Ehrenamt im Landkreis:"Ich will ihnen helfen, damit sie ein gutes Leben führen können"

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Klaus Wintermann, Sarah Arnold und Maria Daxenbichler engagieren sich im Patenprojekt des Kreisbildungswerks. (Foto: Christian Endt)

Im Patenprojekt des Kreisbildungswerks Ebersberg unterstützen Ehrenamtliche Jugendliche bei Schulabschluss und Berufseintritt. Dabei lernen beide Seiten viel voneinander.

Von Michaela Pelz, Ebersberg

Ivo Todorov hatte schon viel allein geschafft. Im Alter von neun Jahren war er praktisch ohne Sprachkenntnisse nach Deutschland gekommen, er hatte sich durch die Schule gekämpft, sein Ziel war nun der Qualifizierende Hauptschulabschluss. Doch eins war klar: Ohne Hilfe würde es nicht gehen. Dann kam Klaus Wintermann ins Spiel. Der frühere Vertriebler in der IT-Branche und ehemalige Geschäftsführer, der mehrere Jahre in den USA verbracht hat, hat hervorragende Kenntnisse in BWL und Business-Englisch. Er half Todorov nicht nur, vor dem Quali und in der anschließenden Wirtschaftsschule seine Wissenslücken zu füllen. "Er hat mir auch sehr oft in den Hintern getreten", sagt der heute 21-jährige Schützling und lacht. Dass er, nach FSJ und einer längeren Tätigkeit im Fahrdienst der Malteser, nun eine Ausbildung zum tiermedizinischen Fachangestellten an der Tierklinik in Oberhaching machen kann, hat er seinem Paten zu verdanken.

Es ist eines von vielen schönen Beispielen aus dem Patenprojekt des Kreisbildungswerks. Jugendliche aus Mittel- oder Förderschulen - in Ausnahmefällen auch Realschulen - werden zusammengebracht mit Ehrenamtlichen, die mit ihnen den Schulstoff wiederholen, sie durch die Prüfungs- und Bewerbungsphase begleiten und manchmal auch bis ins erste Ausbildungsjahr.

Manche Jugendliche brauchen nur vor Prüfungen Unterstützung, andere benötigen länger Hilfe

"Idealerweise steigen sie in der achten Klasse ein", erklärt Sarah Arnold, die pädagogische Mitarbeiterin des KBW, die seit fast zwei Jahren das Projekt koordiniert. Die Dauer der Unterstützung durch die Paten ist dabei variabel - im Schnitt sind es rund anderthalb Jahre, die ein solches Tandem gemeinsam verbringt. Und zwar eben nicht im Rahmen einer Lerngruppe, sondern als Zweiergespann.

Wie etwa im Fall von Ivo Todorov und Klaus Wintermann. Seit rund zehn Jahren gehört der Einsatz als Pate zu den zahlreichen Aktivitäten und Ehrenämtern des agilen 72-Jährigen. Er tut das, wie er erzählt, deshalb, weil er selbst im Leben beruflich und privat so viel Glück gehabt habe, dass er nun etwas zurückgeben wolle. "Ich will ihnen helfen, damit sie ein gutes Leben führen und gutes Geld verdienen können." Der gebürtige Niedersachse, der seit 2001 in Ebersberg lebt, hat im Laufe der Zeit ein gutes halbes Dutzend Jugendliche betreut. Manche davon brauchten vor allem Unterstützung vor den Abschlussprüfungen und bei den Bewerbungen, so dass der Einsatz nach wenigen Monaten beendet war. Mit anderen traf er sich über Jahre. "Immer so eine, anderthalb Stunden. Drei Stunden machen keinen Sinn, das halten die nicht durch konzentrationsmäßig. Dann sieht man sich lieber zweimal die Woche", erklärt der fünffache Großvater.

Laut Sarah Arnold konnten in den elf Jahren, in denen das Projekt nun läuft, 47 Jugendliche erreicht und mit 5607 Stunden ehrenamtlicher Arbeit unterstützt werden. Wer sich ans KBW wendet? Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter oder Organisationen der Schulsozialarbeit, manchmal auch Eltern direkt. Unter den betreuten Jugendlichen, meist zwischen 14 und 16 Jahre alt, sind mehr Jungen als Mädchen. Bei den Paten gäbe es ebenfalls einen "leichten Männerüberhang".

Manchmal treffen sich Paten und Schützlinge auch in der Eisdiele

Doch auch Frauen fühlen sich von diesem Ehrenamt angesprochen - so wie Maria Daxenbichler. Die in Glonn lebende Bankkauffrau kannte ein ähnliches Mentoring-Programm durch ihren Münchner Arbeitgeber. So suchte sie gezielt nach einer Möglichkeit, sich in diesem Bereich ehrenamtlich einzubringen, als sie 2013 ihre Arbeitszeit reduzierte. Aber eben wohnortnah.

"Vielen unserer Ehrenamtlichen steht eine Übergangsphase bevor: Sie bringen sich ein, wenn sie in Altersteilzeit gehen oder in Rente. Ansonsten sind die Patinnen und Paten zwischen Mitte 50 und Jahrgang 1944", führt Arnold aus und ergänzt, dass ein Engagement bei interessierten Jüngeren oft an den zeitlichen Möglichkeiten scheitere - weil sie beruflich zu eingespannt seien oder selbst Schulkinder betreuen müssten.

Daxenbichler hat im Gegensatz zu vielen anderen Paten und Patinnen keine Kinder. Sie ist der Ansicht, dass auch jene Jugendlichen Unterstützung bekommen sollen, deren Familien sich kein teures Coaching leisten können. "Ich habe selbst eine duale Ausbildung gemacht, möchte ihnen den Start erleichtern," sagt die 55-Jährige, die auch Analogien zum christlichen Verständnis des Patenkonzepts sieht: "Man begleitet die Jugendlichen ein Stück ins Erwachsenenleben und bietet einen zusätzlichen Ansprechpartner außerhalb des Elternhauses." Auch wenn man keine tiefenpsychologische Betreuung leisten könne, sei es doch wichtig, das persönliche Drumherum im Auge zu behalten.

Für Jugendliche in der Pubertät ist das Privatleben bisweilen wichtiger als die Schule

Drei "total höfliche, freundliche" Mittelschülerinnen hat sie bisher betreut und dabei "große Achtung" vor dieser Schulform gewonnen, weswegen sie Eltern ermuntern möchte, die Scheu zu verlieren und ihren Kindern bei Bedarf eine solch praktisch ausgelegte Ausbildung zu ermöglichen. "Wenn man den Quali schafft, ist man ganz schön lebenstüchtig."

Trotz aller Begeisterung ist Daxenbichler, wie sämtliche Beteiligte, nicht blind für die Herausforderungen und manchmal Probleme, die es beim Programm gibt. Für Jugendliche in der Pubertät sei das Privatleben oft wichtiger als das Pauken von Mathe, Deutsch und Englisch. Wenn es dann auch nach einem zweiten Anlauf nichts werde, müsse es Konsequenzen geben und die Sache notfalls abgebrochen werden. "Man kann sie nicht zum Jagen tragen." Diese klare Linie sei auch für die Jugendlichen von Vorteil, weil sie damit einen Rahmen erhalten.

Für die Treffen hat Daxenbichler stets einen neutralen Ort gewählt: Direkt in der Schule, in einem Gruppenraum des Pfarrheims, auch mal in der Eisdiele. "In der Schule ist aber die Konzentration besser", sagt sie. Wintermann wiederum hat seine Schützlinge auch zu Hause aufgesucht, um die Eltern sehen zu lassen, was er macht und sie so zu beruhigen. Kamen die Kinder zu ihm, war seine Frau dabei. Da er als Pate niemanden disziplinieren dürfe, entstehe ein großes Vertrauen, sie öffneten sich, sähen ihn - trotz Siezen - als Kumpel. "Ich kann und will aber nicht der Vater sein. Am Ende müssen sie lernen, alleine zu gehen, selbst Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen." Er schenke ihnen das Wertvollste, das er habe - seine Zeit. Der Grund? "Diese Kinder sind unsere Zukunft." Doch auch Wintermann selbst hat profitiert: Mit seinem Paten"kind" Ivo habe sich mittlerweile sogar eine richtige Freundschaft entwickelt.

Damit auch das Projekt eine solide Zukunft hat, findet vom 24. Mai an ein Kurs zur Grundqualifizierung neuer Patinnen und Paten statt. Geld bekommen die Ehrenamtlichen keins, aber laufend Unterstützung in Form von Austausch und Fortbildungen. Ein Ausflug im Jahr ist auch noch drin. Warum gerade diese Form der Hilfe etwas ganz Besonderes und wirkungsvoll ist, erklärt Arnold so: "Die Maßnahmen in den Schulen sind toll, aber immer global für die ganze Klasse. Mit unserer Eins-zu-eins-Betreuung nehmen wir die Jugendlichen an die Hand."

Die Grundqualifizierung beginnt am 24.Mai. Ansprechpartnerin beim KBW ist Sarah Arnold: patenprojekt@kbw-ebersberg.de Telefon: (08092)85079-17.

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