Weihnachten in Grafing:Der Grafinger Nikolaus ist jetzt in Rente

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Heinz Heider hängt seine rote Robe nach 60 Jahren im Nikolaus-Dienst endgültig in den Schrank. (Foto: Christian Endt)

Heinz Heider aus Grafing hört nach 60 Jahren auf. Statt den Kindern zu drohen, lobte er sie lieber

Interview von Thorsten Rienth, Grafing

60 Jahre lang schlüpfte der Grafinger Heinz Heider immer am 6. Dezember in den langen roten Mantel, zog den weißen Bart über und setzte die Bischofsmütze auf. Für Generationen von Grafinger Kindern wurde er so zum Inbegriff des Heiligen Nikolauses. Dieser Sonntag ist für Heider der erste Nikolaustag im selbst gewählten Ruhestand.

SZ: Herr Heider, normalerweise würden Sie um diese Zeit im Jahr ihr Nikolauskostüm zurecht legen.

Heinz Heider: Ja, so wäre das wahrscheinlich. Aber nach dem Nikolaustag im vergangenen Jahr habe ich mich selbst in die Rente geschickt, in die Nikolaus-Rente. Mittlerweile bin ich im 80. Lebensjahr. Da gehen die Dinge nicht mehr so einfach.

Wie kam es zu ihrem, nennen wir es aus Grafinger Wahrnehmung einmal so: Nebenberuf?

Das ist eine lustige Geschichte: Meine Mutter hatte in unserem Bekanntenkreis in den 1950ern den Nikolaus gespielt. Irgendwann sagte dann ein Kind: "Heute war aber die Nikoläusin da." Nachdem sie sozusagen erwischt worden war, hatte sie keine Lust mehr. Dann bin ich eingesprungen. Das hatte für mich einen ernsten Hintergrund: In der zweiten Klasse fragte der Lehrer einmal, bei wem der Nikolaus gewesen sei? Ich war einer der wenigen, zu dem er nicht gekommen ist. Leider! Diese Situation wollte ich anderen Kindern ersparen.

Hat sich in all den 60 Jahren etwas an der Reaktion der Kinder auf den Nikolaus geändert?

Ich gehöre eigentlich nicht zu denen, die die alten Zeiten schönreden. Aber natürlich: Anfang der 1960er Jahre waren Süßigkeiten eine sehr besondere Sache. Wenn der Nikolaus ein paar Plätzchen und Lebkuchen dabei hatte, dann herrschte bei den Kindern echte Freude. Vor ein paar Jahren haben mir Eltern einmal so viele Geschenke für die Kinder vorbeigebracht, dass der Knecht Ruprecht sogar den Sack abstellen musste, weil ihm der zu schwer wurde. Apropos Knecht Ruprecht: Vier von ihnen haben mich all die Jahre - und nicht zuletzt als Autofahrer - begleitet. Der letzte davon immerhin über 35 Jahre.

Welches Erlebnis hat sie am meisten gerührt?

Ach. Mich rührt es immer, wenn sich die Kinder freuen. Etwas ganz Besonderes war im vergangenen Jahr mein Abschiedsbesuch bei der Familie Wieser in der Bergstraße. Dort war ich vor 45 Jahren zum ersten Mal. Damals noch bei den vielen Kindern der Familie, später dann bei deren Kindern. Als ich mich dann im Dezember 2019 endgültig verabschiedet habe, bekam ich ein Fotobuch überreicht: Mit Bildern meiner 45 Jahre als Wieser-Nikolaus. Dass sie und viele andere Familien mir solange die Treue gehalten haben, dafür bin ich ehrlich dankbar. Schließlich haben sie meinen Besuchen immer einen sehr herzlichen Rahmen geschaffen.

Wie ist es nach 60 Jahren im Nikolauskostüm um die Identifikation mit der historischen Figur des Heiligen Nikolauses bestellt?

Der Kern, um den es an dem Tag geht, ist mir sehr wichtig: Barmherzigkeit, Hilfsbereitschaft, Güte. Als ich vor einiger Zeit einmal bei einer Familie im Flur stand, ist das Kind unter die Eckbank geflüchtet und hat sich nicht mehr herausgetraut. Ich möchte nicht wissen, was die Eltern dem Kind vorher vom Nikolaus erzählt haben. Dort ist doch gewaltig etwas falsch gelaufen! Ich finde, mit Lob anstelle von Drohungen kommt man bei Kindern viel weiter.

© SZ vom 05.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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