Kreis Ebersberg:Was Schüler beim Thema Mobbing von Giraffen lernen

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Ein Schüler bei einer Anti-Mobbing-Aktion an der Mittelschule Markt Schwaben. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Auch im Landkreis Ebersberg werden immer wieder Mitschüler gehänselt. Die Verantwortlichen versuchen entgegenzusteuern - mit einer tierisch guten Strategie.

Von Christian Bauer, Ebersberg

Der Wolf benutzt seine spitzen Zähne, um zu verletzen. Nicht nur das, er gilt auch als Alpha-Tier, das aggressiv und dominant ist. Die Giraffe hingegen hat dank ihres langen Halses einen guten Überblick über jede Situation, ist sensibel und einfühlsam.

Diese schlichten Beobachtungen sind der Grundstein für das Konzept der "gewaltfreien Kommunikation" nach Marshall Rosenberg. Eben dieses Modell versucht die Sozialpädagogin Vanessa Klinger den Schülern an der Grafinger Grundschule nahezubringen. Man solle wie die Giraffe einen kühlen Kopf bewahren und auf die Gefühle anderer achten.

Es ist ein anschauliches Konzept, mit dem Ziel, den Kindern eine Kommunikation beizubringen, die nicht verletzend, sondern respektvoll, konstruktiv statt destruktiv ist. Nötig ist dies auf jeden Fall, denn allzu häufig arten Beleidigungen wie "Du bist blöd" oder "Doofian" in Mobbing aus.

Um Beispiele für Mobbing zu finden, muss man den Blick nicht in die Ferne richten. Der Landkreis Ebersberg bleibt davon nicht verschont. So antwortet Katrin Dung, Rektorin der Grundschule Pliening, auf die Frage, ob ihr Fälle von Mobbing bekannt seien, mit einem ehrlichen "Ja". Sie erklärt, dass sie von einer Gruppe von Schülern weiß, die auffallen, indem sie "sich ein oder zwei raussuchen, die schwächer sind", um diese zu ärgern.

Eng in Kontakt mit den Eltern der Beteiligten

Laut der Rektorin steht die Schule eng mit den Eltern der Beteiligten in Kontakt und ist bemüht, Aufklärungsarbeit zu leisten. Dungs Angaben zufolge stehen die betroffenen Kinder "sehr stark unter Kontrolle". Sie beobachtet das alarmierende Verhalten in erster Linie bei Viertklässlern, die den Druck, der durch den anstehenden Übertritt an eine weiterführende Schule entsteht, dann an den "jüngeren, schwächeren" Schülern auslassen.

Auch an der Dr.-Wintrich-Realschule Ebersberg wohnt man "nicht auf einer Insel der Glückseligen", so Christel Katterloher, Mitglied der Schulleitung. Ihrer Aussage nach führt man hier ebenfalls in vielfältiger Art und Weise den Kampf gegen Mobbing, sowohl in konkreten Fällen als auch präventiv.

Doch was genau kann man tun, um Mobbing im Keim zu ersticken? Zunächst einmal gilt es zu definieren, was Mobbing eigentlich ist. Kinder streiten sich, das ist normal. Die Frage ist: Wo endet Streit und wird zu etwas viel Schlimmerem?

Das Problem der Begrifflichkeit

Diesem Problem sieht sich auch Alexander Bär, Rektor der Grund- und Mittelschule Ebersberg, gegenüber: "Die Begrifflichkeit ist sehr schwierig." Mobbing steht seiner Ansicht nach für einen Vorgang, der sich über einen längeren Zeitraum hinzieht, und bei dem immer der gleiche Schüler die Opferrolle einnimmt. Echtes Mobbing komme glücklicherweise nur äußerst selten vor, so Bär weiter. Dennoch nehme man das Thema sehr ernst, und versuche den Schülern in mehreren Projekten wie "Klasse 2000" beizubringen, respektvoll miteinander umzugehen. Auch andere Schulen des Landkreises nehmen an dem Programm teil, so etwa die Grundschule Grafing.

An der Plieninger Schule definiert man den Begriff Mobbing strenger: Auch wenn man jemanden in der Pause permanent nicht mitspielen lässt oder ihn beim Sport nicht im Team haben will, sei dies Ausgrenzung, und damit eine Form des Mobbings. Um den aktuellen Fall vollständig in den Griff zu bekommen, steht man gemäß Dung mit dem Jugendamt in Verbindung. Man plane ferner, an der Schule einen Anti-Mobbing-Tag einzuführen, mit anschließendem Elternabend, der sich demselben Thema widmen soll.

Denn auch hier sieht die Rektorin Verbesserungsbedarf. Zu viele Eltern, besonders jene von sogenannten "Beiständern" - Kindern, die beim Mobbing von Schulkameraden "nur" zusehen - wollen ihr zufolge nicht wahrhaben, dass ihr Kind sich falsch verhält. Zudem wolle die Schule im nächsten Halbjahr verstärkt auf das heikle Thema eingehen. Das Wichtigste sei, den Tätern - und damit dem Mobbing selbst - keine Bühne zu bieten.

Nun ist Mobbing keine Erfindung der Moderne. Dennoch scheint es in Zeiten des Internets ein neues Stadium erreicht zu haben. Die Sozialen Medien machen es gewiss leichter, Dinge auszusprechen, die man anderen wohl kaum ins Gesicht sagen würde, vermutet Alexander Bär. Er bezeichnet Facebook und andere Netzwerke als "Deckmantel".

Fast dieselben Worte gebraucht auch Katterloher. Der indirekte Weg über die "Kastl", wie Smartphones bei ihr heißen, sei leichter als eine unmittelbare Konfrontation. Genau da setze man an ihrer Schule schwerpunktmäßig an. Wie sie berichtet, war erst kürzlich der Digitaltrainer Daniel Wolff zu Gast, um die Fünftklässler über den verantwortungsvollen Umgang mit den Medien aufzuklären. Als erste Schule des Landkreises nehme man darüber hinaus am "Net-Piloten"-Projekt teil, im Zuge dessen Siebt- und Achtklässler im gewissenhaften Gebrauch des Internets geschult werden.

Viele Ansätze, ein Ziel: eine komplette Generation zu Giraffen, anstatt zu Wölfen zu erziehen.

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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