Gerätselt, neugierig geworden, Erstaunliches entdeckt, Blickwinkel verändert: Was will man Besseres über ein Buch sagen? Zumal es nicht gesucht wurde, sondern seinem Leser zugeflogen ist. "Eduard Erdmann - Philosoph des Klaviers" steht auf dem Titel, von dem einen ein Mann im Anzug melancholisch anschaut, Zigarettenspitze in der Hand. Die knapp 130 biografischen Seiten hinter dem Umschlag hat Oliver Fraenzke aus Vaterstetten zusammengestellt, Autor dieses Feuilletons und erkennbar einer, den Erdmann mehrfach berührt hat, als Komponist, als Pianist, als unkonventioneller Denker. Fraenzke, geboren 1995 in München, ist tätig als Musikwissenschaftler, Autor, Pianist und Musikpädagoge.
Mit kluger, punktgenauer Auswahl biografischer Details öffnet er die Sicht auf einen Künstler, den wir heute wohl "Multitalent" nennen würden - und dabei viel zu kurz griffen. Denn wie Erdmann die Leidenschaft fürs Komponieren und das Können an der Klaviatur in eine lebenslange, persönliche Fuge verwandelte, reicht weit über das hinaus, wie man ihn zu seinen Lebzeiten an der Oberfläche wahrgenommen hat.
Aus den Details einer offenkundig weitreichenden Recherche jene Mosaiksteine herauszugreifen und zu hinterleuchten, bei denen man in Leben und Seele eines Menschen hineinblickt: Das vermag diese dichte Darstellung und respektvolle, aber nicht unkritische Annäherung so verlockend, dass man sich wünscht, man hätte mit diesem Mann das eine oder andere anregende Gespräch führen können. Nicht nur mit dem Künstler, auch mit dem Büchersammler und Zeitzeugen. Zumal sich beim Durchlesen der drei Lebensphasen Goldene Zwanziger, "Drittes Reich" und Nach dem Krieg über Hinweise auf spannende Kompositionen hinaus ein Versprechen auf tiefe Gedanken erkennen lässt.
Oliver Fraenzke: Eduard Erdmann. Edition Text und Kritik, München, 2022, 128 Seiten, 19 Euro. ISBN 978-3-96707-604-2