Ebersberg:Biber auf Burgensuche

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An allen Gewässern im Landkreis, wie hier ist der Nager aktiv. Nun gilt es, zwischen Tier und Mensch zu vermitteln. (Foto: Felix Heyder/dpa)

Der Nager erobert im Landkreis immer neue Reviere. Gerhard Schwab vom Bund Naturschutz in Bayern plädiert für die Ausweisung von Uferstreifen, sonst könnte es den Bibern an den Kragen gehen.

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Das Ufer des Egglburger Sees am Rande des Ebersberger Forstes gleicht an manchen Stellen einer Wildnis aus hundertfachem Grün, aus Gras, Schilf, Sumpf und Baumstämmen. Zum Chorgesang der Kröten und Frösche summen Insekten. Flussseeschwalbe und Schilfrohrsänger, beide vom Aussterben bedroht, finden hier einen Lebensraum. Im Süden schließt sich an das mit Seerosen und Schilf bewachsene Gewässer ein Moor an. In Richtung Osten die idyllische Weiherkette. Noch sind Verwüstungen des Sturmtiefs Niklas zu sehen. Bei mehreren der ins Wasser ragenden Baumstämme hatte der aber wohl seine Hand nicht im Spiel. Die Indizien sind eindeutig: Nagespuren in Form einer Sanduhr verraten die Anwesenheit von "Castro fiber", wie der Biber auf lateinisch heißt.

Die Gier nach seinem Pelz hat den Biber fast ausgerottet

Das Image des Pelztiers ist gespalten. Kinder und Heimwerker - eine große Baumarktkette hat den unermüdlichen Holzarbeiter sogar in ihrem Logo - mögen das nachtaktive Nagetier gut leiden, Grundbesitzer und Landwirte dagegen neigen dazu, es zu bekämpfen. Johann Taschner von der Unteren Naturschutzbehörde Ebersberg kennt den Konflikt. "Wir müssen uns um das Thema kümmern", sagt er. Der Grund: Der Biber ist wieder da. "An allen Gewässern im Landkreis, flächendeckend." 1867 war er in Bayern, so wie in fast ganz Europa, ausgerottet. Zu groß war die Gier nach Fell, Fleisch und dem harzig-lederartig duftenden Drüsensekret "Bibergeil", das als Aphrodisiakum galt. Anfang der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts wurde er mit Genehmigung des Landwirtschaftsministeriums wieder eingebürgert und ist heute streng geschützt. Auf 16 000 Stück wird der Bestand in Bayern laut der Biologin Ursula Kunz vom Bund Naturschutz Ebersberg geschätzt.

Dass der Biber jedoch nicht nur Freunde hat, wurde offenbar, als im vergangenen Jahr drei tote Tiere an der Moosach entdeckt wurden - anhand der Kadaver stellten die Veterinäre fest, dass diese an Rattengift verendet waren. Taschner geht davon aus, dass die Tiere gezielt vergiftet wurden. Der oder die Täter sind unbekannt.

Sanduhrförmige Nagespuren verraten die Anwesenheit des Bibers am Egglburger See. (Foto: Peter Hinz-Rosin/dpa)

Spuren des Nagers finden sich auch am Egglburger See. "Der Biber zieht von der Ebrach her aufwärts", sagt Kunz, "dort ist seine Wanderung zu Ende, weiter kommt er nicht mehr. Man sollte ihn also wenigstens dort in Ruhe lassen", fügt sie hinzu. "Wenn der Biber dort keine Heimat findet, wo denn dann?", fragt auch Taschner.

Biber sind Anpassungskünstler. Sie leben von Gräsern, Kräutern, Wasserpflanzen, Blättern, Baumrinde und Holz. Meist lebt ein Elternpaar mit zwei Generationen von Jungtieren zusammen. Jede Familie hat ihr eigenes Revier. Bei niedrigem Wasserstand baut der Biber Dämme aus viel Holz - die Biberburg - und schafft sich damit die für ihn notwendige Wassertiefe von 80 Zentimetern. Ist das Wasser bereits tief genug, gräbt er lediglich eine Wohnhöhle.

Ein Bibermanager vom Bund Naturschutz arbeitet am Image der Nager

Vor allem Landwirte sehen jedoch Biberbauten nicht gern, denn die Tiere stauten durch ihre Dämme das Wasser auf, dies behindere den Abfluss, erklärt Taschner. Zudem fälle der Biber Bäume und nage zahlreiche Stämme an. "Er ist Vegetarier und frisst junge Triebe", sagt Taschner. Es gelte also, ein gedeihliches Miteinander von Mensch und Biber zu schaffen. Wie die friedliche Koexistenz klappen könnte, hat unlängst Gerhard Schwab, Bibermanager des Bund Naturschutz in Bayern, bei einer Präsentation im Landratsamt vorgestellt und die Bedeutung des tierischen Baumeisters für den Naturschutz hervorgehoben.

Als "treu arbeitender Staatsdiener" erhöht der Biber Schwabs Exposé zufolge nicht nur den Grundwasserstand, er baut auch die Flusslandschaft um, schafft Verlandungszonen, gestaltet Bäche, lichtet den Uferwald und schafft ein Mosaik von Lebensräumen. Die in Bibertümpeln sich ansiedelnden Lebewesen und Pflanzen seien für andere Tierarten Heim und Tisch, wie auch Kunz erklärt. Die unerfreulichen Folgen der ausufernden Bautätigkeit: Der Biber fällt Gehölze und erhöht durch das gestaute Wasser die Gefahr eines Bruchs an Dämmen und Deichen. Mit dem seit 1996 entwickelten Bibermanagement soll der Konflikt zwischen Naturschutz und den Ansprüchen des Menschen gelöst werden.

Sein Vorschlag zur Güte hat vier Bausteine: Beratung, Präventivmaßnahmen, Schadensausgleich und, wenn nötig, Fang und Tötung. "Viele Konflikte entstehen durch Unkenntnis des Bibers und seiner Lebensweise", ist Schwab überzeugt. Beratung allein schafft aber noch keine Abhilfe. Als weitere Maßnahmen empfiehlt der Bibermanager unter anderem Elektrozäune, Baumschutz durch Drahtgitter und Drainagen. Land-, Forst- und Teichwirte sollen bei Schäden zudem finanziell entschädigt werden. Wenn keine andere Maßnahme greife, könne das Landratsamt auch den Fang oder Abschuss genehmigen.

Biberburgen sind auch nützlich für die Fischbestände

Die langfristige Lösung besteht in seinen Augen darin, Uferstreifen in die Hand zu bekommen. "Der Totholz-Dschungel von Biberburgen ist vor allem für Fische ein ausgezeichneter Schutz- und Lebensraum", hat Schwab herausgefunden. Im Mühlbach bei Freising habe sich nach Einwanderung des Bibers die Zahl der Fischarten verdoppelt. Solche Uferstreifen seien auch ein Schutz gegen Hochwasser, denn Biberdämme hielten Überflutungen in Schach. Wo Wasser langsam fließe, habe es mehr Zeit, ins Erdreich einzusickern.

Schwab wirbt bei den Kommunen dafür, geeignete Uferstreifen in die Hand zu bekommen, etwa indem diese Land mit den Eigentümern tauschen oder "Ökokontoflächen" an Gewässer legen. Dies sind Ausgleichsflächen, die schon vor einer geplanten Baumaßnahme ausgewiesen werden. Das Ganze funktioniert wie ein Bankkonto, nur dass der Sparer, in diesem Fall die Gemeinde, kein Geld, sondern Flächen anspart. Werden später Ausgleichsflächen nötig, müssen diese nicht neu angelegt, sondern können vom Ökokonto "abgebucht" werden. Auch Ausgleichsflächen von Betrieben im Uferbereich wären laut Schwab ein ideales Territorium für den tierischen Ingenieur. "Biber haben zwölf Millionen Jahre Erfahrung im Wasserbau!"

Die Biologin Ursula Kunz vom Bund Naturschutz Ebersberg veranstaltet am Samstag, 13. Juni, eine Führung. Thema: Der Biber - Baumeister und Burgherr. Dabei erfährt man einiges über Lebensweise und Gestalt des Nagers. Treffpunkt ist um 16 Uhr bei der Gaststätte "Zur Gass" in Ebersberg. Anmeldung unter der Telefonnummer (08092) 888 71.

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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