Porträt zum Abschied:Segeltörn? Indien? Nein, eine Bücherstube!

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Catherina Slawik hat als Buchhändlerin in Grafing ihren Traum gelebt. Nun gibt die 74-Jährige den Laden ab - sie will noch hoch hinaus.

Von Michaela Pelz

Sport ist nachweislich gut für die Gesundheit, viele sagen sogar, er halte jung. Aber vielleicht hat auch das Lesen den gleichen Effekt? Wer in das praktisch faltenlose Gesicht von Catherina Slawik blickt, könnte zumindest auf diesen Gedanken kommen. Denn die Noch-Inhaberin der Grafinger "Bücherstube" wird, man möchte es fast nicht glauben, im März 75 Jahre alt - was auch der Grund dafür ist, dass sie ihren Laden nun, nach 36 Jahren, an die nächste Generation übergibt. Slawik nachfolgen wird die Biazza-Buchhandelsgruppe, ein Verbund aus Onlineplattform und Fachgeschäften. Wobei sich, darauf legt die kleine Frau mit dem Pagenkopf großen Wert, "für die Kunden nichts ändert. Das operative Geschäft bleibt in den Händen des bisherigen Teams".

Catherina Slawik verlässt ihre "Bücherstube" in Grafing nach vielen erfüllten Jahren. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gefragt nach ihren weiteren Plänen, hat Slawik gleich mehrere Antworten parat: "Mehr Zeit fürs Lesen und für Gespräche. Im Wald spazieren gehen. Oper- und Theaterbesuche, wenn das wieder möglich ist. Und endlich etwas tun, was ich schon seit vielen Jahren vorhabe, für das mir aber bisher immer die Zeit gefehlt hat: Ballonfahren!" Noch aber steht sie mit beiden Beinen fest auf dem Boden ihrer Bücherstube, reich bestückt mit Titeln aus jedem denkbaren Genre, Karten und Kalendern. Ganz besonders hängt Slawiks Herz an dem sorgfältig kuratierten Bilderbuchregal. Damit ein Werk dort landet, muss es "geschmacksbildend" sein. Sei es durch eine besondere Gestaltung, sei es als originelles Sachbuch, das zum Entdecken mit den Eltern einlädt und so idealerweise den Einstieg ins eigene Lesen erleichtert.

Am aktuellen Standort Eröffnung gefeiert hatte sie 2002. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Denn Menschen und Literatur zusammenzubringen ist Slawiks erklärtes Ziel. "Ich wollte immer Bücher empfehlen, die die Leser weiterbringen und ihnen Freude machen.", erklärt sie. "Spannende Geschichten in schöner Sprache" sollten in einer "Oase der Begegnung" auf die Kundschaft warten - das war bereits bei der Übernahme der allerersten, 40 Quadratmeter kleinen Grafinger Geschäftsräume die Idee. Zuvor hatte die damals 38-Jährige in dem ehemaligen Geschenkeladen mit "genau einem" Buchregal gejobbt. Mit dem Verkaufen kannte sich die gebürtige Bayreutherin nämlich aus, ihren Gesellenbrief als "Kaufmannsgehilfin" hatte sie im einst größten Schallplattengeschäft Oberfrankens erworben - obwohl es schon damals fast die Frankfurter Buchhändlerschule geworden wäre.

Besonders am Herzen liegt Slavik das Kinderbuchregal. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Musikalien-Branche blieb die junge Frau nach der Lehre zunächst treu, dem Ort nicht, denn als nächstes ging es nach München. In ein "Geschäft mit besonderen Platten" - unter anderem historischen Aufnahmen italienischer Musik - und daher oft sogar prominenten Kunden wie etwa Loriot. Parallel spielte die Tonkunst auch privat eine wichtige Rolle: "Meinen ersten Mann lernte ich über ein Tschaikowsky-Konzert kennen - ebenfalls in einem Plattenladen", verrät Slawik mit einem spitzbübischen Lächeln. Gemeinsam mit ihm zog sie, nach einem Intermezzo als Geschäftsführerin in ihrem früheren Ausbildungsbetrieb, in den hohen Norden, als der Elektroingenieur dort eine Stelle antrat. Nach vier Jahren als Leiterin der Klassikabteilung eines Kieler Schallplattengeschäfts fiel eine richtungsweisende Entscheidung: "Wir wollten den Hochseeschifferschein machen und die Welt mit einem eigenen Boot umsegeln", beginnt die Erzählung. Doch bei einer Testfahrt klemmte vor Kopenhagen das Segel, man konnte nicht in den Hafen einlaufen. Auch andere aufregende Erlebnisse gab es durch Sturm und Wellengang, "und wir sahen ein: Das ist nichts für uns". Stattdessen beschlossen die beiden, nach Indien zu reisen. Sie kauften einen alten Postbus, bemalten ihn, hängten selbstgeschneiderte Vorhänge auf und kündigten ihre Jobs. Aber auch das lief anders als geplant: "Bei einer Probefahrt nach Frankreich wurde mir ständig schlecht." Kein Wunder: Slawik war schwanger. Also lautete das Ziel nicht länger Asien, sondern Grafing - der Gatte hatte glücklicherweise in Eching eine neue Anstellung gefunden.

Man schrieb das Jahr 1978 - bis zur Eröffnung der "Bücherstube" sollten weitere sechs Jahre vergehen. "Ich wollte für mich und meine Kinder selbst sorgen können und gleichzeitig im Austausch mit anderen Menschen sein." 36 Jahre lang war das dann auch der Fall: Bestens gerüstet durch die von Anfang an besuchten Seminare und Weiterbildungsangebote des Fachverbands wirkte die Buchhändlerin Catherina Slawik in Grafing an insgesamt drei, jedes Mal größeren Standorten. Die Eröffnung des Ladens in der Jahnstraße mit seinen aktuell 105 Quadratmetern wurde 2002 mit einer großen Aktion für kleine Leute rund um den "Regenbogenfisch" gefeiert. Alle, die ein Bild zum Thema gemalt hatten, bekamen ein Fisch-Exemplar aus Stoff. Die Kunstwerke selbst wurden später im Schaufenster ausgestellt.

Immer schon spielten Kinder eine große Rolle für Slawik: "Das Vorlesen macht mir so viel Freude!" Von Anfang an engagierte sie sich beim Welttag des Buches, und zum Erscheinen eines Harry-Potter-Bandes 2003 warf sie sich sogar in ein Zauberergewand. Doch auch für Erwachsene war stets etwas geboten: Immer wieder gab es Buchvorstellungen aller Art und zum 25-jährigen Bestehen sogar ein "Wiener Café", bei dem Schauspieler Henner Quest aus entsprechenden Werken las - untermalt von einem Streichquartett. Ein Highlight war sicher auch die Veranstaltung mit Hanns-Josef Ortheil. "Zwei Jahre habe ich gebraucht, aber dann kam er", gibt Slawik stolz zu Protokoll. Aber auch regionale Autoren fanden in der Bücherstube immer eine Plattform. Einer davon ist der Straußdorfer Ballonpilot Josef "Bepperl" Höhl, dessen Bildband vielleicht sogar Inspiration war für die künftigen Pläne der Seniorin. Braucht es einen besseren Beweis für die These, dass Lesen jung hält?

© SZ vom 04.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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