Grafinger Geschichte:Lieber tot als vergewaltigt

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Hat sich der Roten Armee entgegengestellt: Schwester M. Felicitas Ellmerer am Tag ihres 25-Jahr-Professjubiläums im Mai 1937. (Foto: Museum der Stadt Grafing/oh)

Schwester M. Felicitas Ellmerer wurde Ende des Zweiten Weltkriegs erschossen, weil sie sich und andere gegen die Rote Armee verteidigte. Nun soll die gebürtige Grafingerin seliggesprochen werden.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Ende März 1945 kennen die deutschen Wehrmachtsverbände östlich der polnischen Stadt Nysa, früher Neisse, nur eine Richtung: westwärts. Wo sie fliehen, stößt die Rote Armee nach - und quartiert sich vor Ort ein. Am 24. März, so hat es das Wrocławer Erzbistum in seinen Archiven recherchiert, kommen die sowjetischen Soldaten auch ins St.-Elisabeth-Haus in Nysa. Das Datum wird zum Todestag der in Grafing geborenen Schwester M. Felicitas Ellmerer. Sie starb, schreibt das Erzbistum, "in Notwehr und zur Verteidigung anderer". Am 11. Juni wird sie nun zusammen mit neun weiteren Ordensfrauen der Kongregation der Schwestern von der heiligen Elisabeth im Wrocławer Dom, damals Breslau, seliggesprochen.

Bei den "anderen", die Schwester Felicitas verteidigt hat, soll es sich den historischen Aufzeichnungen zufolge um deutlich jüngere Frauen gehandelt haben. Aus den Quellen wird aber nicht ganz klar, ob es dabei ausschließlich um andere Ordensfrauen ging, oder auch um Zivilistinnen, "die ihren Dienst in der Kranken- und Altenpflege verrichteten".

Als die Russen in das Haus eindrangen, waren die Schwestern nirgends vor Belästigungen sicher

In der 1969 veröffentlichten "Geschichte der Kongregation der Grauen Schwestern von der heiligen Elisabeth" schreibt Kurt Engelbert in einer auf Augenzeugenberichten fußenden Passage: "Als am 24. März die Russen eindrangen, waren die Schwestern und Kranken nirgends vor Belästigungen sicher. Keine Schwester durfte sich allein sehen lassen; aber auch, wenn sie im Refektorium beisammen waren, holten sich die Unholde ihre Opfer." In einer solchen Situation hatte sich demnach eine Schwester zwischen Soldaten und andere Frauen gestellt - stürzte aber von einem Gewehrkolben getroffen bewusstlos zu Boden.

Schwester Felicitas eilte ihr den Überlieferungen zufolge zu Hilfe. "Der Russe packte die Schwester und wollte sie hinausschleppen. Sie wusste aber, was ihr bevorstand und weigerte sich. Lieber wollte sie erschossen werden. Er gab einen Schreckschuss ab. Doch ganz mutig stellte sie sich an die Wand, breitete ihre Arme aus und rief mit lauter Stimme: 'Es lebe Christus, der Kö...!" Das Wort konnte sie nicht vollenden; denn ein Schuss traf sie, und sie sank zu Boden." Ihr Grab befindet sich im Klostergarten, zusammen mit weiteren in den Tagen um den 24. März ermordeten Ordensfrauen.

Die Grafinger Ordensfrau stammt aus einer tiefreligiösen Familie

Schwester Felicitas, das hat Stadtarchivar Bernhard Schäfer recherchiert, entstammt einer tiefreligiösen Familie. Geboren am 12. Mai 1889 im Grafinger Griesseiler-Anwesen als Anna Ellmerer wurde sie tags darauf in der Pfarrkirche in Öxing getauft. Ihre Eltern waren der Käser Christoph Ellmerer und dessen Ehefrau Maria. Beide stammten ursprünglich aus Westendorf aus Kitzbühl in Tirol und waren erst zwei Monate vor Annas Geburt mit ihren drei weiteren Kindern Christoph, Maria und Katharina nach Grafing gezogen. Dort übernahmen sie das Haus der verwitweten Schwester des Vaters. Mit diesem Lebenslauf gehört Schwester Felicitas zu den wenigen Ordensfrauen der Elisabethinnen, die nicht in Schlesien geboren wurden.

"Die Wut der sowjetischen Militärs gegen die Nonnen war Ausdruck ihres Hasses auf den Glauben und insbesondere auf die Katholiken", fasst das Wrocławer Erzbistum einige Einträge aus seinem Archiv zusammen. "Indoktriniert mit einer atheistischen und marxistischen Kultur, benutzten sie Vergewaltigung als Waffe der Demütigung gegenüber denjenigen, die das religiöse Gewand trugen. Keine der Nonnen wollte ihre Mission an der Seite der Menschen verlassen, da sie sich der Risiken bewusst waren, die sie eingingen. Die Gläubigen betrachteten sie sofort als Märtyrer."

Am Dienstag, 24. Mai, zeichnet Stadtarchivar Bernhard Schäfer das Leben der Ordensfrau auf Einladung des Pfarrverbands Grafing-Straußdorf nach. Beginn ist um 20 Uhr im katholischen Pfarrheim Grafing, Kirchenplatz 1. Der Eintritt ist frei.

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