Mitten in Ebersberg:"Suche Anfang"

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Ach, wären doch die Pfeile immer passgenau zum Kastl im zitternden Händchen. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Es gibt viele schöne Dinge, mit denen man seinen Tag füllen kann. Überweisungen per Chip-TAN-Verfahren gehören nicht dazu. Warum schon zwei kleine Worte für extrem großen Verdruss sorgen können.

Glosse von Michaela Pelz, Ebersberg

Lebenszeit ist kostbar, das weiß nun wirklich jeder. Man könnte sie neben Familie, Ehrenamt und Beruf zum Beispiel mit Leibesertüchtigung füllen - leider in Ermangelung einer wintertauglichen Sportstätte vielleicht nicht mit den drei liebsten Schwimmbadfreundinnen im bevorzugten Nass von unten, sondern bei einem Spaziergang mit Wasser von oben. Man könnte eine neue TV-Serie bingen, in der Stephan Zinner einen erfrischend unkonventionellen Priester mimt, während sich nebenbei die Münchner Innenstadt von einer oft sehr schönen Seite zeigt - vor allem in puncto Parkplatzsituation, wodurch leider schnell deutlich wird, dass es sich um Fiktion handelt. Man könnte sich auch einer Meditation hingeben, in der die Gedanken kommen und gehen, während der Blick auf einem beliebigen Punkt ruht. Oder man könnte die Vorfreude auf ein lang ersehntes Wellness-Wochenende dadurch vergrößern, dass man schnell per Online-Banking die dafür geforderte Vorauszahlung erledigt.

Wobei die Begriffe "schnell" und "Online-Banking" zuweilen diametral entgegengesetzt sind. Vor allem, wenn die Transferaktion noch traditionell ausgeführt wird. Allerdings nicht in Dinosaurier-Manier, bei der ein sorgfältig ausgefüllter Überweisungsträger persönlich zur Bankfiliale gebracht wird (so sich denn überhaupt noch eine in der Nähe befindet), denn längst schon wurde der Übergang zum Steinzeitmenschen vollzogen und ein Chip-TAN-Gerät hat in den Haushalt Einzug gehalten.

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Es handelt sich dabei um ein kleines Kastl, in das die EC-Karte einzuführen ist, die dann vor den Rechner gehalten wird, auf dem mehrere parallel angeordnete Balken zwischen zwei Pfeilen lustig blinken. Sobald diese Grafik vom Gerät erkannt wird, erscheint auf dessen Display eine mehrstellige Zahl. Nach der Eingabe geht, zack, das Geld auf seine Reise zum Empfänger. Absolut sicher und in kürzester Zeit.

Eigentlich. Uneigentlich tauchen auf dem kleinen Bildschirm keine Ziffern auf, sondern Buchstaben. "Suche Anfang", sagt das Kastl zur Besitzerin, was zunächst einmal als durchaus sympathische Eigenschaft verstanden werden kann. Das wissen alle, die schon einmal ohne jegliche Angabe von Gründen in Zug oder S-Bahn zum Warten verdonnert waren.

Wenn sich allerdings die Suche nach dem Anfang (gemeint ist offenbar das nervige Wechselspiel der bescheuerten Balken auf dem Monitor) so lange zieht, dass die Minuten kaugummizäh werden, das zitternde Händchen jede Kontrolle über die Position des vermaledeiten Kastls verliert, die Sicht verschwimmt, sich Zeit, Raum und vor allem die beiden Pfeile in alles andere als Wohlgefallen auflösen, dann, ja dann ist die Schrift nicht mehr willkommene Information, sondern nur noch Hohn, der den Blutdruck in ungesunde Höhen treibt. Das ist der Punkt, an dem man sich wünscht, bei der Dinomethode geblieben zu sein.

Es gibt viele Dinge, mit denen man seine Lebenszeit füllen kann. Online-Banking per Chip-TAN-Verfahren gehört definitiv nicht dazu. Selbst wenn eine unfreiwillige Meditationseinheit gratis inbegriffen ist.

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