Ein besonderer Abend:Umarmung in Dur

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"Mia san Mix": Das Motto passte perfekt, die Musiker aus Bayern und Südafrika harmonierten bestens. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das "Grafinger Jugendorchester" und seine Gäste aus Johannesburg machen das Benefizkonzert der SZ im Ebersberger Alten Speicher zu einem herzerwärmenden, beschwingten Ereignis

Von Anja Blum

Wenn das Grafinger Jugendorchester etwas anpackt, dann richtig. Nun hat das große Ensemble, das ohnehin schon lange integrativ ist, Junge und Reifere, Laien und Profis in seinen Reihen vereint, seine Arme noch weiter ausgebreitet. Aber nicht etwa nur bis nach München oder Italien, sondern gleich ans andere Ende der Welt. Bis nach Südafrika. Dorthin haben die Musiker und Musikerinnen im Sommer eine Reise unternommen, und bereits jetzt, zum Benefizkonzert der Süddeutschen Zeitung, gelang der Gegenbesuch: Im Alten Speicher Ebersberg wurden die Grafinger unterstützt von 16 Instrumentalisten des Johannesburg Youth Orchestra. Alle zusammen boten dem begeisterten Publikum im ausverkauften Saal ein dreistündiges, höchst buntes musikalisches Erlebnis, das schlicht herzergreifend war: "Mia san Mix".

Allein schon die Optik verheißt Besonderes, denn unter die Grafinger mischen sich aufregende Farbtupfer: dunke Haut, bunt gemusterte, afrikanische Gewänder, Tücher um kunstvoll frisierte Köpfe, eindrucksvoll bemalte Gesichter. In allen Instrumentengruppen verstärken die Gäste aus Johannesburg das Grafinger Orchester. Im Hintergrund gibt es, eingerahmt von den zwei Länderflaggen, allerhand Fotos vom Abenteuer Südafrika zu sehen.

"Eine Fetzengaudi" sei die Reise, sagt einer der Südafrikaner

Benefizabend
:Mitreißende Mischung

Unter dem Motto "Mia san Mix" bringen das "Grafinger Jugendorchester" und Gastmusiker aus Südafrika den Alten Speicher in Ebersberg zum Beben. Die Besucher haben nicht nur viel Spaß, sie tun auch etwas Gutes: Der Erlös des Abends kommt dem Adventskalender der "Süddeutschen Zeitung" zugute

Gott sei Dank, sagt SZ-Reisekorrespondent Korbinian Eisenberger, gebe es "solche Spinner" nicht nur in Grafing, sondern eben auch dort. Geeint werden die beiden Initiativen von "the same dream", dem selben Traum, nämlich die Zukunft durch musikalische Nachwuchsarbeit zum Besseren wenden zu können. Insofern passt "Mia san Mix" freilich hervorragend zum Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung, der heuer 70-jähriges Bestehen feiert.

Erst drei Tage zuvor waren die Freunde aus Johannesburg in München angekommen - umso erstaunlicher, wie geräuschlos, im übertragenen Sinne, sie sich beim Konzert in das Orchester einfügen. Zur Begrüßung hatte es, wie Moderator Philipp Gassert erzählt, Weißwürste und einen dicken Ordner zum Programm der gemeinsamen Tage gegeben, darunter auch ein Konzertbesuch im Gasteig, spendiert von den Münchner Philharmonikern. Gefragt, was die Zeit in Bayern denn für ihn sei, sagt einer der Gäste: "eine Fetzengaudi!" Der Saal tobt, wieder einmal.

Swing, Volksmusik, Pop - das Publikum ist von dieser Mischung begeistert

Den größten Applaus aber bekommt Hedi Gruber, die leidenschaftliche Lichtgestalt am Pult, die "immer alle mitzieht", wenn es sein muss, bis nach Südafrika. Die Orchesterchefin weiß nur zu gut, wie man Emotionen weckt, das wird spätestens klar, als sie beim Schmachtsong "You raise me up" den Gästen aus Südafrika das Mikro übergibt - für ein letztes großes "Dankeschön". Da ist Gänsehaut noch das geringste.

In jahrelanger Arbeit hat Gruber einen Klangkörper geformt, der einfach jeder Form von Komposition gerecht wird. Er musiziert mit großer Präzision, mit Leidenschaft sowieso. Natürlich könne man meckern, weil das Repertoire nicht dem eines klassischen Orchesters entspricht - aber warum sollte man? Zu groß ist die Begeisterung, auf und vor der Bühne, für dieses Wechselbad der Stile und Stimmungen aus Klassik, Swing, Volksmusik und Pop. Zunächst erklingen schmelzende Geigen bei der "Air" von Bach, gleich darauf verwandelt sich das Orchester mit einer druckvollen "Box of Secrets" von Zarif in eine amtliche Big-Band.

Was fürs Auge, nämlich ein Charleston-Girl im Glitzerkleid, gibt es zu "Demon Kitty Rag" von Katzenjammer, mit "Weeping" singen die Musikerinnen und Musiker gegen die Apartheid an, und ein Medley aus diversen Filmmusiken animiert das Publikum zum Rätseln. Teresa Gruber, die dank ihrer Präsenz so etwas wie das Gesicht des Orchesters ist, überzeugt an der Geige ebenso wie am Mikro oder auf der Tanzfläche, Hannah Kreck erweist sich als vielseitige Sängerin, wie eine solche Combo sie braucht, sie kann soft genauso wie rockig, ihre Dynamik und ihr Timing sind bemerkenswert. Geigerin Dineo Matsepe wiederum legt Zeugnis ab von der ansteckenden Lebendigkeit südafrikanischen Musizierens.

Nach der Pause wird es rustikal, dann tragen auch die Grafinger Tracht, es gibt traditionelle Musik aus Bayern und Afrika. Spätestens als die Gäste aus Johannesburg jodeln, kennt die Heiterkeit im Saal keine Grenzen mehr, die Tanzfläche füllt sich zum ersten Mal. Überhaupt wird schnell klar, dass die Fröhlichkeit der gemeinsame Nenner beider Orchester ist, von der Bongo bis zur Quetsche. Und zwar nicht nur auf der Bühne: Die entscheidenden Sessions und Begegnungen hätten in der Hotelbar stattgefunden, erzählt SZ-Redakteur Eisenberger von Südafrika. "Zu musizieren scheint besonders durstig zu machen", sagt er und lacht. Später, als das Café Jagdhaus, die Brass-Band der Grafinger, das Publikum ausgelassen tanzen lässt, droht das Konzert zur wilden Party zu werden. Doch Gruber gelingt es mühelos, alle wieder einzufangen - zum emotionalen Finale, das die Zuhörer mit dem Klassiker "Proud Mary" beschwingt und herzerwärmt in den kalten Abend entlässt.

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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