Statt einer Ausstellung:Fenster-Galerie im Perschthof

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Die Forstseeoner Künstlerin Monika Margret Reisser erfreut Spaziergänger am Wanderweg zwischen Kirchseeon und Ebersberg mit ihren stimmungsvollen Werken

Von Michaela Pelz

Das Prado hat zu. Der Louvre auch. Die Alte Pinakothek ist geschlossen. Die Neue sowieso. Nirgendwo haben ausgehungerte Kunstliebhaber die Chance, ein paar Bilder zu betrachten - außer vielleicht im Internet, wo Mensch dieser Tage ohnehin viel zu viel Zeit verbringt.

Nirgendwo? Falsch! Denn einige ausgewählte Stücke finden sich sehr wohl im Ebersberger Landkreis. Open Air, zum Nulltarif - und ausgerechnet an seinem geografischen Mittelpunkt, nämlich im mehr als 750 Jahre alten Kirchseeoner Ortsteil Forstseeon. Dort, direkt am Wanderweg Kirchseeon-Ebersberg, steht nämlich - dem farbenfrohen Wappen an der Hauswand nach schon seit 1328 - der Perschthof. Seit kurzem hat das denkmalgeschützte Bauernhaus eine zusätzliche Attraktion zu bieten: eine Fenster-Galerie.

Reissers Serie "Vom Dunkel ins Licht" ist auch ausgestellt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zu verdanken ist dies Monika Margret Reisser. Seit 1980 lebt die Absolventin der Wiener Akademie für Angewandte Kunst dort mit ihrer Familie. Als sie kurz vor Ostern in einem TV-Bericht sieht, wie Berliner Künstler zur Erbauung der Passanten ihre Werke in Fenstern ausstellen, denkt sie sofort an all die Menschen, die beim Spaziergang, Fahrradausflug oder Joggen an ihrem Hof vorbeikommen. "Natürlich ist das nicht dasselbe wie eine Ausstellung, aber besser als nix, man kommt auf andere Gedanken", sagt sich die quirlige 75-Jährige. Darum wählt sie aus ihrem reichhaltigen Fundus fünf Arbeiten aus und bestückt damit drei Fenster zur Straße.

Ganz links befindet sich die Serie "Vernetzter Kosmos" aus experimentellen Radierungen. Hier ist der Titel Programm: Im ersten Bild zeichnen sich vor grünem Hintergrund klar umgrenzte Kugeln in Schwarz, Rot und Gold ab, beim anderen erinnern die Kreise auf aquamarinfarbenem Grund an den Feuerball der untergehenden Sonne hoch über dunkler Erde. Zusätzlich sind die dünnen, eingefärbten Aluminiumplättchen von Gaze bedeckt. Diese Kombination aus "hart grafisch und leicht fedrig" hat es, zusammen mit dem gelungenen Farbenspiel, einer Spaziergängerin angetan, die sich lange in die Betrachtung der Exponate vertieft. Bei den im Fenster rechts davon sichtbaren Aquarellen lobt die Ebersbergerin den Kontrast zwischen den schwarzen Steinen und der leichten, flirrenden Helligkeit des Hintergrunds. "Vom Dunkel ins Licht" heißt diese Serie, ursprünglich Sinnbild der Auferstehungsgeschichte. Analogien zur aktuellen Lage sind nicht zu übersehen. "Der Stein, der weggerollt wird, passt auch zu Corona, denn jeder hat Sorgen, Nöte, Steine auf der Seele und hofft auf das Licht", sagt die Künstlerin, die sich schon lange mit religiösen Themen beschäftigt und oft auf dem Jakobsweg unterwegs war. In der Tat wirken die warmen, gelb-orangenen Federstriche ausgesprochen verheißungsvoll und hoffnungsfroh.

"Ostermond" hingegen zeigt ganz konkret, was die Menschen derzeit am meisten bedrückt: Unter dem gelben Ball steht jemand in einem umzäunten Areal - da tröstet auch der Blick über satte Wiesen hin zum dunkelgrünen Forst nur bedingt. Die Pastellfarben stammen aus dem Nachlass eines Kollegen, sonst arbeitet die Künstlerin eher mit Aquarell, Acryl oder Öl. Mit der Bildaussage hat sie aber offenbar einen Nerv getroffen: Gefragt, was ihm am besten gefallen habe, entscheidet sich ein 21-jähriger Radler ohne zu zögern für genau dieses Werk. Ein Hinweisschild vor dem Gebäude hat ihn auf die "Fenster-Galerie" aufmerksam gemacht.

Zu sehen ist auch die Serie "Vernetzter Kosmos". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Weil sich aber nicht nur zufällige Passanten, sondern auch Nachbarn an dem erfreuen, was ihnen dargeboten wird, will Reisser - "so lange, bis sich alles wieder normalisiert hat" - die Bilder in regelmäßigen Abständen austauschen. Dabei schließt die langjährige VHS-Dozentin, die genau jetzt eine Ausstellung im Zornedinger Rathaus gehabt hätte, nicht aus, dass diese Art der Präsentation zu einer Institution werden könnte; "wir sind ja eh am Weg", lacht sie. Das Spektrum ihres Schaffens kann auf diese Weise natürlich nicht abgebildet werden, schon aufgrund der Größe des durch die Fenster vorgegebenen Rahmens. Diesen definitiv sprengen würden etwa die beiden metergroßen Werke "Tod und Auferstehung", die in der Auferstehungskirche Grafing besichtigt werden können (9 bis 18 Uhr). Angelehnt an Rothko hat Reisser vor allem in das erste Bild, entstanden 2009, ihre ganze Trauer um den Verlust der Mutter hineingemalt.

Auch mit der Pandemie hat sie sich künstlerisch auseinandergesetzt. Die Geschichte das Bildes "Wo ist Corona?" erzählt die charmante Österreicherin so: "Das war, als es so richtig losging. Ich hatte keine Leinwand, alles war zu, man konnte nichts kaufen. Da sagte mein Mann: Such dir halt ein Bild, das du nicht so magst, und übermale es!" Tatsächlich fand sie eines, auf dem Rot dominierte - "wahrscheinlich ein Versuch einer meiner Schülerinnen, mit Strukturpaste zu arbeiten". Durch einen blauen Hintergrund sorgt die Malerin dafür, dass die bisher eher schwammigen Fetzen nun durch den Raum schweben. Eine konkrete Darstellung des Virus lehnt sie allerdings entschieden ab.

Das will man auch gar nicht sehen - obwohl es sicher außerordentlich nützlich wäre, das blöde Ding schon von weitem erkennen zu können. Viel lieber freut man sich an anderen Motiven der Malerin, die nicht nur Stimmungen wunderbar erfassen kann, sondern auch zum Wohl der Kunsthungrigen beiträgt. Und das nicht etwa in Madrid, Paris oder München, sondern in Forstseeon.

© SZ vom 25.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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