Kultur im Landkreis Ebersberg:Long Covid im Theatersaal?

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Noch ist die Grafinger Stadthalle leer - doch viele Stühle warten schon auf viele Zuschauerinnen und Zuschauer. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Jahresbilanzen der Veranstalter im Landkreis Ebersberg fallen sehr unterschiedlich aus. Manche kämpfen noch mit dem Zuschauerschwund, andere haben ihn bereits überwunden. Was hilft? Und worauf darf man sich freuen?

Von Anja Blum, Ebersberg

"Die Kulturszene hat sich bei weitem noch nicht von Corona erholt", sagt Hanno Größl, Chef der Glonner Schrottgalerie, einer kleinen freien Musikbühne. Vor allem brauche es nach wie vor sehr viel mehr Engagement, um die Menschen aus ihrer Trägheit heraus und zu Konzerten zu locken. "Das vergangene Jahr war bei uns jedenfalls eine ziemliche Berg- und Talfahrt, was das Publikum angeht", so Größl. Am Programm aber könne das nicht liegen, denn: "Das war immer top!" Deswegen sei es ja so schade, wenn nicht mehr Menschen in diesen Genuss kämen.

Ähnliches ist zu hören aus dem Ebersberger Kunstverein: Der Zuspruch habe 2023 sehr geschwankt, sagt Andreas Mitterer. "Das Arkadien-Festival zum Beispiel war super, hat aber zu wenig Menschen erreicht", so der Vorsitzende. Eine Kooperation mit den Jazzern hingegen habe dem Verein einige erstaunlich gut besuchte Veranstaltungen beschert. "Es ist momentan leider einfach unvorhersehbar, was Interesse weckt und was nicht."

Eine Schlagzeug-Performance von Gerwin Eisenhauer beim Kunstverein sorgt für eine volle Galerie. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch Axel Tangerding, Chef des Meta Theaters in Moosach, sagt, dass die Publikumszahlen noch nicht so hoch seien wie vor der Pandemie. "Und das schmerzt, denn der Zauber von Theater liegt ja gerade darin, dass dieses Erlebnis Gemeinschaft stiftet." Inhaltlich aber könne er sich nicht beschweren, so der Regisseur, die jüngste Eigenproduktion zum Beispiel gehe nun international auf Tournee, Vorstellungen für Grundschulklassen fänden zunehmend großen Anklang.

Zu einer "traurig-drastischen Entscheidung" sah sich nun Wolfgang Ramadan gezwungen, der sein Abo-Programm "Brotzeit & Spiele" auch in der Stadthalle Grafing anbietet: Ein massiver Publikumsschwund von rund 50 Prozent bei gleichzeitig gestiegenen Kosten habe ihn dazu gezwungen, den Spielbetrieb an drei Standorten - nämlich Isen, Siegertsbrunn und Wasserburg - im Jahr 2024 auszusetzen, erklärt der Impresario aus Icking.

Der 63-jährige Wolfgang Ramadan hätte sich gerne bald zur Ruhe gesetzt, doch daraus wird nun erst einmal nichts. (Foto: Christian Endt)

Vor der Pandemie habe es gerade für viele ältere Menschen zum Lebensstil gehört, regelmäßig ins Kabarett oder Konzert zu gehen, sagt Ramadan. "Aber während Corona haben sie diese Lücke offenbar mit etwas anderem gefüllt. Sie haben den Rückzug angetreten." In einigen Fällen sei aber wohl auch eine wirtschaftliche Misere schuld am Kulturverzicht, schon so mancher Abonnent habe gefragt, ob er später oder in Raten zahlen könne.

Für ihn als freien Unternehmer sei dieser Trend freilich eine bittere Pille, sagt Ramadan, doch er wolle weder jammern noch aufgeben. Vielmehr gelte es jetzt, nach neuen Wegen zu suchen, die "kulturelle Grundversorgung" in der Region aufrechtzuerhalten. Mit Politikern aller Ebenen sprechen, mit Künstleragenturen neu verhandeln, Förderungen beantragen: All das stehe nun auf dem Programm.

Der Markt Schwabener Theaterverein hat eine eigene Halle samt Lager. Das freut nicht nur den Chef Michael Siegert, kostet aber viel Geld. (Foto: Christian Endt)

Dies gilt allerdings nicht für Grafing. Dort nämlich seien einerseits die Zahlen besser als anderswo, sagt Ramadan, außerdem arbeite er hier bereits nach einem neuen Modell: als externer Dienstleister, der von der Stadt für ein "Rundum-sorglos-Paket" bezahlt werde - unabhängig vom Zuspruch des Publikums. Sprich: Das finanzielle Risiko trägt das Rathaus.

Eine komfortable Situation - von welcher der Markt Schwabener Theaterverein nur träumen kann. Er hat große Ausgaben, einerseits für den Aufwand der jährlichen "Weiherspiele", andererseits für den Unterhalt seiner Halle im Burgerfeld. Doch auf der Einnahmenseite sehe es gerade nicht sonderlich rosig aus, sagt Vereinschef Michael Siegert. Denn: "Auch wir spüren den Rückgang, sei es noch wegen Corona oder der Inflation."

Oliver Triendl lebt für die Musik - als Pianist, aber auch als Programmgestalter des Kulturvereins Zorneding-Baldham. (Foto: Christian Endt)

Deswegen investiere man gerade einiges ins Marketing. Das jüngste Freilufttheater wurde im Internet mit einer aufwendigen "Tour de Franz" beworben, für einen atmosphärischen Imagefilm habe man ein Profiteam engagiert, erzählt Siegert. "Denn wer einmal den Weg zu uns gefunden hat, der ist begeistert." Überdies plane man, mit den Weiherspielen diesmal früher in den Vorverkauf zu gehen - um einem Trend entgegenzuwirken. "Die Leute wollen sich nicht mehr so gerne festlegen", sagt Siegert. "Aber wenn wir früher starten, können wir vielleicht ein paar Geburtstags- oder Ostergeschenke mehr mitnehmen."

Von einer schwindenden Bindung an kulturelle Institutionen weiß auch der international gefragte Ebersberger Pianist Oliver Triendl zu berichten: "Man will lieber frei bleiben und sich rauspicken, was einem wirklich gefällt." Deswegen sinke auch beim Kulturverein Zorneding-Baldham, dessen künstlerischer Leiter Triendl ist, die Zahl der Abonnenten. Das sei aber kein Drama, man könne sich nicht beklagen, betont er, denn im Gegenzug würden nun eben mehr Einzelkarten verkauft. Insgesamt sei die Auslastung der beiden Konzertreihen jedenfalls gut. "Die Menschen sind uns treu - auch ohne Abo."

Die neue Aperitivo-Bar habe dem Alten Kino einige neue Gesichter beschert, sagt Hausherr Markus Bachmeier und freut sich. (Foto: Christian Endt)

Dass Tickets lieber später als früher gekauft werden, spürt man auch im Alten Kino in Ebersberg. Doch der Zuspruch an sich sei wieder so groß wie vor der Pandemie, sagt Chef Markus Bachmeier, entsprechende Bedenken hätten sich nicht bestätigt. "Wir hatten jedenfalls eine sehr gute Herbstsaison. Die Menschen wollen wieder ausgehen und sich unbeschwert amüsieren." Wobei - hier sei doch auch eine Veränderung spürbar: Das Publikum wirke beim Humor gespaltener als früher, erzählt Bachmeier. "Man hat das Gefühl, dass die Leute nach einer Pointe erst mal überlegen, ob sie darüber jetzt lachen dürfen oder nicht."

Ein Silvesterfest im Alten Kino allerdings werde es heuer nicht geben. "Das haben wir uns noch nicht getraut", sagt Bachmeier, "aus finanziellen Gründen." Denn man wolle den Jahreswechsel nicht als exklusive Gala begehen, sondern die Tür bei freiem Eintritt für alle weit öffnen. Doch solch ein großzügiges Angebot muss sich eine Kulturinstitution erst einmal leisten können - was nach einer Zeit mit vielen Einschränkungen freilich schwierig ist.

Entspanntes Sommerfeeling und viel Musik bei freiem Eintritt wird das Kulturfeuer in Ebersberg im kommenden Jahr wieder bieten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für das neue Jahr indes ist Bachmeier optimistisch gestimmt - sowohl was Silvester angeht als auch das beliebte Kulturfeuer im Klosterbauhof - weil sich eine wichtige Einnahmequelle dann endlich normalisiere: "Die Vermietungen des Alten Speichers an Vereine und andere Veranstalter wird 2024 wieder auf Vor-Corona-Niveau sein." So lasse sich der Kulturbetrieb dann leichter finanzieren. Und auch die anderen Veranstalter blicken dem neuen Jahr voller Vorfreude entgegen - weil sie tolle Programme planen, auf neue Fördermöglichkeiten hoffen und Jubiläen feiern werden. "Wir müssen doch Vorbilder sein und Optimismus ausstrahlen", sagt Triendl. "Das ist zumindest mein Vorsatz für 2024."

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