Prozess in Ebersberg:Freispruch für Poinger Lehrerin

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Symbolbild. (Foto: Uli Deck/dpa)

Das Jugendschutzgericht findet keine Nachweise, dass die 61-Jährige drei Kinder körperlich verletzt hat. Die Zeugen verstricken sich in Widersprüche.

Aus dem Gericht von Daniela Gorgs, Ebersberg

Am Ende entspannten sich ihre Gesichtszüge merklich. Die 61-jährige Lehrerin, die sich wegen Körperletzung vor dem Jugendschutzgericht Ebersberg verantworten musste, lächelte sogar ein wenig. Zwei Verhandlungstage lang hatte sie still auf der Anklagebank gesessen und ihren Verteidiger sprechen lassen. Erst kurz vor Ende des Prozesses äußerte sie sich zu den Vorwürfen - sachlich kurz und rhetorisch gewandt.

Zwei Tage lang hatte das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Dieter Kaltbeitzer Zeugen angehört, um einen Vorfall auf dem Adventsmarkt an der Poinger Grund- und Mittelschule juristisch aufzuarbeiten, der bereits eineinhalb Jahre zurückliegt. Am 27. November 2017 soll die 61-Jährige eine Auseinandersetzung mit drei Schülern gehabt haben. Die Staatsanwaltschaft warf ihr vor, die damals acht- und neunjährigen Buben am Hals gepackt und ihnen ins Gesicht und auf den Oberkörper geschlagen zu haben. Von diesen Vorwürfen sprach Richter Kaltbeitzer die Angeklagte am späten Montagnachmittag frei.

Es war ein kurzer Urteilsspruch, gefolgt von einer langen Begründung, die Kaltbeitzer mit einer allgemeinen Bemerkung begann. "Dieser Fall zeigt, dass Zeugen das schlechteste Beweismittel sind", sagte er. Auch die Anzahl von 17 Zeugen demonstriere, dass man mit Quantität nicht unbedingt mehr Klarheit erreiche. Es sei ja so, dass Zeugen nicht immer das Gleiche wahrnehmen. Kindliche Zeugen ließen sich zudem noch mehr als Erwachsene beeinflussen, speziell, wenn der Vorfall lange zurückliegt. Die Lebenserfahrung zeige, dass man Schilderungen von Angehörigen, Freunden unbewusst übernimmt und zu seinen eigenen Wahrnehmungen macht.

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Eine Lehrerin aus Poing steht wegen Körperverletzung an Kindern vor Gericht. Am ersten Prozesstag ergibt sich jedoch ein neues Bild.

Aus dem Gericht von Andreas Junkmann

Kaltbeitzer befragte die betroffenen Kinder, Mitschüler, Lehrer, den Hausmeister, die Schulleiterin und die Polizei. Aus der Vielzahl von Zeugenaussagen erhielt er ein Bild von dem Vorfall. Und dies, so erklärte er, reiche nicht aus, den Vorwurf der Körperverletzung aufrecht zu erhalten. Vor allem die drei Kinder hätten sich in gravierende Widersprüche verstrickt. Der eine sagte bei der Polizei, er sei von der Lehrerin gewürgt worden. Vor Gericht aber erwähnte der Bub nichts davon.

Der andere beschrieb der Polizei detailliert, wie ihm die Lehrerin einen Faustschlag gegen das Kinn versetzte. Vor Gericht wurde daraus eine Verletzung am Auge, die Lehrerin soll ihn dort mit ihrem Ring gekratzt haben. Der Dritte berichtete der Polizei von einem Schlag ins Gesicht. Jetzt erwähnte er es nicht einmal mehr. Für Kaltbeitzer waren alle beschriebenen Anschuldigungen so gravierende Dinge, "die müssten Kindern im Gedächtnis bleiben".

Die Eltern ließen Verletzungen im Krankenhaus dokumentieren

Die Eltern hatten die Verletzungen ihrer Kinder im Krankenhaus dokumentieren lassen. Doch zögerte die Gerichtsmedizinerin in der Verhandlung, diese Verletzungen auf die grobe Behandlung durch die Lehrerin zurückzuführen. Zeugen hatten zuvor ausgesagt, dass die drei Buben sehr wild im Atrium und auf dem Pausenhof Fangen gespielt hätten.

Eine Lehrerin sagte, die Kinder hätten draußen "wild und wüst" getobt. Sie hätten mit abgerissenen Zweigen Scheinkämpfe ausgefochten. "Die waren außer Rand und Band." Der Hausmeister berichtete, er habe die Buben mehrmals ermahnt. Das "wilde Spiel" bremste schlussendlich die 61-jährige Lehrerin. Kurz vor Ende der Verhandlung berichtete die Angeklagte, wie sie die Schwester von einem der drei Buben schützen wollte, die schon öfter von der Gruppe gehänselt worden sei.

Das Mädchen sei von den Jungen gejagt worden und habe sich hinter ihr versteckt. Die drei Buben seien in sie hineingelaufen. Ihr Handy sei zu Boden gefallen. Weil sich die Kinder gleich wieder aus dem Staub machen wollten, habe sie einen der Jungen am Ärmel festgehalten. Sie habe den Kindern eine Standpauke gehalten. Das bezeugte ein weiterer Lehrer. Die Situation sei eskaliert, als die Schwestern der Buben herbeiliefen und diese von der Lehrerin wegzogen.

Am Ende stand für den Richter fest, dass die Lehrerin, durch den Konsum von Glühwein enthemmt, ein Kind oder möglicherweise auch alle drei Kinder festhielt. Doch sei nicht nachzuweisen, dass dadurch die Rötungen an Hals, im Nacken oder an den Unterarmen entstanden. Laut der Gerichtsmedizinerin könnten sich die Kinder die Wunden auch im Spiel selber zugezogen haben. Am Ende könne man sich nur fragen, ob das Verhalten der Lehrerin pädagogisch sinnvoll gewesen sei.

Die Staatsanwältin hatte auf schuldig plädiert und eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 100 Euro beantragt. Für den Verteidiger kam nur ein Freispruch in Frage. Der Prozess zog großes mediales Interesse auf sich. Nach dem Freispruch sagte die 61-Jährige einem privaten Fernsehsender, dass sie sehr erleichtert sei.

© SZ vom 09.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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