Wer Glück hat, ist im Eimer. Zumindest gilt das für Frösche, Kröten und Molche, die jetzt im Frühling wieder auf Wanderschaft zu ihren Laichgewässern gehen. Dabei müssen die Amphibien auch stark befahrene Straßen überqueren - damit das nicht die letzte Reise wird, sind die Eimer da.
Aufgestellt - genauer: eingegraben - werden diese, genau wie die Schutzzäune entlang der Fahrbahn, von vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Derzeit gibt es laut Regina Wegemann, Geschäftsführerin der Kreisgeschäftsstelle des Bundes Naturschutz (BN) im Landkreis Ebersberg rund 14 betreute Querungsstellen und rund 100 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Einige davon haben sich nun mit Wegemann und der BN-Regionalreferentin für Oberbayern, Julika Schreiber, in Ingelsberg getroffen - natürlich am dortigen Krötenzaun.
So lange die Krötenwanderung dauert, werden die Eimer täglich geleert
Dort und auch an den anderen Querungshilfen für Amphibien gibt es gerade viel zu tun: So lange die Krötenwanderung dauert, werden die Eimer täglich geleert. Deren Insassen werden außerdem gezählt, bevor sie auf der anderen Straßenseite freigelassen werden. Je mehr Helfer, desto mehr Tiere können auch gerettet werden, betont Wegemann. Mit bayernweit ungefähr 6000 Helfern ist das Amphibiensammeln die größte Artenschutzaktion in Bayern, sagt Julika Schreiber. Die vielen Helferinnen und Helfer würden dabei jedes Jahr etwa 500.000 Amphibien an ungefähr 450 Stellen über die Straße bringen.
"Dabei verursacht der Klimawandel sowohl den Tieren, als auch den Helfern große Probleme", sagt Roswitha Holzmann, BN-Mitglied und stellvertretende Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde. Denn der Startzeitpunkt der Wanderung variiert je nach Witterung: Steigen die Temperaturen über fünf Grad plus, erwachen die Tiere aus ihrer Winterstarre und machen sich auf den Weg. Wenn es dann doch nochmal Frost gibt, würden sie wieder in die Starre verfallen und das koste viel Energie und macht die Frösche laut Holzmann anfälliger für Krankheiten.
"Ich begleite die Froschwanderung seit rund 20 Jahren und anfangs hat sie Ende März begonnen. Inzwischen müssen wir schon Mitte Februar damit anfangen, die Tiere über die Straße zu bringen", sagt Holzmann. So war es auch heuer, durch das ungewöhnlich warme Wetter sind die Tiere bereits vor gut einem Monat aus ihrer Winterstarre erwacht. Was auch den Helfern mehr Arbeit macht, sagt Holzmann, schließlich müssen bei einer längeren Dauer der Wanderung auch die Zäune länger betreut werden: "Normalerweise dauert die Aktion drei bis vier Wochen, inzwischen jedoch dauert es an die zwei Monate."
Regionalreferentin Julika Schreiber betont, wie wichtig es sei, die Tiere zu retten und zu zählen. So gebe es in Bayern 19 Amphibienarten, von denen elf sogar nach EU Recht geschützt sind. Dabei befinden sich bereits 14 davon auf der roten Liste, also sind vom Aussterben bedroht. Dazu zählen beispielsweise der Grasfrosch und die Erdkröte - die Rotbauchunke ist sogar schon ganz von der Liste verschwunden.
Der Rückgang habe viele Gründe. Zum einen nehme die zunehmende Trockenheit den Amphibien die Feuchtgebiete, die sie zum Laichen benötigen, zum anderen würden die in der Landwirtschaft genutzten Pestizide und Düngemittel die Haut der Tiere verätzen. Laut Holzmann führt vor allem jedoch die Zerschneidung der Landschaft durch den Straßenbau zu Problemen. "Auf den Straßen würde ohne unsere Hilfe ein regelrechtes Massaker stattfinden", merkt Wegemann an. Während der Coronazeit seien weniger Tiere überfahren worden, da auch weniger Autos auf den Straßen unterwegs waren. Durch die Zerschneidung der Lebensräume, sei auch der genetische Austausch zwischen den Tieren gestört, was zu einer Verarmung der Populationen führt. Dabei sei der Mensch auf eine vielfältige Biodiversität angewiesen, betont Wegemann.
Amphibien sind ein Indikator für den Zustand des Ökosystems insgesamt
Bei dem Ortstermin möchte der Bund Naturschutz besonders auf die Dringlichkeit hinter dem Erhalt der Arten aufmerksam machen. So seien die Amphibien ein Indikator für den Zustand eines Ökosystems, da aus ihrer Anzahl auch auf andere Arten geschlossen werden kann, sagt Schreiber. Auch Regina Wegemann, beobachtet mit Besorgnis schon seit Jahren den Rückgang an Amphibien, Vögeln und Insekten. "Da wir schon seit Jahrzehnten flächendeckend in ganz Bayern Amphibien retten, können wir das gut anhand unserer eigenen Daten belegen", sagt Wegemann.
Das Ökosystem funktioniert laut Schreiber wie ein Kartenhaus. "Oben steht der Mensch und eine der unteren Karten sind die Amphibien. Wenn ich diese Karte ziehe, dann bricht das ganze Kartenhaus zusammen." So seien wir beispielsweise auf Bienen angewiesen, da diese die Pflanzen bestäuben. Wenn die Insektenvielfalt zurückgehe, hätte das fatale Auswirkungen auf die Landwirtschaft und unsere Ernährung. Laut Holzner, ist die Artenschutzkrise eine Parallelkrise zur Klimakrise und betrifft dadurch jeden und jede einzelnen. Gregor Häuser, Ortsgruppenvorsitzender von Vaterstetten, findet auch, dass man den Erhalt der Biodiversität schon allein aus nostalgischen Gründen unterstützen muss: "Was wäre ein Spaziergang in der Natur ohne Vogelstimmen?"
Weitere Informationen zur Krötenwanderung und wie man den Tieren helfen kann, gibt es auf der Website des Bundes Naturschutz Ebersberg.