Europawahl 2019:Wurzeln und Weltoffenheit

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Der Münchner CSU-Europakandidat Bernd Posselt wirbt in Grafing für eine starke Europäische Union. Auf diese Weise könnten Frieden und Demokratie gewahrt werden

Von Sabina Zollner, Grafing

Was haben Dackel und Rechtspopulisten gemeinsam? Sie sind sich beide nicht ihrer wahren Größe bewusst und denken deshalb, dass sie immer das Sagen haben. So sieht das zumindest der CSU-Politiker Bernd Posselt. Der 62-Jährige war Pressesprecher des CSU-Politikers Otto von Habsburg, vertrat die CSU mehr als 20 Jahre im Europaparlament und ist Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Dieses Jahr tritt der Münchner erneut bei der Europawahl an. Die Seniorenunion Ebersberg lud den begeisterten Europäer zu einem "Gespräch über Europa" ins Café Hasi ein. Dort erklärt er am Dienstag vor etwa 30 Teilnehmern, warum eine starke und demokratische Europäische Union in der heutigen Zeit wichtig sei.

"Diesmal geht es nicht um den Radius der Gurke, sondern es geht um die Wurst", beschreibt Posselt die anstehende Europawahl. Damit spielt er auf die verhöhnte Gurkenverordnung an, die noch immer als Symbol der Überregulierung der Europäischen Union gilt. Doch für Posselt gehe es in Europa um dringlichere Fragen. Besonders besorgt sei er über die Entwicklungen auf der Welt. Vor allem Großmächte wie Russland, China und Indien bereiteten ihm Sorgen. Ein gefährlicher Nationalismus scheine sich in diesen Staaten auszubreiten, Menschenrechte würden verletzt und Meinungsfreiheiten eingeschränkt. "Wir könnten uns natürlich als demokratische Weltinsel abschotten und den bösen Kräften so ausweichen", sagt Posselt. Doch das sei für ihn nicht der richtige Weg. Er wirbt für Dialog und Handel.

Vor der Senioren-Union in Grafing hält Bernd Posselt eine begeisternde Rede für Europa. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dennoch stellt man sich die Frage: Warum ist die EU wichtig für den Einzelnen? Posselt betont die Stärke der Union in den großen, politischen Fragen. Für ihn sei der Staat zu klein, um die Weltprobleme zu lösen, aber zu groß, um eine Heimat zu bieten. Posselt argumentiert, dass Regionalität und ein zentrales Europa sich nicht gegenseitig ausschließen würden. "Die Menschen brauchen Wurzeln und Weltoffenheit zugleich", beschreibt er. Was er damit meint, erklärt er an einer Zitherspielerin, die er bei einer Veranstaltung in Kehlheim kennenlernte. Die Musikerin spielte am Wochenende Zither in lokalen Gasthäusern und arbeitete unter der Woche für BMW in Peking.

Die Mitglieder der Seniorenunion zeigten sich vor allem über konkrete, europäische Themen besorgt. So fragte eine Teilnehmerin, was die Auswirkungen der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank auf Lebens- und Rentenversicherungen seien. Ein anderer Gast wollte von Posselt wissen, was er von der Nordstream Gaspipeline 2 halte und wer diese eigentlich bezahle? Der Politiker versuchte die Senioren zu besänftigen: Der Zins werde sich hoffentlich einstellen, und das Pipelineprojekt werde bisher nicht mit Steuergeldern finanziert. Nach dem Motto: Die EU weiß schon, was sie macht. Ein anderer Teilnehmer fühlt sich hilflos, was die junge Generation betrifft. "Die jungen Leute sind politikmüde und denken, dass die Politiker eh nichts ändern werden. Wie kann man dem begegnen?" Posselt sieht das anders. Mit jungen Menschen lasse sich reden, man müsse es nur machen.

(Foto: Ilona Burgarth)

Dabei spreche der Politiker aus Erfahrung. Allein in diesem Jahr sei er bei bereits 120 Veranstaltungen gewesen, fast jede Woche besuche er Schulen. Posselt halte die kommende Generation entscheidend für die Zukunft Europas. Er erinnert sich an seine Jugend. Vor allem ein Gespräch mit Franz-Josef Strauß blieb ihm in Erinnerung, erzählt er im Café Hasi. Der Politiker sagte dem damals 19-Jährigen, dass er besorgt sei, wie sich alles entwickele, wenn die Generation, die den Krieg miterlebt habe, nicht mehr da sei. Strauß befürchtete laut Posselt damals, dass der Nationalismus wieder sein hässliches Haupt zeigen werde. Dieses Gespräch sei prägend für Posselt gewesen und auch ein Grund, sich wieder als Kandidat für die Europawahl aufzustellen. Vor fünf Jahren endete sein Mandat nach 20 Jahren im Europaparlament. Doch statt den Ruhestand zu genießen, nahm der Politiker an Sitzungen teil, beriet die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler in außenpolitischen Fragen und stellte Anträge.

Für den 62-Jährigen ist die EU ein Symbol des Friedens. Seine 96-jährige Mutter erlebte den Zweiten Weltkrieg, die Vertreibung der Sudetendeutschen und den Wiederaufbau. Wenn Posselt mit ihr über Europa rede, sage sie immer: "Was verstehen die Leute unter Krise? Uns geht es doch so gut wie nie." Damit das auch so bleibe, möchte Posselt ins Europaparlament einziehen. "Ich könnte auch unter einer Palme sitzen und nichts tun", beschreibt der Politiker, "doch dann würde ich wahrscheinlich verrückt werden."

© SZ vom 15.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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