief Daniel hier festgesetzt, bis es nach Libyen weiterzog und dort bekanntermaßen Tausende das Leben kostete. Nun hat sich Sturmtief Elias über Griechenland festgesetzt und erneut Pilion getroffen.

Ametsbichler, der oberhalb des Städtchens Milina ein kleines Häuschen besitzt, war Anfang September schon im Unwetter angekommen, erzählt er, "Ströme von Regen waren das". Seit Jahren besuche er die Halbinsel, die südlich von Thessaloniki ins ägäische Meer hineinragt. Kleine verträumte Buchten, grünes Hinterland, kaum Touristen. Ametsbichler hat viele Freunde dort.

Die Bergstraße könne unpassierbar werden, hatte er befürchtet

So kennt er sich gut aus, auch mit dem Wetter. Als also der Regen nicht aufhören wollte, sei er ins Dorf hinunter gefahren, um nach seinem Boot zu sehen, das dort liegt, die Bergstraße könne unpassierbar werden, habe er befürchtet. Wie schlimm es tatsächlich wurde, habe er sich aber nicht vorstellen können, dass in weniger als 24 Stunden 700 Liter Wasser auf den Quadratmeter herniedergehen würden.

Sepp Ametsbichler ist seit Jahren im Dienste des Jazz unterwegs, jetzt will er Spenden für den von der Flut zerstörten Ort Milina in Mittelgriechenland sammeln. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Das ging so brachial los, ich hab das Boot, das nur ein paar Meter vom Ufer entfernt war, nicht mehr gesehen", - und das, obwohl die Nacht von Gewittern hell erleuchtet war. "10 200 Blitze waren das in dieser Nacht", erzählt Ametsbichler, "der Himmel war nie dunkel." An Schlaf sei für ihn überhaupt nicht zu denken gewesen, auch nicht daran, in sein Haus zurückzukehren. Der Grafinger mietete sich also in einem Hotel in Milina ein, wo er die Nacht auf Dienstag verbrachte - und die eigentliche Katastrophe, die den Ort traf, vor lauter Erschöpfung verschlief, weil zu seinem Glück ausgerechnet dieses Hotel weitgehend verschont blieb.

Das große Aufräumen nach dem großen Regen von Anfang September ist noch längst nicht vorbei, nun ist die Halbinsel Pilion schon wieder von einem Regentief heimgesucht worden. (Foto: privat)

Zwischen drei und acht Uhr "kamen die Wassermassen". Aus dem Taleinschnitt, an dessen Ausgang der Ort liegt, sei das Wasser hervorgeschossen, habe die Ränder eines sonst 20 bis 25 Meter breiten Flussbetts überflutet und sei auf 200 Meter Breite angeschwollen. "Alles was dem Wasser in den Weg kam, wurde mitgerissen. Dicke Baumstämme, wie Streichhölzer abgeknickt, Autos wurden herumgewirbelt." In der Früh habe sein Auto als einziges noch vor dem Hotel gestanden, erzählt Ametsbichler, "20 Meter entfernt lagen gleich drei Autos übereinander." Je nachdem, wo sich das Wasser seinen Weg gesucht hatte, hatte man Glück oder nicht. "Wir sind alle froh, dass wir überlebt haben. Wenn du da zur falschen Zeit unterwegs warst ...", er beendet den Satz nicht. Ein Österreicher, der in Milina Urlaub gemacht hatte, hatte dieses Glück nicht. "Es hat ihn mit seinem Auto weggerissen. Sie haben ihn erst Tage später gefunden."

Aus den Bergen kam das Wasser heruntergeschossen und hat alles mitgerissen, was ihm in den Weg kam. (Foto: privat)

15 Menschen hat die Regenkatastrophe in Mittelgriechenland das Leben gekostet, Tausenden die Existenz geraubt, auch in Milina, wo Sepp Ametsbichler jetzt mit einer Spendenaktion helfen möchte. "Bei dem Anblick in der Früh, da würde man am liebsten losheulen. Doch das tut man nicht, weil man so geschockt ist. Stattdessen besorgt man sich Gummistiefel und fängt an zu schippen."

Einen dreiviertel Meter hoch habe der Schlamm in vielen Häusern gestanden, Möbel, die vom eindringenden Wasser durch die Zimmer gewirbelt wurden, seien mit den Wänden nach außen gedrückt, Brücken weggerissen worden. "Ein Olivenhain, der vorher noch da war, den gibt's einfach nicht mehr." Man kann sich die Zerstörung vorstellen, kennt die Bilder aus dem Ahrtal, kaum zu ermessen ist aber, dass die Regenmenge, die in Griechenland niederging, noch siebenmal größer war als jene vor zwei Jahren an der Ahr.

Auch ein Feuerwehrfahrzeug, das Sepp Ametsbichler fotografiert hat, musste erst wieder einsatzfähig gemacht werden. (Foto: privat)

Nun will Ametsbichler die Menschen in Milina mit einer Spendenaktion unterstützen, die der dortige Pfarrer Papa Stelios koordiniert. "Er ist seit 25 Jahren im Ort, ein ganz toller Mensch, der immer da ist, wenn Hilfe gebraucht wird", schwärmt der Musiker.

Wer spenden möchte, kann dies mit dem Verwendungszweck "Help Milina Josef" unter folgenden Kontodaten tun: Tsirempolos Stylianos, Iban: GR5502 6022 4000 0750 2001 6537 8, Bic: ERBKGRAA.

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