Grafing:Erneut entwurzelt

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Sie fühlen sich in Grafing wohl, nehmen an Kursen teil und haben Freunde. Deshalb wollen die Bewohner der Container am Gymnasium nicht umziehen. (Foto: Christian Endt)

Flüchtlinge, die sich in Grafing gut eingelebt haben, müssen in die Traglufthalle nach Pliening umziehen

Von Carolin Fries, Grafing

Die Ankündigung des Landratsamtes, die Asylunterkunft am Gymnasium in Grafing aufzulösen, stößt bei Mitgliedern des örtlichen Helferkreises auf Unverständnis. Am Mittwochabend haben die 32 Afrikaner, die seit etwa einem Jahr die Container an der Schule bewohnen, von einem betreuenden Sozialpädagogen der Caritas erfahren, dass sie am kommenden Dienstag in die Traglufthalle nach Pliening verlegt werden sollen.

"Man hat den Bewohnern nichts erklärt, keine Gründe genannt und nur ein paar Tage Vorlauf gelassen", sagt Anna Weininger, die sich seit 2013 im Helferkreis engagiert. Viel bedauerlicher aber ist für sie: Das integrative Netzwerk, das sich die jungen Männer mühsam aufgebaut haben, wird mit einem Streich zerstört.

Das Landratsamt löst seit wenigen Wochen die Schulstandorte auf, wozu auch die Container an der Jahnstraße gehörten, wie Pressesprecherin Evelyn Schwaiger sagt. Zwar seien hier keine Turnhallen belegt, weshalb die Beeinträchtigung nicht groß sei. "Nur ein Teil des Sportplatzes kann nicht genutzt werden", sagt Schwaiger. Eine größere Rolle scheinen die Kosten zu spielen. "Die angemieteten Container für die Küchen und die Sanitäranlagen sind sehr teuer", sagt Schwaiger, die brandschutztechnischen Vorgaben obendrein nur schwer einzuhalten.

Die Container will man künftig anders nutzen

Zudem sei eine andere Nutzung für die Wohncontainer angedacht, die dem Landkreis gehören und die in der Vergangenheit schon als Klassenzimmer genutzt wurden. "Wichtige Gründe sprechen für die Auflösung", fasst Schwaiger zusammen. Ausnahmen für Einzelne gebe es nur bei Härtefällen, etwa wenn ein Arbeitsplatz von Pliening aus nicht mehr zu erreichen wäre.

Die dortige Traglufthalle hat Kapazitäten für 300 Bewohner, im Landratsamt hat man sich auf eine maximale Belegung mit 268 Personen verständigt. Aktuell leben hier 108 Menschen. Neben den jungen Männern aus Grafing soll demnächst auch ein Teil der Menschen dorthin umziehen, die momentan in der Turnhalle an der Ebersberger Realschule untergebracht sind. Mit der Fertigstellung einer weiteren großen Halle in Grub sollen schließlich in den kommenden Wochen die Hallen in Poing sowie die Ebersberger Halle komplett geräumt werden. Die Bewohner der Sporthalle in Markt Schwaben sollen in Einrichtungen außerhalb des Landkreises verlegt werden.

Die Bewohner reagieren verstört und wütend

"Für die Betroffenen ist es eine Katastrophe", sagt Lilli Kajnath, Leiterin des Grafinger Helferkreises. Zum einen wegen laufender Maßnahmen in Integrationskursen, Kursen an den Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft oder ehrenamtlich organisierten Deutsch- und Mathekursen. Viel schwerer wiege jedoch der Umstand, dass die Menschen, die bereits einmal aus dem sozialen Gefüge in ihrer Heimat herausgefallen sind, nun erneut diese Erfahrung machen müssen. "Es trifft sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel." Die Reaktionen auf den Umzug in ein neues "Camp" wie die Afrikaner ihre Unterkunft nennen, beschreibt sie als "teilweise fuchtig". "Oder sie sacken in sich zusammen."

Der Sinn eines Umzug von einer Notunterkunft in eine andere Notunterkunft erschließt sich ihnen nicht, sie erwarten überwiegend Verschlechterungen: Dort dürfen sie nicht mehr selber kochen, sondern werden von einem Caterer versorgt, das Essensgeld wird nicht mehr ausgezahlt. Vor allem aber: Anstatt sich mit knapp 30 Mitbewohnern auseinanderzusetzen, treffen sie auf mehr als das Dreifache an Personen.

Marco Capobianco, U9-Trainer beim TSV Grafing, hat eine Fußballmannschaft aufgebaut. An diesem Samstag bestreiten die "Black Bears" ihr zweites Punktspiel in einer Münchner Hobbyliga. Die Hälfte der Spieler soll am Dienstag nach Pliening umziehen. "Das macht mich traurig und wütend", sagt der 51-Jährige. Grafings Zweiter Bürgermeister Josef Rothmoser (CSU) sagt, die Stadt Grafing sei außen vor, Grundstück und Container gehörten dem Landkreis. "So bedauerlich das menschlich ist, es war von Anfang an klar, dass es keine Unterkunft auf Dauer ist."

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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