Amtsgericht Ebersberg:Haftstrafe für Computerbetrüger

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Ein 37-Jähriger muss trotz geistiger Beeinträchtigung hinter Gitter.

Von Anselm Schindler, Ebersberg

An diesem Dienstagvormittag herrschte Ratlosigkeit im Ebersberger Amtsgericht, selbst Verteidiger und Staatsanwalt tauschten hilflose Blicke aus. Dabei sind Tathergang und Schuldfrage recht eindeutig: Der Angeklagte hat, das gibt er zu, mehrere Smartphones auf falsche Namen und E-Mailadressen bestellt und die Geräte dann verkauft. Dabei ging es um mehrere tausend Euro.

Und: Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt auf Bewährung, auch das wegen diverser Betrugsfälle, zudem ist der neuerliche Verstoß gegen die Bewährungsauflagen nicht der erste. Das lässt, wirft man einen Blick in die Gesetzbücher, kaum noch Spielraum für ein mildes Urteil. Richterin Vera Hörauf verurteilte den Angeklagten zu acht Monaten Haft. Doch auch ihr fiel das sichtlich schwer, denn: Der Angeklagte ist seit seiner Geburt geistig beeinträchtigt.

Über die Jahre hat der 37-Jährige, der nach seiner Ausbildung zum Textilreiniger arbeitslos wurde, mehr als 90 000 Euro Schulden angesammelt, es fällt ihm schwer, mit rund 400 Euro Sozialhilfe im Monat zurechtzukommen. Auch eine Therapie wegen einer diagnostizierten Kaufsucht hat er bereits hinter sich, doch von Internet-Betrügereien hielt ihn das nicht fern. Nach diversen anderen Verurteilungen wegen Betrugs hat er im Landkreis alle möglichen Betreuungsangebote durchlaufen, doch ohne gewünschten Erfolg. Auch in einer Tagesklinik und im therapeutischen Wohnen wurde er wegen Betrugsfällen abgewiesen, wie seine gesetzliche Betreuerin berichtet.

Schuldfähig sei der Angeklagte aber trotz geistiger Beeinträchtigung, betonte eine Sachverständige aus München, die für das Gericht ein psychiatrisches Gutachten erstellt hat. Zwar weise der Angeklagte wegen diverser Entwicklungsstörungen ein oft kindliches Verhalten auf, doch verfüge er sehr wohl über ein Unrechtsempfinden, erklärte die Gutachterin. Die Unrechtmäßigkeit seiner Handlungen seien ihm bei den Straftaten deshalb durchaus bewusst gewesen.

Seit einigen Monaten hat der Angeklagte einen Hund, um den er sich, so bestätigten es Betreuerin und Gutachterin, auch zu kümmern weiß. Auch das sei ein Hinweis darauf, dass der 37-Jährige sehr wohl Verantwortung für sein Handeln übernehmen könne, argumentierte Richterin Vera Hörauf.

Und weil der Angeklagte sich in diversen sozialen und psychiatrischen Einrichtungen im Landkreis einen Namen - im negativen Sinne - gemacht habe , sei es kaum möglich, ihn zu weiteren Eingliederungsmaßnahmen zu verpflichten, die eine Haftstrafe nochmals abwenden könnten, schlussfolgerte die Richterin. Im Gefängnis gebe es kein Internet, eine Haftstrafe halte den Angeklagten deshalb von weiteren Straftaten ab, auch sei dort ein geregelter Alltag gegeben, so Hörauf mit Blick auf den Angeklagten, der seit langem wohnungslos ist und deshalb in einer Notunterkunft lebt.

Die Sachverständige sah eine Haftstrafe beim Angeklagten allerdings nicht als "zielführend" an, sein Pflichtverteidiger wies auf die erschwerten Bedingungen für geistig beeinträchtige Menschen in Haft hin, "ich kann für nichts garantieren wenn er da wieder raus kommt", sagte der Verteidiger. Doch eine Alternative für die Haftstrafe wollte auch ihm nicht einfallen. In dem Verfahren ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, der Verteidiger will in Berufung gehen.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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