Die Bundesregierung ist gerade mächtig stolz auf ihr vor wenigen Wochen beschlossenes Planungsbeschleunigungsgesetz. Bestimmte Vorhaben von "überragendem öffentlichen Interesse" will sie künftig per Deutschland-Takt priorisiert anpacken, also deutlich schneller, als das Land bisher von sich gewohnt war. Der überraschend zügige Bau der Flüssiggas-Terminals (LNG) diente dabei als Blaupause gegen Regelungswut, Antragswust sowie Planungsstau. Vier Beispiele aus der jüngsten Grafinger Stadtratssitzung zeigen auf kuriose Art und Weise, warum eine ähnliche Initiative auch auf kommunaler Ebene höchst sinnvoll wäre.
Das "Movimento"-Zelt ist zu laut
Der Grafinger Stadtrat muss einen neuen Standort für das hinter dem Eisstadion aufgestellte Großzelt der Grafinger Artistik-Künstler "Movimento" finden. Grund seien, wie Bürgermeister Christian Bauer (CSU) in der Sitzung am Dienstagabend informierte, die an Ort und Stelle bereits von Eisstadion, Sportzentrum und Freibad ausgeschöpften Lärmkontingente. Es gilt die theoretische Schallemissionsberechnung laut Bundeslärmschutzverordnung. Deshalb darf "Movimento" in dem Zelt nur trainieren, nicht aber auftreten - was natürlich wenig Sinn macht. Das lässt sich wohl auch über die Lärmkontingente feststellen: Die nächste Wohnbebauung in Richtung Westen liegt etwa 300 Meter weg und hinter dem Wieshamer Bach. Selbst zum nächsten Haus "Am Stadion" bleiben noch etwas mehr als 200 Meter.
"Es wird doch, verflixt nochmal, irgendwo einen Beamten geben, der sich damit beschäftigt, wie man solche Regeln aushebeln kann", schimpfte CSU-Fraktionschef Max Graf von Rechberg. Zumindest bislang wurde dieser Beamte noch nicht gefunden. Aber immerhin wurden Stadt und Stadtrat bei der Standortsuche fündig - auf einer Freifläche an der Kapellenstraße.
Der Bolzplatz wurde zu früh eingeebnet
Schon vor längerem fiel im Stadtrat der Beschluss für einen Bolzplatz auf der Wiese westlich des Wertstoffhofs. Die grundsätzliche Baugenehmigung aus dem Landratsamt ließ nicht lange auf sich warten. Also legte die Stadt los. Weil sich der Boden als tendenziell abschüssig herausstellte, schüttete Grafing an einigen Stellen etwas Material auf.
Zumindest aus der Zeitperspektive hätte sie das besser sein lassen. Bei dem Areal handelt es sich nämlich um eine sogenannte Retentionsfläche. Im Hochwasserfall kann sie unter Wasser stehen. "Deshalb brauchen wir leider auch eine wasserrechtliche Genehmigung", erklärte der Rathauschef Bauer. Den Anpfiff dürfte diese Schleife wohl um ein halbes Jahr verzögern. Immerhin ist erstmal Winter. So gesehen haben Grafings Hobby-Fußballer nochmal Glück gehabt.
Der Unfallschwerpunkt bleibt
Schon wieder hat es kürzlich einen schweren Unfall an der Abzweigung von der Wasserburger in die Münchner Straße gegeben. Und einmal mehr war ein Fahrradfahrer beteiligt. Im Stadtrat begann deshalb die Diskussion, ob sich die unübersichtliche Stelle, zu der auch die Ein- und Ausfahrt eines Getränkemarkts gehört, nicht irgendwie entschärfen ließe. Bislang ist die durch eine Kurve verlaufende Münchner Straße (Staatsstraße) vorfahrtsberechtigt vor der geradeaus verlaufenden Wasserburger Straße (Ortsstraße).
Dass es andersherum intuitiv übersichtlicher wäre, dafür reicht auch Nicht-Verkehrsexperten ein kurzer Blick auf den Stadtplan. Nachvollziehbar also, dass sich einige Stadträte für genau diesen Wechsel aussprachen. Die Zeit für die Antragsstellung könne er seinen Kollegen im Rathaus in jedem Fall ersparen, ergo: Sie könnten Wichtigeres tun, versicherte der Bürgermeister. "Da gibt's einfach nichts dran zu rütteln." Staatsstraße sticht Ortsstraße, hierzulande ohne Wenn und Aber.
Das Warten auf die Aiblinger-Straßen-Ampel
Sie würde interessieren, wie es eigentlich aktuell um die geplante Ampel über die Aiblinger Straße (St2089) etwa auf Höhe des Klausenwegs stehe, fragte Ottilie Eberl. Der Übergang soll einen sicheren Fußweg vom Neubaugebiet "Aiblinger Anger" in den Grafinger Südosten - und ohne großen Nord-Umweg über die Kreuzung an der Glonner Straße - ermöglichen. Die Grünen-Stadträtin hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da kniff Bürgermeister Bauer schon die Lippen zusammen. Kein Wunder, seit fast drei Jahren hört er Eberls Frage regelmäßig. Immerhin konnte der Bürgermeister dieses Mal vergleichsweise Positives antworten. "Wir sind jetzt immerhin soweit, dass wir die Planer beauftragen können."
Der Hintergrund der Angelegenheit: Der Freistaat Bayern, dem die Staatsstraße gewissermaßen gehört, hält den Übergang für nicht zwingend nötig. Also bezahlt er die Ampel auch nicht. Die Stadt Grafing hatte eine Kostenübernahme angeboten, die, nach offenbar sehr gründlicher Prüfung, mittlerweile von den übergeordneten Behörden auch bewilligt wurde. Jetzt können die Planer loslegen. Erst wenn die fertig sind, kann auch die Baugenehmigung greifen. Bürgermeister Bauer seufzte nach der Sitzung: "Das zieht sich leider immer lang wie ein Kaugummi." Deutschland-Takt sieht jedenfalls anders aus.