Kirchenmusik im Landkreis:Posaunist zur Ehre des Herrn

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Vor bald 40 Jahren hat Philipp Hasselt den "Ebersberger Posaunenchor" gegründet. Er leitet ihn bis heute. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Musik als lebendige Form von Verkündigung bewegt Philipp Hasselt - und beschert dem Ebersberger Ensembleleiter nun die begehrte Ehrennadel "Soli Deo Gloria".

Von Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

Sie ist eine rare Auszeichnung, die Ehrennadel "Soli Deo Gloria" der Bayerischen Landeskirche. Alle sechs Jahre darf jeder der sechs evangelischen Kirchenkreise im Freistaat Vorschläge machen, wer sie für herausragende Dienste in der Kirchenmusik verdient haben soll. Wer sie erhält, rückt damit in die Nachfolge keines Geringeren als Johann Sebastian Bach, der viele seiner Werke mit diesen drei Worten zeichnete: "Allein Gott die Ehre" sei seine Arbeit. Ein Motiv, das sich auch Philipp Hasselt zu eigen gemacht hat, der heuer aus den Vorschlägen der Region München und Oberbayern den Zuspruch der Jury erhielt. 1987 gründete er den Ebersberger Posaunenchor und ist seither dessen Leiter. Kein Wunder, dass ihn Pfarrer Edzard Everts anlässlich der Verleihung der Nadel als "personelle Konstante unserer Kirchengemeinde" bezeichnete. Sprich: Pfarrer kommen und gehen, die Musik bleibt.

Dienen ein und derselben Sache: Kirchenmusiker Philipp Hasselt (links) und Pfarrer Edzard Everts. (Foto: Christian Endt)

Was, im Sinne der Verkündigung, eine respektable Leistung ist. Denn Kirchenmusik in evangelischen Gotteshäusern versteht sich als Übermittlerin der göttlichen Botschaft, wovon - ebenfalls geprägt durch Bach - die vielen Choräle künden, die biblischen Gedanken einen intensiven Nachklang geben. "Was wir spielen, sind Glaubensinhalte", sagt Hasselt und sieht sich da im Dienst dessen, was in der Apostelgeschichte als Auftrag formuliert ist: Das Wort Gottes hinauszutragen bis ans Ende der Erde - "und bis nach Ebersberg", wie Dekanin Dagmar Häfner-Becker bei der Feierstunde im Gemeindehaus ganz ohne Spott hinzufügte, wo man sich über die anerkannte musikalische Qualität des gelernten Posaunisten freuen könne. "Wir waren ziemlich überwältigt, wie dicht und intensiv Ihr Engagement ist", sagte sie in der Laudatio. Allein schon die Jahrzehnte währende Nachwuchsarbeit habe hohen Respekt verdient, zumal sie getragen sei "von der Liebe zu den Menschen".

Die Offenheit fürs Menschliche, fürs Individuum, so räumt der Musiker gern ein, sei eine essenzielle Voraussetzung dafür, einen Klangkörper allgemein und einen Posaunenchor im Besonderen zu leiten. Gerade weil ein solches Ensemble im evangelischen Gottesdienst stets auch Stimme der Gläubigen ist, gelte es die ganze Vielfalt an Können und Wollen so zu modellieren, dass sie auch klar und nachdrücklich erklinge. Eine von Hasselts musikpädagogischen Methoden macht den Gedanken der musikalischen Sprache immer wieder spürbar: Studiert der Posaunenchor ein neues Stück ein, lässt er die Bläserinnen und Bläser die Texte und Melodien zunächst sprechen und singen, bevor sie mit Trompeten und Posaunen, mit Horn und Tuba den nächsten Schritt der Interpretation gehen. "Daraus ergibt sich auf natürliche Weise die richtige Akzentuierung der Stücke", sagt Hasselt. "Dabei reift auch das Verständnis dafür, wie wir mit unserer Musik die Stimmungen der Menschen aufgreifen - oder erzeugen."

Bei der Preisverleihung im evangelischen Gemeindehaus dirigiert Philipp Hasselt mit der kleinen goldenen Ehrennadel zwischen den Fingern. Geht offenbar auch. (Foto: Edzard Everts/oh)

Dass er selbst seit Teenagertagen der Posaune vertraut, hat auch damit zu tun, dass er ihren tiefen, warmen Klang als Ausgleich zu seiner Persönlichkeit begreift. "Sie mildert mein Temperament, zügelt meine manchmal vorhandene Ungeduld", sagt er, der heute als Bassposaunist der Münchner Symphoniker dieses Instrument aus Profession spielt. Ein Selbstverständnis, das der Laudator der Preisverleihung aufgreift: Markus Lugmayr, katholisches Pendant Hasselts, ist von der Tiefe des Menschen beeindruckt, dem er seit vielen Jahren eng verbunden ist - nicht nur in der Musik, sondern in vielen Gesprächen, auch über den Glauben. "Wir wissen beide, wie es sich anfühlt, etwas für wirklich wahr zu halten", sagt er und weist einen Weg über jeden Graben, der weltanschaulich unsere Leben durchschneidet: "Der Horizont jeden Streits ist der gemeinsame Horizont der Überzeugung." Dafür danke er dem Freund.

Er teile mit Hasselt die Freude daran, so Lugmayr, mit musikalischen Laien im kirchlichen Kontext zu arbeiten. Das seien "lauter Leute, die nicht kommen müssen, sondern dabei sind, weil's so schön ist", bringt er die Anziehungskraft dieses Miteinanders auf den Punkt. Dass es dabei gelte "immer und immer und immer wieder von vorne anzufangen, das ist eine Leistung, die kann man von außen kaum ermessen", sagt Lugmayr. Diese immerwährende Veränderung durch das Begrüßen und Verabschieden von Ensemblemitgliedern, erwidert Hasselt, könne er gut annehmen, auch wenn es dafür mitunter ein breites Kreuz brauche: "Das ist oft eine Seitwärtsbewegung mit hohem Wellengang", meint er. Wischt aber gleichzeitig jeden Zweifel am Wert seines Beitrags zur Gemeindearbeit in der Gruppe vom Tisch, zieht vielmehr Parallelen zu allen, die mitten im Leben handeln, gestalten, verlässliche Größe sind. Er braucht das Bild von der stürmischen Ausfahrt auf den See Genezareth gar nicht zu zitieren, um erkennen zu lassen, welches Bibelwort ihm Kraft gibt, wenn er sich vor der großen musikalischen Familie zwischen acht und 88 verneigt, deren Mitgliedern er eine "enge Heimat in aller Verschiedenheit" geben will.

So sieht es aus, wenn der Posaunenchor eine Probe hat. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Weshalb es ihm auch keine Sorgen macht, dass im Ebersberger Posaunenchor der Nachwuchs genauso zunehmend rar wird wie in anderen Ensembles. Es werde halt weniger gesungen und musiziert in den Kindergärten oder Familien, mehr konsumiert. Damit müsse man leben: "Nicht alles lässt sich beeinflussen, nicht jedem ist es gegeben, ein Leben lang bei seinem Instrument zu bleiben." Was ihn darum umso mehr freut: Wenn Eltern, deren Kinder aus dem Gröbsten raus sind, eine neue Aufgabe im Posaunenchor suchten. "Da deutet sich ein Trend an!"

Wenn Hasselt schließlich über seine Zeit bilanziert, "es war schön, auf dem Peak dagewesen zu sein", hat er eine andere Entwicklung vor Augen. Dann spielt er auf die vergangenen hundert Jahre an, in denen sich die evangelische Gemeinde zu einer eigenständigen Größe entwickelt hat - von der Tochtergemeinde "Ebersberg-Grafing" von Großkarolinenfeld 1923 über den ersten Pfarrer einer eigenständigen Gemeinde 1958 und die Ebersberger Selbständigkeit 1983. Die schwindenden Zahlen bei den Gläubigen könnten Anfang eines Rückbaus sein, "vielleicht wird's sich dann wieder in Großkaro bündeln". Aber solange der Posaunenchor erklingt, ist der Jüngste Tag noch fern.

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