Hochwasserschutz:Tröpfelnde Verfahren

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In vielen Gemeinden des Landkreises ist die Überschwemmungsgefahr groß, doch der Hochwasserschutz kommt nur schleppend voran. Bei Baumaßnahmen müssen Besitzverhältnisse und Naturschutz berücksichtigt werden.

Von A. Blum, K. Eisenberger, A. Leuthner und B. Mooser, Ebersberg

Was es bedeutet, wenn sich ein kleines Rinnsal in eine reißende Flut verwandelt, die tsunamiartig auf ein Dorf trifft, hat Bayern wieder eindrucksvoll am Beispiel Simbachs erlebt. Auch wenn viele Experten die Seltenheit eines solchen Ereignisses hervorheben: Klar ist, eine Überschwemmung kann viele Regionen treffen, auch im Landkreis Ebersberg gibt es Orte, in denen die Hochwassergefahr erfahrungsgemäß groß ist: an der Sempt etwa, der Glonn, der Attel und der Moosach sowie im Kupferbachtal.

"Wenn heute bei uns so eine Niederschlagsmenge wie in Simbach runterkommt, läuft Glonn auch wieder voll", sagt Gerhard Bullinger, der als Kreisbrandrat jahrzehntelang die Entwicklungen verfolgt hat. Und leider könne man nicht jedes Bachbett so sichern, dass jede Gefahr ausgeschlossen sei.

Glonn hat bisher kleine Maßnahmen ergriffen

Bullinger erinnert sich an jedes Hochwasser in den vergangenen Jahren und sogar an die Namen der Tiefs, die die Überschwemmungen über den Landkreis gebracht haben: 2002 war es Ilse, 2005 Norbert; 1999, 2010 und 2013 gab es ebenfalls größere Überschwemmungen, 2011 beschränkte sich das Hochwasser auf Steinhöring. Vielen Ebersbergern dürfte der August 2002 noch in Erinnerung sein, als ein heftiges Hochwasser vor allem Glonn und Moosach heimsuchte. Das Wasser floss so reißend durch die Häuser, dass sogar massive Metalltüren gesprengt wurden. Hunderte Menschen mussten ihre Häuser verlassen, für den südlichen Landkreis wurde der Katastrophenfall ausgerufen.

Eigentlich ist der Hennigbach in Markt Schwaben nicht einmal ein Rinnsal (Foto). (Foto: Christian Endt)

Seitdem wurden in Glonn lediglich kleinere Maßnahmen zum Schutz vor Überschwemmungen getroffen. Die Marktgemeinde plant jedoch einen Damm im Au-graben, also im Dreieck zwischen Glonn, Aying und Egmating: ein Bollwerk von etwa elf Metern Höhe, 65 Metern Breite und hundert Metern Länge. Hier soll ein Rückhaltebecken entstehen, das 120 000 Kubikmeter Wasser fassen kann. Das Projekt kommt allerdings nur sehr langsam voran, weil der Damm inmitten einer bewaldeten Talsohle entstehen soll - so dass es jede Menge naturschutzrechtlicher Belange zu beachten gibt, von Kalktuffquellen bis zur Gelbbauchunke. Hinzu kommt, dass an dem Projekt viele Parteien beteiligt sind: zwei Planungsbüros, zwei Ämter, da der Augraben auf der Grenze zweier Landkreise verläuft, sowie mehrere Grundeigentümer. Daher hat es immer wieder Missverständnisse gegeben.

Es laufen Bewertungen von vier Standorten

In der jüngsten Gemeinderatssitzung regte Rudolf Senkenberg (SPD) an, im Glonner Gemeindeblatt darauf hinzuweisen, dass die Gemeinde der stockenden Entwicklung beim Hochwasserschutz machtlos gegenüberstehe - eine Art Entschuldigung angesichts der aktuellen Ereignisse also. Doch Bürgermeister Josef Oswald (CSU), der den Damm vor einem Jahr zur Chefsache erklärt hat, will erst die nächsten Ergebnisse abwarten: Derzeit laufe die Bewertung von vier untersuchten Standorten. Ist diese abgeschlossen, kann das Projekt ins wasserrechtliche Verfahren eintreten. Sprich: Erst dann geht's mit der Planung wirklich los. Bis die Bagger anrücken, werden wohl noch Jahre vergehen.

Doch bei Starkregen kann der Hennigbach-Pegel kräftig steigen. (Foto: Christian Endt)

In Pliening ist man etwas weiter, aber lange nicht am Ziel. Im Ortsteil Gelting ist das Problem kein Fließgewässer, das bei Starkregen anschwillt, sondern eine Endmoräne im Osten des Orts. Bei starkem Regen schießt das Wasser von der Nord-Süd verlaufenden Hangkante Richtung Westen nach unten, so wie beim Pfingsthochwasser 1999, das mit einem Hochwasserstand von fünf Metern enorme Schäden anrichtete. Damals wurde als Akutmaßnahme ein Schutzwall am Rand des Wohngebiets am Heckenacker errichtet.

Pliening will Semptgraben verbreitern

Um den Ortsteil effektiv zu schützen, arbeiten die Plieninger seit Jahren an einem Konzept, erste Maßnahmen sind ergriffen. So könne ein bereits ertüchtigtes Hauptrohr große Mengen an Oberflächenwasser aufnehmen, erklärt Bauamtsleiter Martin Schmidt-Roschow. Das Problem liegt aber in der Weiterleitung des Wassers. Der Semptgraben, der westlich der Gemeinde in der Schotterebene verläuft, soll verbreitert werden, um mehr Wasser aufnehmen zu können. Die Maßnahmen aber stagnieren: Das Wasserwirtschaftsamt sieht ein Planfeststellungsverfahren vor, das erst eingeleitet werden kann, wenn die Besitzverhältnisse mit den betroffenen Landwirten geklärt sind. "Und da sind wir jetzt dran", sagt Schmidt-Roschow.

Die Glonner kennen das Problem von ihrem Kupferbach - hier ein Bild vom Hochwasser 2007. (Foto: Christian Endt)

Ähnlich ist das in Markt Schwaben, auch dort müssen erst die Grundstückseigentümer überzeugt werden. Der Hennigbach, der durch den Ort fließt, ist bei Überschwemmungen das Nadelöhr Markt Schwabens, hier stauten sich bei starken Regenfällen in der Vergangenheit immer wieder die Wassermassen auf. Nach einem Gemeinderatsbeschluss vom Februar 2015 sollte der Hennigbach als erste von insgesamt elf Maßnahmen zum Schutz vor einem Jahrhunderthochwasser in Angriff genommen werden. Bisher hat sich jedoch nur wenig getan.

Renaturierung in Markt Schwaben lässt sich Zeit

Die auf 3,7 Millionen Euro taxierte Renaturierung des Bachs zwischen Bahnhofstraße und Heilmaierstraße ist noch immer "in Planung", am Erlberg, am Gigginger Bach und am Roßacker wurde bisher weder ein Damm noch eines der drei vorgesehenen Rückhaltebecken installiert. Der Baubeginn zieht sich hin, weil die Gemeinde sich vorher mit den Grundstückseigentümern einig werden muss. Falls es zu einem Hochwasser kommt, würde sich das Wasser in Rückhaltebecken auf deren Feldern stauen und diese beschädigen, was ohne die Baumaßnahmen nicht der Fall wäre.

"Den Landwirten geht es darum, dass sie für ihren Ernteausfall mit Futtermitteln entschädigt werden", sagt Hohmann. Um eine "faire Lösung" zu finden, führe er Gespräche mit allen Betroffenen. Hohmann hofft, dass die Schreckensmeldungen aus Niederbayern die Menschen ins Grübeln gebracht haben. "Manchmal muss man über sein Grundstück hinaus an die Allgemeinheit denken", sagt Hohmann. "Damit ein Ort nicht absaufen muss."

Ob man sich für monsunartige Regenfälle wie jetzt in Teilen Bayerns überhaupt gänzlich rüsten kann, stellt Gerhard Bullinger allerdings ohnehin in Frage: "Wenn innerhalb von ein, zwei Stunden Niederschläge von 80 bis 100 Litern pro Quadratmeter heruntergehen, kann das keine Kanalisation und kein Regenrückhaltebecken mehr halten."

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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