Flüchtlingsunterkünfte:Von der Turnhalle in die Traglufthalle

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Traglufthallen, wie zum Beispiel eine in Taufkirchen steht, könnte im Landkreis die Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen ersetzen. (Foto: Angelika Bardehle)

Der Kreis möchte die Flüchtlingsunterkünfte in Sportstätten auflösen und plant in mehreren Gemeinden große Bauprojekte.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Kreisrat Martin Lechner (CSU) fand in der Kreistagssitzung am Montag einen treffenden Vergleich, um zu illustrieren, warum die dauerhafte Unterbringung von Menschen in einem einzigen großen Raum nicht wünschenswert ist. Er ließ einen Blick über die Reihen seiner Kollegen im Sitzungssaal des Landratsamts schweifen und merkte dann trocken an: "Wenn wir monatelang hier so beieinander wären, möchte ich nicht wissen, was los wäre."

Tatsächlich werden sich große Unterkünfte für Asylbewerber im Landkreis wohl auch im kommenden Jahr nicht ganz vermeiden lassen - doch ein Ziel von Landrat Robert Niedergesäß (CSU) ist es, zumindest die größeren Sporthallen im Landkreis sukzessive wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zuzuführen.

Keine Atempause auf der Suche nach Unterkünften

Gerade in Kirchseeon und Markt Schwaben sei die Nutzung der Gymnasiumsturnhallen "sehr bedenklich", sagte der Landrat, auf längere Dauer seien Unterkünfte hier nicht menschenwürdig, überdies sei es hier sehr schwer, Alternativen für den Schul- und Vereinssport zu finden. Etwas einfacher gestalte sich die Lage bei den Turnhallen der Poinger Seerosenschule und der Realschule Ebersberg, hier könnten statt dessen Dreifachturnhallen in der unmittelbaren Umgebung genutzt werden. Sobald die erste Traglufthalle - voraussichtlich in Pliening - stehe, wolle er sukzessive die Freigabe der Turnhallen betreiben, sofern dies möglich sei, sagte der Landrat.

Eine Atempause beim Thema Flüchtlingsunterbringung erwartet er allerdings nicht, im Gegenteil. Bis zum Ende des Jahres wird die Zahl der Asylbewerber im Landkreis derzeitigen Prognosen zufolge auf 1700 anwachsen, im kommenden Jahr wird die Lage sich voraussichtlich nicht entspannen. Die Fachleute in der Verwaltung haben bereits wieder mehrere Grundstücke im Landkreis aufgetan, auf denen sich Unterkünfte errichten ließen.

Sollte das alles so funktionieren, könnten 1400 zusätzliche Plätze realisiert werden. Allein in Vaterstetten hat der Landkreis drei Grundstücke im Blick, die Platz für jeweils 100 Flüchtlinge böten. Denkbar wäre auch, dass beispielsweise in Anzing deutlich mehr Asylbewerber unterkommen als in den bisherigen Planungen vorgesehen. Denn es gebe Überlegungen, so Niedergesäß, das alte Forsthaus in der Parkstraße abzureißen und dort eine neue Unterkunft zu bauen. 100 Menschen hätten dann hier Platz. Auch in anderen Gemeinden gäbe es laut Niedergesäß noch Potenzial.

In Vaterstetten sind derzeit die meisten Flüchtlinge

Derzeit gibt es im Landkreis 44 dezentrale Unterkünfte, in denen 1027 Menschen leben, darunter nur 27 so genannte "Fehlbeleger", also Flüchtlinge, bei denen das Asylverfahren bereits positiv abgeschlossen ist. Hinzu kommen derzeit 107 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und 199 Menschen, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben, die derzeit in der Turnhalle des Gymnasiums Vaterstetten eingerichtet ist. Vaterstetten ist aus diesem Grund derzeit auch der Ort mit den meisten Flüchtlingen, 295 sind es insgesamt.

Es folgen Ebersberg und Markt Schwaben mit 201 beziehungsweise 200 Asylbewerbern. Nach wie vor gibt es einige Gemeinden im Landkreis, die noch gar keine Asylbewerber beherbergen: Bruck, Baiern, Forstinning, Frauenneuharting, Hohenlinden. Auch Oberpframmern gehört noch dazu, hier will man das aber bald ändern und das Dachgeschoss des Rathauses für Flüchtlinge ausbauen. Sollte es im kommenden Jahr nicht gelingen, wie geplant Unterkünfte vorzuhalten, sei er auch bereit, einmal "die weiße Flagge zu hissen" und zu signalisieren, dass der Kreis am Rand seiner Möglichkeiten angelangt sei, sagte der Landrat und zitierte Bundespräsident Joachim Gauck: "Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich."

Die Vertreter aller Fraktionen machten deutlich, dass sie die Bemühungen, die Flüchtlinge gut zu empfangen und zu integrieren, unterstützen. Der Kreisrat und Plieninger Bürgermeister Roland Frick (CSU) sagte, Parteipolitik spiele hier gar keine Rolle. Bei der Entscheidung seines Gemeinderats - die übrigens zu seiner Freude einstimmig gefallen sei - einen Platz für eine Traglufthalle zur Verfügung zu stellen, sei die Triebfeder einzig und allein die Menschlichkeit gewesen.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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