Ebersberg:Varianten der Wahrheit

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Auch nach fünf Zeugenaussagen gibt es nur wenig Bewegung im Prozess um eine Poinger Discoschlägerei

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Auch wenn sich das sprichwörtliche Eichhörnchen bekanntermaßen mühsam ernährt, bei dieser Verhandlung vor dem Ebersberger Amtsgericht droht es nun endgültig den Hungertod zu sterben. Fünf Zeugen hat Richterin Vera Hörauf an zwei Verhandlungstagen nun bereits in den Sitzungssaal geladen, ob der 26-jährige Angeklagte schuldig oder unschuldig ist, steht aber nach wie vor in den Sternen. "Jetzt haben wir noch zwei weitere Versionen gehört", zog die Vorsitzende am Dienstagnachmittag deshalb etwas ernüchtert Bilanz, als erneut niemand wirklich zur Wahrheitsfindung beitragen konnte. Noch gibt es aber eine letzte Möglichkeit, das Verfahren doch mit einem Urteil zu beenden.

Grundsätzlich geht es um eine Schlägerei in einer Poinger Diskothek, bei der sich eine junge Frau im November vergangenen Jahres ein blutiges Auge geholt hat. Die 24-Jährige wollte laut Anklageschrift gerade schlichtend eingreifen, als sie einen heftigen Faustschlag abbekam, der eine Platzwunde zur Folge hatte. Wer genau ihr den Hieb verpasste, konnte sie bei ihrer Vernehmung vor einer Woche jedoch nicht sagen. Sie habe sich umgedreht und den Angeklagten dort stehen sehen, berichtete sie, weshalb sie davon ausgehe, dass er es gewesen sein muss.

Der Angeklagte wiederum wollte selbst keine Angaben zu den Vorwürfen machen, dafür waren zwei weitere Zeugen geladen, die den Tathergang beobachtet haben sollen - zumindest in der Theorie. Denn einer von beiden gab gleich ganz offen zu, viel zu betrunken gewesen zu sein, um sich noch an etwas erinnern zu können. Der andere wiederum war selbst in die Schlägerei verwickelt und hatte somit alle Hände voll zu tun.

Alle Hoffnung des Gerichts ruhte nun beim Fortsetzungstermin auf der Disco-Besitzerin und dem DJ, der an besagtem Abend aufgelegt hat. Und Erstere sorgte mit ihrer Aussage gleich für Aufsehen: "Das Mädchen hat eine aufs Auge gekriegt, aber nicht von dem Mann, der da sitzt." Der Angeklagte sei völlig unschuldig, so die 40-Jährige. Sie selbst habe den Schlag genau gesehen, das Ganze sei schließlich direkt vor ihren Augen passiert. Wer denn dann den Schlag abgegeben habe, konnte die Frau allerdings nicht sagen - und als sie obendrein erzählte, sie sei mit dem Angeklagten gut befreundet, kamen zumindest bei der Staatsanwältin leichte Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage auf.

Zumal der 31-jährige DJ nochmal eine andere Sicht der Dinge parat hatte. Er habe gesehen, wie der Angeklagte die Geschädigte auf Händen getragen und sich um sie gekümmert hat. Das war dann nicht nur für Richterin Hörauf überraschend, denn darüber hatte die Klägerin bei ihrer Vernehmung vergangene Woche kein Wort verloren. Die Verletzung, so der Zeuge, könne das Mädchen im Grunde genommen von jedem der Beteiligten haben. "Ich glaube nicht, dass es der Angeklagte war."

Sicher ist aber auch nach diesem zweiten Verhandlungstag, dass eben nichts sicher ist. Eine letzte Möglichkeit gibt es aber dennoch, Licht ins Dunkel zu bringen. Und zwar stellte sich heraus, dass es in der Diskothek Videokameras gibt, die den Vorfall aufgezeichnet haben. Richterin Hörauf hegte allerdings ihre Zweifel, ob die Bänder so lange gespeichert werden. Falls doch, könnte es noch zu einem Urteil kommen und der Prozess würde nicht nach stundenlangen Verhandlungen im Sand verlaufen.

© SZ vom 27.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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