Fasten:Durch Verzicht näher an Gott

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Im Ramadan wird tagsüber gefastet, abends trifft man sich mit Freunden und Familie zum gemeinsamen Fastenbrechen. (Foto: Eman Helal/dpa)

Ein Muslim und eine rumänisch-orthodoxe Christin erzählen über die Fastenzeiten in ihren Religionen. So unterschiedlich sie auch sein mögen, haben sie doch einiges gemeinsam.

Von Antonia Aţurcăniţei, Ebersberg

Obwohl die Fastenzeit für die katholischen und evangelischen Christen diese Woche mit dem Osterfest ihr Ende nimmt, wird in anderen Religionen noch gefastet. Es wird zwar auf verschiedene Sachen verzichtet - das Ziel ist jedoch oft ähnlich. Wie empfinden religiöse Menschen die Fastenzeit? Und worin bestehen die Unterschiede zwischen Religionen? Die SZ hat sich mit einem Muslim und einer rumänisch-orthodoxen Christin über ihre Erfahrungen mit Fasten unterhalten.

"Ich fühle mich wie wiedergeboren"

Ali Al-Ogaidi kommt aus dem Irak und fastet, seitdem er acht Jahre alt ist. (Foto: Christian Endt)

Ali Al-Ogaidi (31), Elektriker aus Kirchseeon: "Wir sind gläubig und müssen fasten, weil es im Koran steht. Ich habe mit acht Jahren angefangen zu fasten. In Bagdad konnte jedes Kind fasten. Wenn sie es nicht geschafft haben, konnten sie nur bis zum Mittagessen durchhalten. Manche haben es aber den ganzen Tag durchgehalten. Was es für mich bedeutet zu fasten? Die Frage ist: jetzt oder früher? Früher habe ich gelernt, dass wir fasten, damit wir uns fühlen, wie die Leute, die hungern müssen. Es gab im Irak nämlich viele Leute, die sehr arm waren. Mittlerweile ist es im Irak aber in Ordnung.

Jetzt gibt es viele Gründe. Die drei Triebe des Menschen sind: Essen, Trinken und Geschlechtsverkehr. Auf diese drei Sachen müssen wir in der Fastenzeit verzichten. Es gibt aber auch andere Gründe, zum Beispiel Entgiftung. Jeder Mensch braucht Urlaub und mein Magen braucht auch Zeit für Urlaub. Normalerweise esse ich drei-, viermal am Tag. Aber in der Fastenzeit hat mein Magen Ruhe. Und ich fühle mich wie wiedergeboren. Es bringt viel für die Gesundheit. Es ist wie eine Behandlung. Es ist ein anderes Gefühl, wenn ich in die Arbeit gehe, obwohl ich faste. Ich arbeite mit Hunger, mit Kopfschmerzen. Ich bin auch süchtig nach Kaffee und muss auch darauf verzichten. Aber da ist ein Vorteil beim Ramadan dieses Jahr, dass die Zeit kürzer ist, in der man fasten muss. 2016 musste man beispielsweise bis 21 Uhr fasten. 2017 war das einfachste Jahr. Um 18.10 Uhr durfte ich schon essen.

Hier in Deutschland ist Fasten leicht. An anderen Orten, zum Beispiel Dubai, Saudi-Arabien und so weiter, wo es 50 Grad hat, ist es viel schlimmer. Dort ist es so, als würde man sterben. Erstens, hohe Temperaturen, dann harte Arbeit, es gibt keinen Arbeitsschutz. Sehr viele junge Menschen haben immer eine Ausrede in der Tasche, um nicht zu fasten. Aber tatsächlich haben sie keine Lust. Mir macht Ramadan aber Spaß.

Das Zuckerfest nach dem Monat Ramadan hat einen anderen Geschmack im Irak. In Deutschland sind nicht alle Verwandten da. Auch zusammen in der Moschee zu beten, gibt noch mehr Energie und Motivation. Ich habe aber leider nicht so viel Kraft, jeden Abend in die Moschee zu gehen. Am Wochenende gehe ich gerne, weil ich nicht arbeite.

In meiner Kindheit habe ich aus Versehen gegessen, obwohl ich am Fasten war. Nach ein paar Sekunden habe ich es dann gemerkt und mich erschreckt. Vor drei Tagen ist mir das dann wieder passiert. Aber das ist nicht so schlimm, man sagt, es ist ein Geschenk Gottes, weil man es ohne zu wissen gemacht hat. Man soll aber dann trotzdem weiter fasten."

Verzicht
:Was das Fasten in den Religionen bedeutet

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Von Antonia Aţurcăniţei

"Das Fasten trägt sehr zu meinem Seelenfrieden bei"

Violeta Vasiliu ist seit 2010 in Deutschland und hat trotz der Entfernung nicht die Verbindung zu ihrer Religion verloren. (Foto: Christian Endt)

Violeta Vasiliu (64), Rentnerin, stammt ursprünglich aus Rumänien und besucht oft die orthodoxen Gottesdienste in St. Georg in Pöring: "Meine Familie war religiös. Als kleine Kinder haben wir die Hostie genommen, wir gingen zur Beichte. Diese Idee des Fastens bekamen wir von unseren Eltern. Wir haben schon im jungen Alter gefastet, weil meine Eltern für die Fastenzeit gekocht haben. Sie haben uns nicht mit Essen verwöhnt. Damals hatten wir auch noch nicht diesen Überfluss an Essen. Es ist schwieriger, meine Kinder zu motivieren, schwieriger, sie dazu zu bringen, zu fasten.

Ich faste, weil ich auf Gott vertraue und weiß, dass er auch für uns gefastet hat. Für die Gesundheit, für die Erleuchtung des Geistes, für die Kinder, für die Familie. Für das Wohl der Menschen, für alle Nationen. Das Fasten hat mir durch schwere Zeiten geholfen.

Da Fasten ja im Grunde eine vegane Ernährung bedeutet, habe ich eine Weile versucht, durch Fleischersatzprodukte das Fasten zu erleichtern. Danach habe ich mir gesagt: Das ist kein richtiges Fasten. Wir müssen wirklich ein strengeres Fasten einhalten und sollten es nicht durch all die Leckereien ersetzen, denn dann ist es kein Fasten. Ich backe nicht einmal mehr Kuchen. Fasten bedeutet nicht nur, auf ein bestimmtes Essen zu verzichten, es erfordert viel Gebet. Es bedeutet auch, zu helfen, barmherzig und gut zu sein. Wenn nötig, halte ich auch das Schwarze Fasten ein. Am Karfreitag ist Schwarzes Fasten angesagt. Schwarzes Fasten kann man auch in der Karwoche machen. Ich habe einmal zwei Tage ohne Essen und Trinken ausprobiert. Ich war nicht hungrig, hatte aber Durst.

Wenn ich faste, fühle ich mich richtig gut, und wenn das Fasten vorbei ist, kann ich nicht glauben, dass es vorbei ist, und etwas hält mich davon ab, wieder Fleisch oder Milchprodukte zu essen. Ich fühle mich friedlich und erfüllt. Das Fasten trägt sehr zu meinem Seelenfrieden bei. Deswegen bete ich jeden Tag und halte mich an alle Fastenzeiten des Jahres. Dieses Jahr werde ich bis zur Osternachtmesse fasten. Wir gehen in der Nacht zum Sonntag zur Messe und nehmen den Korb mit den Speisen mit in die Kirche, damit sie vom Priester gesegnet werden. Wir haben Ostern sehr oft in Deutschland gefeiert, weil die ganze Familie hier ist."

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