Kunst aus dem Landkreis:Porträt eines vielschichtigen Versöhners

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Am Wochenende ist die Sonderausstellung von Robert M. Weber im Museum der Stadt Grafing zu sehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Stadt Grafing ehrt ihren Künstler Robert M. Weber mit einer spannenden Doppelschau: Das Museum dokumentiert seine sakralen Gestaltungen, im Atelier sind freie Arbeiten zu sehen.

Von Anja Blum, Grafing

Wer schon mal ein altes Haus umgebaut, also seinen eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen angepasst hat, weiß, wie viele Hindernisse auf diesem Weg lauern. Das Bestehende gibt ja den Rahmen vor, vieles ist unverhandelbar, manches hingegen machbar. Nur wenn man Ideenreichtum und viel Geschick beweist, kann hier eine Symbiose aus historischem Charme und modernen Akzenten gelingen. Einen wahren Meister dieses Fachs stellt nun das Museum der Stadt Grafing vor: Robert M. Weber. Der Universalist hat sich auf sakrale Kunst spezialisiert, hat unzählige Kirchen in ganz Deutschland umgestaltet. Eine Aufgabe also, bei der neben Kreativität vor allem Fingerspitzengefühl gefragt ist, schließlich handelt es sich hier nicht um irgendwelche Bauten, sondern um Heiligtümer mit teils jahrhundertelanger Tradition. Kirche, Denkmalschutz - man mag sich das jahrelange Ringen um Lösungen gar nicht vorstellen.

Für diese Premiere hat der Künstler zurückgeblickt auf mehr als 30 Jahre selbständiges Schaffen

Ein Engel - à la Robert Weber. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Einen Raum im Raum hat Weber für diese Kapelle ersonnen und gebaut. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach Günther Ettenhuber und Fritz Brosig ist Weber erst der dritte lebende Künstler aus Grafing, den Museumsleiter Bernhard Schäfer für eine Einzelschau ausgewählt hat. Eine Ehre freilich - die bei dem Bildhauer allerdings auch auf eine gewisse Skepsis stieß: "Er hatte Angst, in die Vitrine gestellt zu werden", erzählt Schäfer und lacht. "Dabei bin ich ja noch ziemlich am Leben", ergänzt Weber, Jahrgang 1958 und nach wie vor aktiver Künstler. Trotzdem hat er es offensichtlich sehr genossen, einmal zurückzublicken auf mehr als 30 Jahre selbstständiges Schaffen, Lager und Archiv zu durchforsten und dabei selbst die ein oder andere Überraschung zu erleben. "Da öffnet man irgendeine eine Kiste, und was kommt zum Vorschein? Eine längst vergessene Arbeit."

Robert M. Weber wurde 1958 in München geboren, wo er die Fachoberschule für Gestaltung besuchte. Anschließend ließ er sich bei den Kunstschreinern Georg Braun und Ernst Bauer in Grafing zum Gesellen ausbilden, bevor er an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Hans Ladner Bildhauerei studierte. Seit 1988 ist Weber als freiberuflicher Künstler tätig. Zunächst wohnte und arbeitete er im Schloss Hirschbichl bei Emmering, 1995 übersiedelte er nach Grafing, wo er sein Atelier zunächst in der Grandauerstraße einrichtete, ehe er mit diesem 2005 in den Gewerbehof an der Griesstraße umzog.

Dort nämlich, in einem Industriedenkmal, hat Weber ausreichend Platz, um seine teils riesigen Werke zu erschaffen und all sein Material, seine Entwürfe, Modelle und Arbeiten zu lagern. Und das Besondere an der aktuellen Schau des Stadtmuseums ist: Sie integriert auch das Atelier. Es sind also zwei Ausstellungen an zwei Orten, die gemeinsam einen Querschnitt bieten durch das vielfältige Schaffen Webers - was nicht nur für das Publikum, sondern auch für den Künstler selbst eine Premiere ist. "Das alles zu gestalten war echt spannend", und er habe dabei von Schäfer sehr viel gelernt über museale Präsentation. "Bilder, Räume, Objekte" ist die Doppelschau überschrieben, und sie gewährt damit einen guten Einblick in das reiche Oeuvre des Webers, das sich mit den Worten "sakrales Gestalten - schöpferisches Entfalten" umreißen lässt.

Weber hat Gotteshäuser aus den vergangenen vier Jahrhunderten in die Gegenwart geholt

So sah ein Altarraum in Berlin aus, bevor ihn Weber umgestaltete... (Foto: Veranstalter)
... und das ist das Ergebnis. (Foto: Veranstalter)

Im Museum sind anhand von Zeichnungen, Modellen und Fotos hauptsächlich Dokumentationen von sakralen Gestaltungen zu sehen. Weber hat Gotteshäuser aus den vergangenen vier Jahrhunderten in die Gegenwart geholt, aber auch ganz neue Kirchenräume geschaffen. Seine Arbeiten reichen von sakralen Gerätschaften (Vasa Sacra wie Kreuze, Kerzenständer, Hostienschalen oder Kelche) über liturgische Einrichtungen (wie Altar, Ambo oder Gestühl) bis hin zu Kunst am Bau wie Fenster oder Wandgestaltungen. Weber hat meterhohe Werke erschaffen, Räume in Räume gebaut und sogar Orgeln entworfen. Nur etwa 16 Prozent seiner Aufträge der vergangenen 30 Jahre hätten Eingang finden können ins Museum, erklärt er. "Und da eine Auswahl zu treffen, war verdammt schwer."

Seine Modelle baut Weber stets aus Holz, seine Entwürfe haben zahlreiche Wettbewerbe gewonnen. Bei den Originalen dann bespielt er die ganze Klaviatur der Textur: Neben Holz kommen hier Metall, Stein, Glas, Beton, Aluminium und anderes mehr zum Einsatz. Einige Dokumentationen im Museum vermitteln einen lebhaften Eindruck von Webers intensiven Schaffensprozessen, indem sie das "Vorher" und "Nachher" einander gegenüberstellen. Und indem sie die Materialschlachten zeigen, die es manches Mal braucht, bis ein Kirchenschiff in neuem Glanz erstrahlt. Drei Tonnen Stahl und sechs Tonnen Beton zum Beispiel verschlang ein Relief, das nun trotz seiner Größe ganz lässig einen Altarraum füllt. Wichtig ist Weber dabei, dass viele seiner Werke nur in Zusammenarbeit mit herausragenden Künstlern und Handwerkern hätten entstehen können, geehrt werden sie auf einer langen Tafel mit "Referenzen".

Besonders viele Anfragen erhält Weber wegen seines modernen Kreuzwegs, gezeichnet und geätzt in mundgeblasenes Glas. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Gerne arbeitet Weber mit Enkaustik, also Wachs, etwa um religiöse Motive zu abstrahieren. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Auch meterhohe Wände - hier ein Modell - gestaltet Weber, um sakralen Räumen ein zeitgemäßes Antlitz zu verschaffen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schäfer schreibt in seiner Ankündigung: Die Ausstellung lasse "erkennen, wie es Robert M. Weber immer wieder gelingt, im Dialog mit dem Bestand die Aufgabe nachkonziliarer Gestaltung mit gegenwärtiger Formensprache zu lösen". Immer sind es Reduktion, Farbe und Licht, klare Blickachsen und abstrahierte Gestaltungen, mit denen seine Arbeiten überzeugen. So manchem Traditionalisten mag das zu modern sein, Weber selbst indes versteht sich mitnichten als Provokateur. Mutig, ja, und auch spielerisch gehe er stets an seine sakralen Aufträge heran, das Ziel aber sei immer eine harmonische Gestaltung, eine Versöhnung von alt und neu.

Es gibt Malerei zu sehen und diverse Objekte, Geschnitztes, Geritztes, Gedrucktes und Modelliertes

Robert M. Weber ist indes nicht nur auf dem weiten Feld der angewandten Kunst zu Hause, sondern findet daneben auch noch die Zeit und Muße, seinen freien Ideen und Inspirationen sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Dies offenbaren ausgesuchte Arbeiten, die der Grafinger nun parallel zur Schau im Museum in seinem Atelier zeigt. Auch hier springt sofort die Vielfalt des Universalisten ins Auge. Es gibt Malerei zu sehen und diverse Objekte, Geschnitztes, Geritztes, Gedrucktes und Modelliertes. Und auch hier geht es wie beim Sakralen um Mensch und Raum, um Verinnerlichung.

Auch bei seinen freien Arbeiten spielt der Grafinger gerne mit Licht und Farbe. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Webers Werke springen den Betrachter nicht an, sie wollen vielmehr entdeckt werden, wollen Nähe herstellen. Die Motive sind oftmals wiederkehrende: Man sieht allerlei abstrahierte Köpfe oder schmale Boote in diversen Ausführungen. Vieles kommt aber auch komplett ungegenständlich daher, lässt sehr viel Raum für Interpretation. Die Gestaltung erscheint auf den ersten Blick oft grob, viele Oberflächen sind rau, unvollkommen, gar absichtlich aufgeschlitzt, denn Weber geht es um Narben, um die "Kerben das Lebens", mitnichten um Perfektion. Trotzdem liegt in dieser spirituellen Suche nach dem Inneren, der Seele jeden Seins, große Poesie.

Schlicht und doch ganz groß: Webers Holzboote. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Robert Webers sakrale Auftragsarbeiten und seine freie Kunst ergänzen sich also nicht nur, sondern stehen in enger Beziehung zueinander. Es sind zwar zwei Welten, aber die beiden Seiten nur einer Person.

Robert M. Weber "Bilder, Räume, Objekte", Ausstellung im Museum der Stadt Grafing und im Atelier Weber, Eröffnung am Samstag, 14. Mai, um 16 Uhr und um 18 Uhr. Öffnungszeiten: im Museum sonntags 14 bis 16 Uhr und donnerstags 18 bis 20 Uhr (bis 11. September); im Atelier freitags, samstags und sonntags 16 bis 20 Uhr (bis 29. Mai).

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