Es ist eng, doch die Harfe passt in den Fahrstuhl. Riesig wirkt sie, im Vergleich zu dem schmalen Musiker, der sie hineinschiebt. Und sowieso ist hier alles beeindruckend, in der Hochschule für Musik und Theater in München: die Marmortreppe, die hohen Decken, die wertvollen Instrumente. Dazwischen laufen an diesem Tag viele kleine, aufgeregte Menschen umher, begleitet von Größeren, die meist noch viel aufgeregter sind. Denn in der Hochschule findet gerade der Regionalwettbewerb von "Jugend musiziert" statt. Rund 550 Teilnehmer aus München und den umliegenden Landkreisen hatten sich in diesem Jahr für den Regionalentscheid angemeldet, das sind rund zweihundert mehr als im Jahr zuvor. Da der Andrang so groß ist, finden diesmal auch Auftritte in der städtischen Sing- und Musikschule statt. Für die vielen junge Klavierspieler musste zudem eine zweite Jury eingesetzt werden.
Allein aus dem Landkreis Ebersberg waren es 32 Jungmusiker, die beim Regionalwettbewerb ihr Talent beweisen wollten, 19 davon am Klavier. 20 erste Preise gingen in den Landkreis, zwölf Ebersberger konnten sich für den Landeswettbewerb von "Jugend musiziert" qualifizieren, der im April in Regensburg stattfinden wird. Einen ersten Platz, also mindestens 23 der möglichen 25 Punkte, erreichte auch Greta Hillebrenner aus Kirchseeon. Allerdings ist es erst ab einem gewissen Alter, heuer ab dem Jahrgang 2010/11 möglich, am Landesentscheid teilzunehmen. Greta ist mit ihren acht Jahren dafür noch zu jung.
Rund eine halbe Stunde vor ihrem Vorspiel sitzt Greta in einem der Einspielräume - bevor sie der Jury gegenübertreten, bekommen die jungen Musiker Zeit, sich einzustimmen und auf den rund zehnminütigen Auftritt vorzubereiten. Greta hat auf dem Klavierhocker Platz genommen, ihre Füße baumeln noch weit über dem Boden, die Pedale kann sie noch nicht nutzen. Seit rund einem Jahr spielt sie Klavier, zusätzlich noch Geige, und übt jeden Tag. Große Augen, ein schüchternes Lächeln - ein bisschen aufgeregt sei sie schon, sagt die Achtjährige mit zarter Stimme. Umso eindrücklicher wird es sein, wenn sie später dem Flügel im Wertungssaal nebenan tiefe, dunkle Töne entlockt, dann wieder einige schnelle, hohe Läufe, und all das mit einer Leichtigkeit, die sogar die streng blickende Prüferin kurz zum Lächeln bringt. All das kann Greta in diesem Moment im Einspielraum nicht wissen, noch blickt sie verunsichert zu ihrem älteren Bruder Xaver, der ihr Gesellschaft leistet. Auch er spielt Klavier und zusätzlich Cello - die ganze Familie ist musikalisch, alle drei Kinder haben bereits an "Jugend musiziert" teilgenommen. Nach dem Auftritt ihrer kleinen Schwester klatschen die beiden Geschwister stolz, nehmen sie draußen auf dem Flur in ihre Mitte, loben sie für ihre gelungene Leistung.
Es sind schöne Momente auf den Fluren und vor allem auf der großen Marmortreppe, die als Erinnerungen an diesen Tag festgehalten werden: Fotos mit der ganzen Familie, stolze Eltern, posierende Kinder. Manche von ihnen sehen dabei selbst aus wie kleine Erwachsene - da stehen Grundschulkinder im Cocktailkleid, mit weißer Fellstola über den Schultern, im weißen Hemd. Vor dem Chorraum geht Anna Freytag auf und ab, sie trägt Turnschuhe zu ihrem blauen Kleid. In wenigen Minuten möchte sie dem Publikum und der Jury ihr Talent als Sopranistin beweisen. Die Schülerin aus Garching singt viermal in der Woche im Kinderchor der Bayerischen Staatsoper, einmal in der Woche hat sie zusätzlich Gesangsunterricht. "Ich möchte unbedingt Sängerin werden", sagt die 13-Jährige. Deswegen spiele sie obendrein noch Klavier und Geige, denn zwei Instrumente zu beherrschen sei Voraussetzung für das Gesangsstudium. Dass sie nun auf und abläuft, dabei möglichst nicht redet, ist ihre ganz eigene Art, sich zu beruhigen, die Nervosität auszugleichen, gleichmäßig zu atmen. Sobald sie dann auf der kleinen Bühne im Chorsaal steht, ist die Nervosität trotzdem da, doch zum Glück erklingen dann die ersten Takte auf dem Klavier, Robert Schumanns "Marienwürmchen" - die Spannung fällt ab und ihre Stimme füllt den Raum.
Doch es gibt auch diejenigen, die gar nicht aufgeregt wirken. Zum Beispiel der siebenjährige Leon Gonnemann: Vor seinem Auftritt stellt er sich in Hemd und dunkelblauem Pullunder vor das Publikum, verneigt sich mit einer gekonnten Bewegung. Ob er auswendig spiele, fragt ihn ein Jury-Mitglied. Da zuckt der junge Pianist aus Dachau nur mit den Schultern - ob mit oder ohne Noten, das scheint kein Problem zu sein. Unbekümmert setzt er sich an den Flügel und spielt los, ohne Zögern bewegen sich seine Finger über die Tasten, der Blick konzentriert, seine Bewegungen spüren dem Rhythmus nach.
In den Musiksälen müssen die Handys ausgeschaltet sein, keine Fotos, keine Tonaufnahmen von diesem Moment, für den meist die komplette Familie gekommen ist. Die ganze Aufmerksamkeit liegt dann auf den jungen Musikern, die Angehörigen sitzt währenddessen im Publikum. Sobald das eigene Kind anfängt zu spielen, setzt allerdings bei den meisten Eltern eine bestimmte Bewegung ein: das Kopfnicken. Bei manchen kaum merklich, ein sanftes Auf und Ab bei jedem Ton, bei anderen ganz deutlich, und sobald die Jungmusiker einen Blick in das Publikum werfen, wird der Daumen hochgestreckt oder ein Klatschen angedeutet. Hörbaren Applaus gibt es erst, sobald ein Musiker alle seine Stücke gespielt hat. So auch bei Leon, der nun aufsteht und sich noch einmal vor seinem Publikum verneigt - wie einer von den ganz Großen.
Die Gewinner:
Streicher-Ensemble: Patrick Bail und Heinrich Kremer, beide aus Ebersberg und am Violoncello, erhielten einen ersten Platz und dürfen am Landeswettbewerb von "Jugend musiziert" teilnehmen.
Geiger Dean Liu aus Vaterstetten durfte sich ebenfalls über einen ersten Preis freuen.
Klavier: Evelin Enthammer, Timotheus Lass und Amelie Sieben, alle aus Grafing, sowie Sarah Kohn und Zheng Huang aus Markt Schwaben erhielten einen ersten Platz samt Einladung zum Landeswettbewerb.
Einen ersten Preis ohne Weiterleitung gab es für: Charlotte Hullik, Sissy Zhaoxi Jin und Caroline Pan aus Poing sowie für Greta Hillebrenner aus Kirchseeon.
Einen zweiten Preis erspielten Theresa Benzinger aus Frauenneuharting, Mikhail Litovtchenko aus Ebersberg, Kai Mei aus Poing, Emmanuela Kampouridou aus Anzing, Angelo Novello aus Markt Schwaben sowie Sven Seso aus Kirchseeon. Einen dritten Preis nahmen Anna Litovtchenko aus Ebersberg, Melanie Kinzner und Yizhen Liang, beide aus Markt Schwaben, mit nach Hause. "Mit gutem Erfolg" teilgenommen hat Katharina Notter aus Ebersberg.
Gesang: Hanna Viktoria Winroth (Sopran) aus Vaterstetten und Anastasia Kryshtopina (Mezzosopran) aus Kirchseeon qualifizierten sich mit einem ersten Platz für den Landeswettbewerb.
Über einen ersten Preis freuen durften sich außerdem Nina Viktoria Yaqob (Sopran) aus Kirchseeon und Tycho Maria Kull (Mezzosopran) aus Steinhöring.
Harfe: Katharina Rein aus Zorneding, Maria Pogolski aus Vaterstetten sowie Sophie Pfaffenstaller aus Angelbrechting überzeugten die Jury an der Harfe und sind jeweils für den Landeswettbewerb qualifiziert.
Einen ersten Preis für den Landkreis holte darüber hinaus die Harfenistin Lucy Pogolski aus Vaterstetten.
Einen zweiten Platz gab es für Tamino Larisch aus Grafing und Sophie Betzl aus Kirchseeon.