"Wenn es zu sehr wehtut, höre ich auf," sagt die Prophylaxeassistentin. Sie ist eine fantastische Frau, man kennt sich seit Jahren und vertraut ihr blind. Ebenso wie ihrer Chefin, der Zahnärztin. Wäre es überall so wie in dieser Praxis, niemand müsste je eine Dentophobie entwickeln.
Trotzdem macht das, was sie gerade tut, keinen Spaß. In dem Moment, wo es heißt, "bitte nicht schlucken", stellt sich instantan der Impuls ein, genau das tun. Und dann erst die Geräusche! Manche davon scheinen ihren Weg ohne jeden Umweg unmittelbar ins Gehirn zu finden. (Kleiner Funfact: Alle, deren Vorstellungskraft kein passendes Äquivalent produziert, können es sich im Internet in Dauerschleife anhören - Stichwort " Soundeffekte und Geräusche, Vol. 2 - für Hintergrund, Film und Hörspiele").
Andererseits soll auch die fast meditative Wirkung nicht unerwähnt bleiben, die durch den Einsatz mancher Instrumente erzielt wird - etwa jenem Utensil, das die Sprechstundenhilfe vor vielen Jahren im Gespräch mit Kindern im Grundschulalter liebevoll "Schlürfi" nannte.
Früher gab es das ja alles nicht. Weder die im Umgang mit kleinen Menschen bestens versierte Fachkraft noch automatische Absauggeräte. Stattdessen erinnert sich das sehr junge Ich an die nach kaltem Zigarettenrauch riechenden Wurstfinger der Dentistengattin, die erbarmungslos den Mund sich windender Kleinstpatienten öffnete, während diese verzweifelt gegen einen Brechreiz ankämpften, der manchmal sogar den Sieg vor unkontrolliertem Speichelfluss davontrug.
Manchmal, wenn "Frau Doktor", die wie so viele ihrer Generation am Standesamt promoviert hatte, aus Versehen auf die Pfoten des neben dem Behandlungsstuhl liegenden Riesenpudels trat, übertönte dessen Aufjaulen die Schmerzensschreie. Nach einem beherzten Biss in den Zeigefinger ihres Mannes war man in der Praxis allerdings nicht mehr so gerne gelitten, so die Erinnerung.
Ach ja, es gibt so viele schöne Stories rund um den oft völlig zu Unrecht verhassten Zahnarztbesuch. Bei so ziemlich allen Gelegenheiten - außer vielleicht im Wartezimmer - eignen sie sich deutlich besser zum Small Talk als das Wetter. Etwa die Geschichte jenes Kollegen, der stolz den neuen Zahnersatz rühmte - "im Gegenwert eines Kleinwagens". Oder die Sache mit der güldenen Füllung, die laut Tatsachenbericht nach dem Verschlucken trotz tagelanger, akribischer Inspektion des eigenen Outputs nicht mehr zum Vorschein kam.
Und während die Gedanken noch mäandern, ist auch schon wieder alles vorbei. Der Schmerz lässt sich ertragen, die einzig richtig fiese Empfindung während der nächsten 60 Minuten wird vom scheußlichen Geschmack des nach der Reinigung in die Zahnfleischtasche gespritzten Medikaments stammen. Aber das Leben ist halt kein Ponyhof - nicht mal bei der besten Zahnärztin der Welt.