Familien im Landkreis Ebersberg:Wenn ein Stock zum Zauberstab wird

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Schon allein durch Hilfe bei den Hausaufgaben kann ein Pate eine Familie spürbar entlasten. (Foto: Mascha Brichta/dpa-tmn)

Der Kinderschutzbund Ebersberg sucht wieder neue Paten und Patinnen. Diese betreuen für zwei Stunden pro Woche ein Kind. Die Aufgaben sind so wie die Familien, nämlich bunt.

Von Anna Steinhart, Ebersberg

"Manchmal wächst einem als Familie einfach alles über den Kopf", sagt Janne Poelz vom Kinderschutzbund Ebersberg. Abhilfe schaffen kann in solch einer Situation eine ehrenamtliche Person, die die Familie entlastet, indem sie zeitweise ein Kind betreut. Mit ihm in die Natur geht zum Beispiel, oder bei den Hausaufgaben hilft.

Der Bedarf an Paten und Patinnen ist laut Poelz im Landkreis Ebersberg immer da. Das Projekt sei sehr wichtig, da viele Familien, die an der Belastungsgrenze stünden, oftmals kein Netzwerk hätten und darüber hinaus nicht wüssten, wie sie sich Hilfe suchen könnten. Auf der anderen Seite aber gebe es glücklicherweise Menschen, die gerne Zeit zur Verfügung stellen und sich ehrenamtlich engagieren wollten. Diese beiden Gruppen führt Koordinatorin Poelz dann zusammen. Momentan existierten im Landkreis ungefähr 30 solcher Patenschaften, sagt sie.

Eine der Patinnen ist Irma Ullrich. Sie habe schon länger nach einem Ehrenamt gesucht, erzählt sie, die Idee, Familienpatin zu werden, sei dann während der Pandemie aufgekommen: In dieser Zeit habe sie selbst gemerkt, wie einem alles schnell mal zu viel werden könne. Dann habe sie die Anzeige gesehen - und sich angemeldet.

Einmal die Woche besucht Ullrich ihr Patenkind für ungefähr zwei Stunden. Das Alter der Kinder kann zwischen fünf und 16 Jahren liegen, Ullrich betreut schon seit mehr als einem Jahr einen siebenjährigen Jungen. Eigentlich sei eine Patenschaft nach einem Jahr beendet, erzählt sie, doch sie verstehe sich so gut mit ihm, dass sie um ein weiteres Jahr verlängert habe.

Fachkoordinatorin Janne Poelz (links) steht Patin Irma Ullrich bei Fragen jederzeit zur Verfügung. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Um Pate oder Patin zu sein, braucht es laut Poelz gar nicht viel. Meist reiche es schon, Zeit zu haben und zuzuhören. Gerade in Familien mit vielen Kindern käme das nämlich oftmals zu kurz. "Man muss auch gar nicht unbedingt ins Kino gehen, meist reicht schon der Spielplatz", sagt Poelz. Diese Erfahrung hat auch Ullrich gemacht: Ihr Patenjunge wollte zwar anfangs lieber vor dem Fernseher Zeit verbringen als auf dem Spielplatz. "Inzwischen geht er aber gerne mit mir dorthin und will sogar meistens noch länger draußen bleiben. Er ist so begeisterungsfähig, da wird ein Stock auch schnell mal zum Zauberstab", sagt sie. Und im Winter hätten sie ganz besonders viel Spaß gehabt: Bei dem Versuch, Schneebälle von einem Haufen rollen zu lassen, sei der Junge immer wieder mit heruntergerutscht, erzählt Ullrich mit einem Lachen.

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Auftrag erfüllt, kann man also sagen, denn das große Anliegen der Familie war gewesen, dass der Junge mehr Zeit an der frischen Luft verbringe. Während der Pandemie nämlich sei das zu kurz gekommen. Alle Familien können laut Poelz einen Wunsch äußern, was sie sich von der Patenschaft erhoffen. Etwa mehr Zeit für sich als Eltern zu haben, die Kinder für die Natur zu begeistern oder mehr Beachtung für die Geschwisterkinder zu schaffen. Auf Grundlage dieses Wunschs suche der Kinderschutzbund dann einen passenden Paten aus.

Ullrich erzählt, dass es sie sehr rühre, zu sehen, wie viel Wert der Junge auf den gemeinsamen Termin legt: Bereits während der gemeinsamen Zeit wolle er wissen, ob sie nächste Woche wiederkäme. Aber auch zu den Eltern entstehe eine ganz besondere Bindung, da viele es zum ersten Mal erlebten, dass ihnen richtig jemand richtig zuhöre. "Und das Vertrauen, das sie mir schon vom ersten Tag an geschenkt haben, ohne mich zu kennen, hat mich wirklich vom Hocker gehauen", so Ullrich.

Die Paten sind mit ihren Gedanken und Bedenken nicht alleine

Einmal im Monat treffen sich die Familienpaten miteinander, um sich auszutauschen und als Team zusammenzuwachsen. Dabei geht es laut Poelz mehr darum, ins Gespräch zu kommen als etwas zu lernen. Denn es sei auch sehr wichtig, dass die Paten ihre eigenen Ressourcen im Blick hätten und mit ihren Gedanken und Bedenken nicht alleine seien. Deswegen ist Poelz ein fester Ansprechpartner für sie. Schulungen gibt es auch, aber nur an zwei Wochenenden im Jahr. Dabei werden Themen wie die Wahrung von Distanz behandelt.

Natürlich sei nicht alles immer nur einfach, merkt Ullrich an. Ihr Patenkind zum Beispiel erzähle nur selten etwas von sich aus und antworte auf viele Fragen einfach nur mit "Ich weiß nicht". Das sei ihr am Anfang etwas schwergefallen, doch inzwischen wisse sie: "Das Kind ist so. Und das akzeptiere ich." Sie habe gelernt, Geduld zu haben und offen und vorurteilsfrei in Familien hineinzugehen. Man kenne die Hintergründe ja nicht und solle deshalb keine voreiligen Schlüsse ziehen. Wichtig sei auch, mal die Perspektive zu wechseln, sagt Poelz: "Man darf nicht vergessen, wie schwer es einer Familie fallen muss, sich Hilfe zu suchen. Dass man von sich aus zum Jugendamt geht, ist schon ein großer Schritt."

Mit Blick auf die betroffenen Familien "sollte nicht nur das Negative hervorgehoben werden, sondern auch das, was gut läuft", sagt Poelz. Wenn es ein warmes Mittagessen gebe oder mal einen Ausflug in die Natur zum Beispiel sei das durchaus positiv. Und allein so ein Lob würde schon viele Familien dazu motivieren, die Dinge noch mehr selbst in die Hand zu nehmen und ihr Kind beispielsweise bei einem Verein anzumelden. "Hilfe zur Selbsthilfe", nennt das Poelz.

Familienpaten: Infoabend beim Kinderschutzbund Ebersberg am Dienstag, 12. März, um 18 Uhr in der Von-Feury-Straße 10. Familien, die Hilfe benötigen, können sich beim Jugendamt und der Koordinierenden Kinderschutzstelle melden. Diese vermitteln dann weiter an den Kinderschutzbund.

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