Gelungener Saisonauftakt:Vibrationen aus Down Under

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Chris Hopkins und die "Jazz Kangaroos" aus Australien verleihen dem Rathauskonzert in Grafing eine höchst lebendige Note.

Von Ulrich Pfaffenberger, Grafing

Gäste aus Australien, das lässt sich nach diesem Sonntagabend uneingeschränkt feststellen, beherrschen nicht nur ihre Instrumente. Sie verfügen auch über das Talent zum entwaffnend großzügigen Kompliment an die Gastgeber. So einen schönen Konzertraum wie den Großen Rathaussaal in Grafing mit seiner Balkenkonstruktion und den Lampen hätten sie auf ihrer ganzen Tour noch nicht gesehen, referierte Bandleader Chris Hopkins die freundlichen Worte der Kangaroos David Blenkhorn, Mark Elton und George Washingmachine, die er zum Konzert mitgebracht hat. Zum Glück übertrifft die Akustik des Raumes seine Optik um Längen, was den vier Jazzern einen warm-wohligen Sound und dem Publikum die gemütliche Wärme einer Lounge bescherte.

Die fein abgestimmte Kombination aus beidem schuf jene Stimmung, die man eigentlich am Freitagabend hat, im Sinne von: "Jetzt kann es Wochenende werden". Das lag zum einen an Titeln wie "The Blues in the Closet" von Oscar Peterson oder einem Duke Ellington-Medley, einfühlsam zusammengesetzt aus "Daydream", "Isfahan" und "Passion Flower". Das sind Melodien, die durch den Gehörgang gleiten wie ein Pure Malt durch den Gaumen und die Sehnsucht wecken, man könnte sich aus den Tönen eine Jacke weben, die alle Stürme und Widrigkeiten des Lebens sicher ab- und die Seele warmhält. Dieses Umhüllende, Schützende, Energiespendende ist eine der kostbarsten Eigenschaften von Jazz.

Das Quartett bietet vollendeten Musikgenuss jenseits aller Geschmacksfragen

Dazu braucht es allerdings auch Musiker, die ihr Handwerk so im Griff haben, dass es zur Kunst wird. Die souverän spielen, nicht routiniert. Die ihre Instrumente verehren, nicht nutzen. Die auch mal die Zeit haben, selbst einem Klang nachzuhören, wie er im Raum verklingt, bevor sie sich dem nächsten widmen. Man tritt dem Quartett um Hopkins daher nicht zu nahe, wenn man sie als "reif" bezeichnet, ihnen also jene innere und äußere Gefestigtheit attestiert, die jenseits aller Geschmacksfragen vollendeten Genuss von guter Musik hervorbringt - und sich damit nahtlos in das Konzept der Grafinger Rathauskonzerte einfügt, selbst wenn diese sich ansonsten meist der Klassik widmen.

Das Miteinander des Quartetts erweist sich als so spannungsreich wie die vier Jahreszeiten, von denen jede für sich ihren Charme hat, aber keine ohne die andere ihren Charakter ausprägen könnte. Da ist Mark Elton, der Mann am Bass. Seine Energie und Leidenschaft sprüht aus den Fingerspitzen beider Hände. Die eine gleitet zielstrebig über die Saiten, ohne Zögern, voller Zuversicht und generiert damit ein raumgreifendes Klangbild, dominant nicht nur in den Soli - und damit durchaus stilprägend für das Quartett. Die andere Hand zupft und schlägt nicht minder bewusst mal kräftig, mal sanft, mal führend, mal begleitend. Das macht nicht nur beim Zuhören Laune, sondern auch beim Mitspielen.

Der Bandleader kann seine Kangaroos ob ihrer Talente frei durch die Wildbahn laufen lassen

Das zeigt sich gerade beim zweiten Mann der Rhythmusgruppe, David Blenkenhorn, der seine Gitarre mitunter in vibrierende Dialoge mit dem Bass versetzt, denen man endlos zuhören möchte, so wie man mit dem Auge den Wellen und Strömungen eines Gebirgsbachs folgt, die sich ähnlich sein mögen, aber nie gleich sind. Es ist die hohe Schule der Gitarrenkunst, die Blenkenhorn zelebriert, streckenweise näher am Flamenco oder der Klassik als beim Jazz, aber stets ganz bei sich selbst. Einer wie er schmückt jede Band, in dieser hier ist er der Edelstein. So, wie er es gespielt hat, möchte man Cole Porters "You be so nice to come home to" immer und immer wieder hören, eben weil das Stück genau das ausstrahlt, was der Titel verspricht.

Ganz anders die frische, freche Linie, die George Washingmachine durchs Klangbild zieht. Auf den ersten Blick scheint er für den Gaudi-Anteil im Ensemble verantwortlich, aufs erste Hinhören für Tempo und die instrumentale Singstimme. Schnell und überzeugend aber macht er mit Geige und Bogen deutlich, dass es Swing gibt und Washingmachine-Swing. Der zeichnet sich dadurch aus, dass er den Schwung der Melodien nicht vorgibt, sondern auslöst - bei Mitspielern wie Zuhörern zugleich: Am Echo spürt man, ob einer nur mit Emotionen spielt, oder ob sein Spiel Emotionen hervorruft. Der Mann mit der Schiebermütze verfügt außerdem über eine klare, akzentuierte "Radio Voice", wie sie zu Urzeiten des Jazz bei Songs wie "100 years from today" schon den Unterschied machte, wie die Zuhörer die Botschaft aufnahmen.

Chris Hopkins am Klavier - und für einige Stücke auch am Saxofon - kann seine drei Kangaroos ob dieser Talente frei durch die Wildbahn laufen lassen. Er nutzt diese Gelegenheit dazu, seine Freude am Improvisieren auf den Tasten auszuleben. Dramaturgisch sorgfältig gesetzter Groove folgt da auf fugenähnliche Dynamiken, tanzbare Melodien wechseln sich ab mit treibenden Läufen, immer aber geht Hopkins mit Disziplin und Übersicht zur Sache, wenn Leadership gefragt und gefordert ist: der erste Diener seiner Band und gleichzeitig der unumstrittene Master zu sein, das bekommen wenige so überzeugend hin wie der gebürtige Amerikaner und Wahl-Bochumer. Vor allem nicht, dass ihr Anschlag dabei so locker und ihr Stil so flüssig bleibt. Dafür zu Recht leidenschaftlichen Applaus von den gut vier Dutzend im Saal, die den frischen Akzent im Programm erkennbar goutierten.

Die Rathauskonzerte des Grafinger Kulturvereins, jeweils sonntags um 19.30 Uhr: am 20. November um 19 Uhr "Voyager-Quartett", am 29. Januar Christian Jüttendonk, Violoncello, und das "Streicherensemble Movimento", am 5. März ein Streichsextett mit Yuki Kasai und Max Meis und am 7. Mai die Sopranistin Alexandra Steiner samt Streichquartett. Karten gibt es bei den Buchhandlungen Braeuer und Herzog sowie bei der Kanzlei Haenisch unter (08092) 310 25.

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